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Von wegen Neubaugebiet

Archäologen entdecken Siedlungsspuren unter der Erde Freihams

Bauzäune mit Bildern und Texten zu den archäologischen Funden sind in der Freiluftausstellung an der Ecke Albert-Camus-Straße und Wiesentfelser Straße aufgestellt. (Bild: Patrizia Steipe)

Von wegen Neubaugebiet: In Freiham haben seit der Steinzeit und über viele Zeitepochen hinweg bis zur Spätantike Menschen gelebt. Erst in den letzten hunderten von Jahren hat sich Erdreich über die Spuren der früheren Menschheit gelegt und statt Siedlungen sah man bis zum Beginn der Bauarbeiten für Freiham Wiesen und Felder zwischen Bodensee-, Wiesentfelser Straße und der Autobahn. In den letzten 15 Jahren haben Archäologen bei 40 Grabungsprojekten neben unzähligen Spuren früherer Besiedelung 165 Gräber, 30 Brunnen, sechs Öfen und fünf sogenannte Darren, in denen Lebensmittel getrocknet wurden, gefunden.

Freiham-Nord gehört zu den größten zusammenhängenden Grabungsprojekten in Deutschland. Die etwa 11.500 Funde sind noch in keinem Museum zu sehen. Allerdings gibt es an der Ecke Albert-Camus-Straße und Wiesentfelserstraße eine öffentlich zugängliche „Outdoorausstellung“. Dabei wurden Stoffbahnen mit Erläuterungen und Fotos versehen und auf Bauzäune gespannt. Immer wieder bleiben Passanten stehen und studieren die Tafeln. Wer sich umdreht, blickt auf unzählige Baukräne, Bagger und die Rohbauten der neuen Häuser Freihams. Größer könnte der Kontrast nicht sein.

Laut Gesetz ist ein Bauträger verpflichtet Baudenkmäler für die Nachwelt zu erhalten. In Freiham hat das Kommunalreferat der Landeshauptstadt die Aufträge dazu vergeben. Das bedeutet nicht, dass die Funde alle ausgegraben werden müssen. Schließlich handelt es sich meist um Pfostenreste und andere Spuren, die nur als Verfärbung im Erdreich erkannt werden können. Sie sollen aber genau dokumentiert und fotografiert werden, bevor die Bagger anrollen.

Die Freihamer Pfostenreste können 270 Häusern zugeordnet werden. Der Westen Münchens war wegen des niedrigen Grundwasserpegels ein beliebter Wohnort. Hier gab es ausreichend Wasser und fruchtbare Böden. Besonders aufgeregt sind die Wissenschaftler, wenn sie auf aufgegebene Brunnen stoßen. Die wurden häufig mit Haushaltsabfall verfüllt. Darin fanden sie sogar gut erhaltene Materialien wie Holz, Leder oder Pflanzenteile.

Spät-römischer Friedhof mit 20 Gräbern

In Freiham wurde auch beerdigt, das haben die 165 gefundenen Gräbern belegt. Besonders ergiebig war ein spät-römischer Friedhof mit 20 Gräbern, der vor ein paar Jahren südlich der Otto-Meitinger-Straße gefunden wurde. Durch die vielen Grabungsfunde aus einer Epoche können die Archäologen das Typische für diese Zeit feststellen. So wie heute wurden die Toten damals in Holzsärgen beerdigt. Allerdings haben sie Grabbeigaben bekommen. Zum Beispiel wurden Münzen auf die Augen oder in den Mund gelegt. Damit sollten die Verstorbenen das Fährgeld über den Totenfluss zahlen, der das Diesseits vom Jenseits trennt.

Dagegen ist den Gräbern des Spätneolithikums (bei uns 2.600 bis 2.200 vor Christus) und der frühen Bronzezeit (2.200 bis 1.600 vor Christus) gemein, dass die Menschen darin in Hockerlage mit angezogenen Beinen und angewinkelten Armen bestattet wurden. Als Grabbeigaben bekamen sie Keramikgefäße. die aufgrund ihrer Form als Glockenbecher bezeichnet wurden. In einem Frauengrab fanden die Archäologen, was eher ungewöhnlich ist, sogar einen Kupferdolch und aus der Römerzeit stammten die Gräber, die mit mehreren Personen belegt waren.

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