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Steyrer Hans (1849-1906), der Allacher Herkules

Stadtteilhistoriker Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Nicole Westphal, Hildesheim)

Auf der Suche nach namhaften Allachern nannten mir ältere Mitbürger vielfach den Steyrer Hans, von dem sie angaben, dass er in Allach geboren sei und vermutlich auch dort gelebt habe.

Ob er eine Person des 19. oder 20. Jahrhunderts war, war den meisten unbekannt. Die Zeit des Hans Steyrer war die Zeit der bayerischen Könige Max II. (1848-1864), Ludwig II. (1864-1886) und Prinzregent Luitpold (1886-1912), eine Zeit, die viele zu Unrecht die „gute alte Zeit“ nennen. Wenige wußten, dass er nur seine ersten drei Jahre ein Allacher war, später ward er in Allach nicht mehr gesehen. Oder weiß jemand mehr?

A uf der Bayerischen Landesausstellung 2016 „Bier in Bayern“ (Bild 1) in Aldersbach (Ndb.) wurde der Steyrer Hans mit seinem gewaltigen Spazierstock, der angeblich 10 Kilo schwer war, gezeigt (Bild 2). Dieser befindet sich im „Valentin-Musäum“ am Isartorplatz. Zu meinem Leidwesen hatten es aber die verantwortlichen Aussteller des Hauses der Bayerischen Geschichte versäumt, Steyrers Herkunft als Allacher Metzgersohn zu erwähnen. Schön war aber, dass er in dieser vielbesuchten Ausstellung zusammen mit der berühmten Münchner Schützenliesl Coletta Möritz und dem Bamberger Andreas Graser vom „Schlenkerla“ als wichtiger Bierrepräsentant, weil auch Wiesnwirt, gezeigt wurde.

Wenn man über den Steyrer Hans etwas schreiben will, muß man am besten bei seinem Vater Josef anfangen, der ein Wirtssohn aus Ludwigsfeld war und 1846 das Anwesen mit Haus-Nr. 47 in Allach (Bild 3) samt Vieh und Fahrnissen (bewegliche Sachen), Einrichtung und Vorräten von Michael Buttmann, einem der wenigen Protestanten am Ort, kaufte. Steyrer Josef heiratete noch im selben Jahr eine Maria Maier aus Pähl am Ammersee.

Von den sechs Kindern der Steyrer überlebten nur die Tochter Therese und der am 24.06.1849 geborene Johann Baptist im Anwesen, das man in Allach nun „Beim Lucklmetzger“ nannte. Rudolph schreibt in seinem Stadtteilbuch, dass in der langen Geschichte dieses Anwesens es 1632, 1738, 1844 und 1909 abgebrannt war, aber jeweils wieder aufgebaut worden sei. Seit 1986 war es ohne Landwirtschaft, seit 1996 hat es in der Eversbuschstr. 141 den Fotoladen Seidel (Bild 4).

Johann Baptist Steyrer ist jedenfalls in dem Haus Nr. 47 von 1844 als viertes Kind der Steyrer-Familie geboren, wurde aber zwei Tage später in der Aubinger Kirche St. Quirin getauft. Links (Bild 5) sieht man den Eintrag im Familienbuch der Pfarrei, den ich dem Allacher Heimatforscher J. Tausch verdanke. Schon 1852 verkaufte der Vater, der in Allach das Metzgerhandwerk ausübte, seinen Gesamtbesitz an den Metzger Andreas Fendt aus Oberpörnbach bei Aichach und ging als Gastwirt und Metzger nach Perchting bei Starnberg.

Lenggries war die erste Station in der Fremde für den 15-jährigen Hans als Metzgerlehrling. Schon als Knabe hatte er ungewöhnliche Kräfte entwickelt, die er dann in der Lehre durch unermüdliches Training steigerte.

Dass man ihn bis heute nicht vergessen hat, zeigt dieser Festkrug der Wienswirte (33 €) zum Oktoberfest 2014, auf dem der berühmte Wiesneinzug Steyrers, sein großes Portrait als Festwirt, das „Lebende Reck“ mit seinem Sohn (12 Jahre, 70 Pfund) und der Kraftakt mit dem 528-Pfundstein von der Grafikerin Tita Gronemeyer in herrlichen Farben gezeichnet wurde. Diese Bilder kannte man bisher nur in Schwarz-Weiß (Bilder 6, 7, 8).

Um 1890 war Steyrer als 41-Jähriger mit einem Körpergewicht von beinahe zweieinhalb Zentnern bei 1,70 m Größe und seinem vierzig Zentimeter breiten Schnurrbart als „Stoaheber-Hans eine maßlos stattliche Erscheinung. Kein Wunder, dass ihm die Münchner unterstellten, er würde „Oachkatzln“ schnupfen aus seiner zigarrenschachtelgroßen, dreiundvierzig Pfund schweren Tabakdose aus Marmor und Zinn, die kaum jemand halten konnte.

Mit Mathilde, der Tochter des Schweinemetzgers Schäffer, war er seit 1879 verheiratet. Die beiden betrieben in München nacheinander mehrere Gaststätten, so das Gasthaus „Zum bayerischen Herkules“ in der Lindwurmstraße und ein weiteres in der Bayerstraße. Dann übernahmen sie die kleine Wirtschaft „Tegernseer Garten“ in Obergiesing , die sie ausbauten und bis zu Steyrers Tod als „Restaurant Steyrer Hans“ bewirtschafteten. Dieses Wirtshaus an der Tegernseer Landstraße 75 wurde ein beliebter Treffpunkt der Athleten und Kraftmenschen.

Nach vielen Auftritten als Kraftsportler und Ringer in Deutschland und anderen europäischen Ländern war der Steyrer Hans nach der Heirat Wirt geworden und bis zu seinem frühen Tod am 25.08.1906 geblieben.

Wie die Münchner Presse, insbesondere der Pasinger Würmtal-Bote, berichtete, bewegte sein Tod nach einer längeren Krankheit ganz München. Zu seiner Beerdigung fanden sich über 1000 Menschen im Ostfriedhof ein, die in einem großen Bogen um sein Grab standen.

Dem Steyrer Hans zu Ehren wurde 1955 fälschlicherweise in Obermenzing eine Straße benannt. Sie heißt dort Steirerstraße (Bild 9), aber Steyrer entstammt keiner Obermenzinger Wirtsfamilie wie Dollinger dazu schreibt. Die Straße gehörte eigentlich nach Allach. Auch taucht die Schreibweise mit „ei“ in keiner Herrn Erber und mir bekannten Urkunde auf. Was dachte man sich im Bauamt und wie kam Herr Dollinger zu seinem „Wissen“?

Der Allacher Burschenverein hat im Mai dieses Jahres den Steyrer Hans wieder zum Allacher gemacht, indem er ihn als Holzfigur am Maibaum groß und sichtbar ausstellte und zur Maibaumfeier Herrn Kurt Erber, den in Solln wohnenden Urenkel des Steyrer Hans, mit Frau einlud. Für mich war das Maibaumfoto natürlich Pflicht (Bild 10).

Zum Abschluß möchte ich mich bei Herrn Freis für die Bereitstellung des Kruges und aller für den Artikel notwendigen Unterlagen besonders bedanken.

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