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Nach Diamalt kommt Krautheim: Allach auf dem weiteren Weg zum Industriestandort

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Foto 1: Georg Krauß (Bild: Wikipedia)

1902 hatte sich bereits die „Deutsche Diamalt Gesellschaft mbH“ in Allach westlich der Bahnlinie in der Nähe des Allacher Bahnhofs angesiedelt (Demmel 2015). Die „Bayerische Stahlformgießerei Krautheim & Co. GmbH“ in Allach bei München war der erste Industriebetrieb in Allach, der 1907 östlich der Bahnstrecke München-Ingolstadt eröffnet wurde. Die Stahlformgießerei Krautheim mit Hauptsitz in Chemnitz, die nach dem 1. Weltkrieg von der Lokomotivfabrik Krauss Comp. übernommen wurde, legte so mit weiteren Firmen den Grundstein zum Industriestandort Allach .

Am 23. Juli 1837 wurde die Augsburger-Münchener-Eisenbahngesellschaft gegründet, deren Leitung der Münchner Industrielle Joseph Anton von Maffei (1790-1870) übernahm. Das Firmengelände des Maffei‘schen Eisenwerks war in der Hirschau im Englischen Garten, aus deren kleinen Anfängen eine Lokomotivfabrik entstand, die später Weltruf erlangen sollte. Gegen den Widerstand Maffeis gründete 1866 der bei Maffei als Schlosser angelernte Georg Krauss (1826-1906, Bild 1) die Lokomotivfabrik Krauss & Comp. und baute an der Arnulfstraße, in der Nähe des Münchner Bahnhofs, auf Neuhauser Gebiet eine Produktionsstätte mit Bahnanschluß. Noch 1905 beschloss Krauss die Verlagerung der Fabrik vom engen Stadtzentrum hinaus nach Allach

Nach dem Tode von Georg Krauss im Jahre 1906 übernahm zunächst Carl von Linde und ab 1916 der nicht verwandte Hans Georg Krauss die Gesamtleitung des Unternehmens. 1931 kam es durch die Vereinigung mit der Lokomotivfabrik Maffei zur Krauss-Maffei AG.

Gemeinsam mit der Firma Krauss & Comp. gründete 1908 Gustav Krautheim aus Chemnitz in Allach (Bild 2, rechts das Haus von damals links außen; rechtes Bild 3 das Haus heute) die oben genannte „Bayerische Stahlformgießerei Krautheim & Comp. GmbH“. Die Gründung sollte die rasche Lieferung von Stahl- und Temperguß im Münchner Raum ermöglichen. Man nannte schon im Briefkopf als Angebote der Firma: Flußstahlformguß in allen Härten, Flußeisenformguß als weicher Stahlguß, Temper-Stahlguß, Schmiedbarer Guß und Qualitäts-Grauguß. Krautheim selbst betrieb seit 1888 eine Tempereigießerei in Chemnitz und seit 1891 eine Stahlformgießerei in Altendorf, einem Stadtteil von Chemnitz nordwestlich des Stadtzentrums. Da die Erweiterungsmöglichkeiten begrenzt waren, sah er sich deutschlandweit nach einem Standort mit Gleisanschluß und Erweiterungsmöglichkeiten um. Seine vielfältigen Geschäftsbeziehungen brachten ihn mit Georg Krauss zusammen. Im Westen hatte sich, wie einleitend gesagt, auf der grünen Wiese östlich von Allach 1902 der Nahrungsmittelbetrieb Diamalt, auch mit einem von der Gemeinde unterstützten Gleisanschluß, angesiedelt. Nun beschlossen Krauss und Krautheim ihre Ansiedlung östlich der Bahn, natürlich auch mit Gleisanschluß. Krauss war der Gesellschafter mit der größten Stammeinlage, beteiligt waren noch ein Fabrikbesitzer, ein Ingenieur und vier Fabrikdirektoren.

Gegenstand des Unternehmens war der Bau, die Einrichtung und der Betrieb einer Gießerei (Bild 4) von Gießereierzeugnissen aller Art. Alleiniger Geschäftsführer wurde Gustav Krautheim und berechtigt zur Vertretung der Gesellschaft. Wie der Plan, der im Wirtschaftsarchiv liegt, zeigt, bestand die Stahlformgießerei aus einer 50 m langen und 10 m breiten Stahlgießerei. An sie schloß sich anfangs eine ebenso lange und acht Meter breite Mechanische Werkstätte an, für deren Aufbau der Allacher Hütteningenieur Peter Müller (Werbe-Spiegel v. 20.04.2011) verantwortlich war. Der Beginn scheint bereits im Jahr 1907 zu liegen. Krautheim war nach einigen Jahren mit Müllers Einsatz für die neu gegründete Stahlformgießerei sehr zufrieden gewesen zu sein, weil man dem gleichzeitigen Inhaber eines hüttentechnischen Büros in Allach im Dezember 1911 bescheinigte, „dass er unsere Gießerei mit mechanischer Werkstätte im Jahre 1907 eingerichtet und bis 30. Juni d. Ja. geleitet hat.“

Krautheim brachte die benötigten Facharbeiter - Kernmacher, Former, Gießer - gleich aus Sachsen mit. Ländliches und damit traditionsbewusstes Gedankengut in Allach sah sich nun technischem industriellen Fortschrittsdenken gegenüber. Volkstümlicher ausgedruckt könnte man auch sagen: Eingefleischten Bayern standen "zuag'roaste Sachsen" gegenüber, die eine völlig andere Lebensauffassung mitgebracht hatten. Das kam auch bei den Gründern der „Freien Turnerschaft Allach“ im Jahr 1909 zum Ausdruck, indem die Einheimischen, die in der Minderzahl waren, angeblich sagten: „Den Verein ham’ mia Deitsche und d’ Sachs’n gründ’t.“ 1922 stellte dann die Gemeinde Allach dem Verein pachtweise ein Grundstück an der „Allacher Alm“ am nördlichen Rande der Waldkolonie zur Verfügung, das bis 1938 die Heimat der Fußballer blieb. Der Verein nannte sich ab 1924 F.C. Allach.

In den Jahren 1907-1909 entstand auch ein erster Kern im Geviert der heutigen Peter-Müller-, Lister-, Spiegelberg- und Descartesstraße (Bild 5), eine Waldkolonie, die z.T. noch im Allacher Forst lag und den sächsischen Arbeitern als Unterkunft diente. Von den damaligen Häusern sind heute die meisten umgebaut, nur wenige lassen noch das ursprüngliche Erscheinungsbild der damaligen Siedlungshäuser erkennen.

N ach einem zögerlichen Anfang der Bauarbeiten im Jahre 1907 gewann der Aufbau 1908 an Schwung, und gegen Ende des Jahres konnte bereits die Produktion aufgenommen werden. 1909 wurden dann erstmalig eine nennenswerte Gußerzeugung und bescheidene Gewinne gemeldet. In den Jahren seiner Geschäftsführung in der Allacher Gießerei leitete Krautheim gleichzeitig seine Gießerei in Altendorf und plante eine neue in Borna. Im März 1920 verkaufte er dann seinen Gesellschaftsanteil an die Lokomotivfabrik Krauss & Comp. AG. Die Stahlgießerei von Krautheim in Allach wurde damit zur Keimzelle der Krauss-Maffei AG. Erst 1931 übernahm die Krauss AG das Werk von Joseph Anton Maffei (Bild 6 von 1933). Erst 1940 wurde der Firmenname in „Krauss-Maffei AG geändert. Es bleibt jedoch festzustellen: Gustav Krautheim führte die industrielle Erzeugung von Stahlformguß in Bayern, in diesem Fall in Allach, ein und baute Allach zum wachsenden Industriestandort aus.

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