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Neues über unseren alten Untermenzinger Nepomuk

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Demmel)

Bei meiner letztjährigen Führung durch den Untermenzinger Friedhof – die diesjährige mußte wegen der Corona-Pandemie ausfallen – zu erinnerungswürdigen Gräbern blieb die 20-köpfige Gruppe auch kurz, heute würde ich sagen viel zu kurz, vor einer Heiligenstatue stehen, die am östlichen Eingang des Parkfriedhofs steht und der Würm zugewandt ist. Zunächst aber noch etwas Wissenswertes zum Friedhof.

Aus dem Heimatbuch „Untermenzing“ von Andreas Reupold geht hervor, dass es bis zum Jahr 1914 um die St. Martinskirche nur das obere Friedhofparterre gab, das durch den damaligen Gemeinderat für Bausachen, Korbinian Beer, durch das untere erweitert und 1915 durch ein neues Leichenhaus vervollständigt wurde. 1952 erwarb die Gemeinde jenseits der Würm landwirtschaftliche Grundstücke für die neuerliche Erweiterung des Untermenzinger Friedhofs. Die Beer-Grabstätte (Bild 1) befindet sich gleich links am östlichen Eingang zum Friedhof.

Wenn man vom alten Untermenzinger Friedhof von St. Martin über die 1952 vom Obermenzinger Architekten Konrad Reichherzer geschaffene Würm-Brücke (Bild 2) zum neuen oder Parkfriedhof von 1952 geht, sieht man unmittelbar vor dem Eingang den bekannten Brücken-Heiligen St. Nepomuk (Bild 3). Wenn man dann weiß, dass das Denkmalschutzamt diese Figur so bedeutsam findet, dass man sie schon vor vielen Jahren unter Denkmalschutz stellte, dann wird sie für den historisch Interessierten bedeutsam und er stellt sich die Frage nach der Herkunft. Zunächst einmal zu seiner Person.

Der heilige Nepomuk (um 1350-1393) oder auch Johannes von Pomuk (bei Pilsen) war ein christlicher Priester und Märtyrer aus Böhmen. Er lebte im 14. Jahrhundert und wurde im 18. heiliggesprochen. Nepomuk starb für seinen Glauben, wurde gefoltert, von der Karlsbrücke der Moldau in Prag gestürzt und ertränkt. An dieser Seite der Brücke befindet sich seit 1693 die bekannte und verehrte Nepomuk-Statue. Dieser Märtyrertod ist der Hauptgrund, warum er auf einer Brücke oder nahe an einem fließenden Gewässer steht und wacht. So wurde er zum Brückenheiligen, der vor allem im früheren Böhmen und in Süddeutschland und Österreich verehrt wird.

So blicken wir (Bild 3) auf unseren Nepomuk nicht nur als Brücken-Heiligen, sondern auch als Wächter für den neuen Friedhof. Er steht auf einem hohen und kunstvoll gearbeiteten Sockel von ca. 1,50 m Höhe, bekleidet mit einem faltenreichen Chorrock und einem abgebrochenen Kreuz in der linken Hand. Reupold berichtet davon, dass es immer wieder Ziel unverständlicher Zerstörung war, unser Untermenzinger Nepomuk aber ursprünglich auf den Isarhöhen der Sendlinger Flur nahe dem Schlößchen Neuhofen gestanden habe. Nach dem Krieg, als der Neuhofener Schuttberg mit dem Münchner Kriegsruinen-Schutt aufgetürmt wurde, kam die Figur zunächst auf einen Münchner Bauhof. Etwa 1953 kam man – wer ist nicht bekannt – auf die Idee, den Brückenheiligen wieder an einem Fluß, nämlich der Würm, aufzustellen. Hier kann ich die zunächst nicht belegte Feststellung Reupolds durch ein Foto aus dem Stadtarchiv München (Bild 4), auf das mich Frau Dr. Pohl aufmerksam machte, die auf den Ursprungsort „unseres“ Untermenzinger Nepomuks bei ihrer Recherche zum KulturGeschichtsPfad Sendling gestoßen war, belegen. Es zeigt den heiligen Nepomuk in einer Aufnahme von 1941 von hinten in Mittersendling. Bei dem im Hintergrund sichtbaren Gebäude handelt es sich um den ehemaligen adeligen Sitz Neuhofen, der später ein beliebtes Ausflugslokal war, aber schon lange nicht mehr besteht. An diese Stelle kam einer der drei großen Münchner Schuttablageplätze für die Trümmerbeseitigung nach dem Zweiten Weltkrieg, man spricht von 2,5 Mio. Kubikmeter, die entlang des Isarhochufers aufgeschüttet wurden. Sie wurden mit der „Bockerlbahn“ und mit Lastwagen von der Innenstadt und der Sendlinger Umgebung nach Neuhofen transportiert. Dem neuen Schuttberg mußte auch der Mittersendlinger Nepomuk weichen, landete deshalb zunächst vermutlich im städt. Bauhof der Stadt München in der Mittersendlinger Engelhardstr. 26 und wartete dort auf einen neuen Brückenplatz.

In der Liste der Baudenkmäler in Untermenzing ist das Objekt als „Standbild des heiligen Johannes von Nepomuk: neubarock, wohl um 1900; am Eingang des neuen Friedhofs von Untermenzing“ verzeichnet. Reupold schreibt dazu: „Diese 200 Jahre alte Steinfigur stand einst auf den Isarhöhen der Sendlinger Flur nahe dem Schlößchen Neuhofen.“ Wie kommt nun der Untermenzinger Heimatforscher zur 200 Jahre alten Steinfigur? Er kannte noch den Untermenzinger Steinmetz und Steinbildhauer Paul Scheingraber, der das abgebrochene Kreuz und vermutlich auch die linke Hand (Bild 5) mehrfach ersetzte. Scheingraber schätzte die Nepomuk-Figur wesentlich älter ein als das Landesamt für Denkmalpflege. Das machte mich dann besonders neugierig. Ich betrachtete und fotografierte unseren Nepomuk zu verschiedenen Tageszeiten. Besonders interessierte ich mich für den Sockel, der aus näherer Betrachtung auf der Vorder- und Rückseite eine kaum erkennbare Beschriftung aufweist. Er ist ca. 1,30 m hoch, ca. 50 cm tief und ca. 60 cm breit, die Statue selbst ist ca. 1,30 cm groß. Auf die nur bei genauerem Hinsehen erkennbaren Inschriften hat bisher niemand hingewiesen. Ich selbst als Kenner unseres Untermenzinger Friedhofs bin lange Zeit achtlos daran vorbeigegangen. Deshalb hier für den überraschten Leser die ausgewählten Fotografien beider Seiten:

Bild 6 zeigt die am Nachmittag fotografierte Rückseite, Bild 7 die am Vormittag fotografierte Vorderseite. Beide Seiten sind von stark marmoriertem Stein und weisen zudem viele Sprünge auf. Bis jetzt konnte ich nur auf der Rückseite in der achten Zeile „In Neuhofen“ lesen und in der elften „Kafler“. Vermutlich werde ich zu Hause noch einige Wörter entziffern können. Ich hoffe aber auch, Experten im Landesamt für Denkmalpflege, denen ich meine Bilder in verschiedenen Größen übergeben habe, werden Licht in das schriftliche Dunkel bringen können.

Meine Überlegung war auch, daraus einen Wettbewerb für die Schulen unseres Stadtbezirks auszuschreiben.

Erinnerungswürdig für unsere Corona-Wochen: Die Nepomuk-Statue steht am Anfang der Behringstraße, wo diese noch Rad- und Fußweg ist, bevor sie im Süden in die Obere-Mühlstraße mündet und nach Norden hin bald zur Fahrradstraße wird. Emil Adolph von Behring (1854-1917) war ein berühmter Immunologe und Serologe, der von 1889-1893 Assistent des in unseren Tagen vielgenannten Robert Koch war. Er entdeckte 1890 das Diphterie- und Tetanusantitoxin und erhielt 1901 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.


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