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Dabei sein ist alles - nur wie?

Bezirksausschüsse und Stadträte möchten auch virtuell tagen können

Korbinian Werner (Grüne) aus dem Sendlinger Bezirksausschuss: „Es geht darum, in Pandemiezeiten als Gremium handlungsfähig zu bleiben." (Bild: C. Pirker )

Dabei sein ist alles: Bürgerversammlungen und Bezirksausschusssitzungen geben jedem Bürger Möglichkeiten, sich in die Gestaltung seines Lebensumfeldes einzubringen. Zudem kann jeder Bürger dabei sein, wenn politische Gremien bis zum Stadtrat Entscheidungen treffen, die aller Alltag berühren. Das soll ja nicht im "stillen Kämmerlein" ausgemacht werden, sondern transparent und nachvollziehbar erfolgen. Deshalb sind viele dieser Sitzungen öffentlich. In der Pandemie sind indes alle aufgerufen, Kontakte zu reduzieren und möglichst zuhause zu bleiben.

Wie bekommt man beide Ansinnen - Teilhabe der Bürger und Gesundheit - unter einen Hut? Einige Bezirksausschüsse und Politiker hoffen auf digitale Wege.

Bürger wollen Änderung der Gemeindeordnung

Der Sendlinger Bezirksausschuss (BA 6) will, dass man zukünftig an seinen öffentlichen Sitzungen und an den Bürgerversammlungen auch online teilnehmen kann.

Die Bayerische Gemeindeordnung erlaubt das bisher nicht; Bürgerversammlungen und BA-Sitzungen erfordern wie Stadtrat- oder Gemeinderatsitzungen persönliche Präsenz, weil die dort getroffenen Entscheidungen transparent getroffen werden sollen.

In Zeiten des Home-Office finden u.a. die Sendlinger Grünen diese Regelung antiquiert und hinsichtlich des Infektionsschutzes während der Pandemie fragwürdig. „Mehr Sendlinger und Sendlingerinnen sollen an den Entscheidungen rund um unser Viertel teilhaben können“, erläuterte Christina Hesse (Grüne) den Vorschlag, die Gemeindeordnung zu ändern, um virtuelle Sitzungen zu ermöglichen: „Ein Livestream zum Beispiel würde es Interessierten erlauben, dabei zu sein, auch wenn sie nicht gut zu Fuß sind oder kleine Kinder zu Hause haben.“ Korbinian Werner (Grüne) ergänzte: „Es geht auch darum, in Pandemiezeiten als Gremium handlungsfähig zu bleiben." Daher sollten Mandatsträger Beschlüsse auch online treffen können. Die digitalen Instrumente dafür seien längst vorhanden

Der Sendlinger Bezirksausschuss stellte sich hinter die Forderung. Er rief Staatsregierung und Landtag auf, die Gemeindeordnung zu ändern.

"Ein Signal für die Digitalisierung senden"

Ähnlich entschied sich der Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19). Er unterstützt den Wunsch des Aubinger Bezirksausschusses, dass die Bürgergremien die Tagungen ihrer Arbeitsgruppen (Unterausschüsse) nicht mehr in Präsenz, sondern über Onlinekonferenzen abhalten dürfen.

Zudem schloss sich der BA 19 der Sendlinger Forderung nach Änderung der Gemeindeordnung an, um BA-Sitzungen und Bürgerversammlungen virtuell abhalten zu können. Einen entsprechenden Antrag hatte hier die Gemeinschaft der Freien Wähler / ödp / Parteiloser eingebracht. "Wir möchten ein Signal für die Digitalisierung senden", erklärte Richard Panzer im BA. Das neue städt. IT-Referat könne die technischen Grundlagen für virtuelle Tagungen schaffen. "Wir hätten etwas Ähnliches vorbereitet", erklärte Michael Kollatz für die SPD. "Die Gemeindeordnung darf virtuelle Sitzungen nicht verhindern." Das Bürgergremium stellte sich einstimmig hinter die Forderung, die Gemeindeordnung zu ändern.

BA-Vorsitzender Ludwig Weidinger (CSU) wies auf die Möglichkeit hin, dass virtuelle Sitzungen vielleicht mehr Teilnehmer hätten als "echte" Tagungen. In der Regel ist die Zahl der Bürger, die sich an den Sitzungen ihrer Vertreter beteiligen, überschaubar.

Stadträte wollen ebenfalls Anpasssung

Auch die SPD/Volt-Fraktion im Münchner Stadtrat fordert die Staatsregierung auf, die Rechtsgrundlage zu ändern und digitale Stadtratssitzungen zu erlauben. Nur so können die Kommunalpolitiker ihrer Arbeit auch nachgehen, ohne sich einem ständigen Gesundheitsrisiko auszusetzen. Im Dezember tagte der Münchner Stadtrat mit reduzierter Personenzahl. Im Januar sei der Sitzungskalender so gut wie leer. Bis auf den Kinder- und Jugendhilfeausschuss und die Vollversammlung sei alles abgesagt. Während der Corona-Pandemie will der Stadtrat mit gutem Beispiel vorangehen und die Kontakte so weit wie möglich reduzieren. Ausschusssitzungen mit 30 oder 40 Personen oder Vollversammlungen mit mehr als 100 Menschen wären unverantwortlich. Die politische Arbeit aber komme so weitgehend zum Erliegen.

Zwar kann der Oberbürgermeister München durch Verordnungen lenken. Für das demokratische Leben in der Stadt sien die Diskussionen und Entscheidungen im Stadtrat und seinen Ausschüssen unverzichtbar. Die bayerische Gemeindeordnung schreibt eine Präsenzpflicht vor, digitale Sitzungen sind für kommunale Gremien bislang nicht zugelassen.

Staats- und Regierungschefs treffen sich per Videokonferenz, wenn sie wichtige Themen beraten. Im Europäischen Parlament wurde eine Möglichkeit gefunden, rechtssicher auch aus der Distanz abzustimmen. Schüler müssen von daheim lernen, Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter ins Homeoffice. Nur der Freistaat halte an der "veralteten Präsenzpflicht" fest, so die Fraktion. Eine Stadträtin in Quarantäne dürfe nicht zu Sitzungen zugeschaltet werden. Einem Bezirksausschussmitglied, das den kranken Vater pflegt, bleibe die Teilnahme versagt. Bei hohen Inzidenzzahlen müsse das ganze Gremium sich dem Infektionsrisiko aussetzen oder auf eine Sitzung ganz verzichten.


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