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Acht auf einen Streich

Landtagskandidaten stellten sich beim VdK der Diskussion

In einem halben Jahr sind Landtagswahlen. (Bild: imp)

Fürstenried und Forstenried sind geteilt: Mitten durch beide Viertel verläuft die Grenze zwischen den Landtagsstimmkreisen 101 ("Hadern") und 103 ("Giesing"). Was lag da näher, als im nahe an dieser Grenze liegenden Bürgersaal Fürstenried einfach die Direktkandidaten beider Stimmkreise aufs Podium zu holen? Der örtliche VdK hat's getan und die acht Bewerber von CSU und SPD, Grünen und FDP genau ein halbes Jahr vor der Wahl eingeladen.

"Wir wollen wissen, was Sie anstellen, wenn Sie im Landtag sind“, begrüßte Jürgen Gerhards (VdK) die Runde. Der Sozialverband werde Themen in den Wahlkampf einbringen, „die vielen Menschen auf den Nägeln brennen“, ergänzte VdK-Kreisgeschäftsführer Marian Indlekofer.

Die wichtigsten Schwerpunkte

Für Sabrina Böcking gehört dazu die innere Sicherheit: „Wir brauchen ein Aufstocken bei der Polizei.“ Die massiven Eingriffe in Bürgerrechte, die die CSU durchgesetzt habe, müsse man aber zurücknehmen: „Die Polizei braucht keine zusätzlichen Befugnisse.“

Der Ausbau der kostenfreien Kinderbetreuung hat für sie gleichfalls Priorität: „Das ist nötig für das berufliche Vorankommen der Frauen!“

Florian Siekmann warb für einen Ausbau ökologischer Fortbewegungsmöglichkeiten. Er hat sich seinerzeit u.a. für die Einführung des Semestertickets stark gemacht.

Micky Wenngatz sieht die Digitalisierung als große Herausforderung – ebenso den Schutz der Demokratie vor den Angriffen der Rechten. „Grenzen setzen und aufklären“ ist ihr Rezept. Außerdem müsse man der Altersarmut von Frauen („Die Altersarmut ist weiblich“) etwas entgegensetzen, denn eine ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern sowie die nicht vorhandenen Rückkehrmöglichkeiten von Teil- in Vollzeit bei Frauen wirken sich auf deren spätere Rente negativ aus.

„Es geht uns in Bayern gut, aber nicht alle Menschen stehen auf der Sonnenseite“, meinte Georg Eisenreich. Der Erhalt des sozialen Friedens ist für ihn entscheidend. Die Schere zwischen Arm und Reich dürfe sich nicht weiter öffnen. Neben Sicherheit und Bildung ist auch für den neuen Digitalminister die Digitalisierung ein Spitzenthema: „Viele reden über die Digitalisierung, haben aber die Dimension noch nicht erfasst“, so Eisenreich, „alle Menschen sollen davon profitieren und die Chancen nutzen, die sich durch die Digiatlsieriung bieten.“

Andreas Lorenz sieht Bayern ebefalls an der Spitze. „Aber nichts ist so gut, dass man es nicht noch verbessern könnte“, sagte er. Er verwies darauf, dass es in städtischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten unterschiedliche Lebensbedingungen gebe. Diese müsse man zusammenführen.

Neben dem Verbraucherschutz ist der Mieterschutz für Florian von Brunn ein wichtiges Anliegen. Er sieht auch die Staatsregierung verantwortlich für die hohen Münchner Mieten, denn in Bayern gebe es viel zu wenige Sozialwohnungen und der Verkauf der GWG-Wohnungen habe die Probleme verschärft. „Wir müssen an vielen Stellschrauben drehen“, so von Brunn. Eine davon sei das Rentensystem. Hier sprach er sich für das gesetzliche, umlagefinanzierte System aus. Dies habe – im Gegensatz zur privaten Vorsorge – seine Funktionsfähigkeit auch in schwierigen Zeiten bewiesen.

„Bildung ist der Schlüssel für Chancengleichheit“, unterstrich Julika Sandt. In die Digitalisierung müsse man alle Generationen einbeziehen. Hier sieht Sandt eine Kluft, da nicht alle Menschen mit dem PC umgehen können. Eine „Herzensangelegenheit“ ist ihr der Denkmalschutz (Erhalt der Münchner Ensembles) sowie Verbesserungen im Gesundheits- und Pflegesystem.

Gülseren Demirel kritisierte, dass etliche Menschen trotz Arbeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, „da muss man Lösungen finden!“ Dazu gehöre der Bereich Wohnen, an dem niemand vorbeikomme, und das Thema Altersarmut. Die Beratung älterer Menschen und die Vergabe von Fördermitteln müsse ausgebaut werden, damit diese möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können.

Gretchen- und Bürgerfragen

Etliche Fragen und Anliegen brachten die anwesenden Bürger vor. Sie diskutierten unter anderem, ob die geforderte Inklusion in den Schulen funktioniere oder hintertrieben werde, wie eine Mutter meinte. Ganz unterschiedliche Positionen vertraten die Kandidaten bei der Frage, wie die Barrierefreiheit umgesetzt werden könne.

Georg Eisenreich verwies darauf, dass dies ein politischer Schwerpunkt der Staatsregierung sei – und „ein Auftrag für die ganze Gesellschaft.“ Man müsse nicht nur die räumlichen Barrieren beseitigen, sondern auch die in den Köpfen. Hier sei Überzeugungsarbeit nötig.

Florian von Brunn sieht den Staat gleichermaßen in der Pflicht – z.B. beim Ausbau der Bahnhöfe, von denen nicht einmal die Hälfte barrierefrei sei. Er warb zudem für eine landesweite Kampagne für Barriefreiheit.

Daneben brauche man sinnvolle Auflagen für Neubauten, denkt Sabrina Böcking. Nicht immer seien hohe Fördermittel nötig. Bei manchem Geschäft helfe bereits der Anbau einer Rampe.

Andreas Lorenz ergänzte, man müsse Bauordnung und Genehmigungsverfahren entsprechend anpassen. Man müsse „gesetzliche Vorgaben machen, die das sicherstellen.“

Die Barrieren in den Köpfen sieht Florian Siekmann als vorrangigen Ansatzpunkt. Für die nächste Generation müsse es selbstverständlich geworden sein, bei Neubauten die Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken.

Julika Sandt schlug steuerliche Anreize für diejenigen vor, die mit Investitionen für mehr Barrierefreiheit sorgen. Diese sei für viele Gruppen wichtig – z.B. Eltern mit Kinderwagen. Im Münchner ÖPNV findet man sich da oft kaum zurecht. Die Beschilderung in den Bahnhöfen zum nächsten Lift sei „grottenschlecht“.

Die gesetzliche Verpflichtung sei eine „Notwendigkeit“, sagte Micky Wenngatz und verwies mit einem Beispiel auf die bestehenden Probleme: Es gebe in München keine einzige gynäkologische Praxis, die barrierefrei ist.

„Bei Appellen bin ich nicht besonders hoffnungsfroh“, meinte Gülseren Demirel. „Man muss Gesetze überarbeiten, damit die Barrierefreiheit ein Muss und als Standard verankert wird.“ Spanien sei da wesentlich weiter: „Warum funktioniert das dort so leicht? Warum müssen wir bei uns 100 Schleifen dazu drehen?“ Neben Gesetzen brauche man für die Barrierefreiheit neue Förderprogramme: Ohne Anreize durch diese gehe es nicht.

Die beiden Stimmkreise

Zum Stimmkreis 101 Hadern zählen Hadern, Sendling-Westpark, die Hälfte von Forstenried und Fürstenried sowie ein Teil Laims.

Zum Stimmkreis 103 Giesing gehören Sendling, Obergiesing-Fasanengarten, die Großteil von Untergiesing-Harlaching, Thalkirchen, Obersendling, Solln sowie die Hälfte von Forstenried und Fürstenried.


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