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Ein Untermenzinger macht Allacher Porzellan

stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1: Ferenc Nagy mit seinem Porzellanfoxl (Bild: Nagy-Familienarchiv)

Bei diesem Artikel handelt es sich um die Kürzestfassung meines Vortrags gleicher Überschrift vom 15.12.2017 im Pfarrsaal von Maria Trost als Abschluss des Menzinger Jubiläumsjahres. An diesem Tag endete unsere seit zwei Monaten laufende Ausstellung „1200 Jahre UnterMenzing“ im Hans-Sieber-Haus/ ASZ in der Manzostr. 105.

Ferenc Nagy – in Allach und Untermenzing noch heute als Franz Nagi bekannt (Bild 1) – ist in Pécs (Fünfkirchen) am 22.06.1888 geboren. Er gründete 1935 die Porzellan Manufaktur Allach (PMA), wohnte in Untermenzing in der Parkstr. 16 (seit 1947 Rueßstraße) und hatte seine Manufaktur in der damaligen Lindenstr. 8, heute Reinhard-von-Frank-Straße, also quer durch die Angerlohe nur wenige hundert Meter von seinem Wohnhaus entfernt.

Der geborene Ungar und spätere Deutsche (1929) lernte im damaligen Fünfkirchen in der Porzellanfabrik Zsolnay Former, kam 1904 zur Passauer Porzellanfabrik Dressel, Kister & Co., arbeitete von 1906-1921 mit Unterbrechungen durch den Krieg in der Nymphenburger Porzellan Manufaktur und heiratete 1913 noch vor dem 1. Weltkrieg in Neuhausen die geborene Münchnerin Rosa Saurer. Anschließend baute er in jahrelanger Arbeit bei Rosenthal in Selb als verantwortlicher Porzellanfachmann die dortige Kunstabteilung auf. 1927 kaufte er sich von Selb aus von einem Dachauer Eisenbahningenieur sein zukünftiges Gewerbegrundstück in Allach und von einem Österreicher 1932 sein Privathaus in Untermenzing, nachdem er mit Frau und zwei Kindern vorher deutscher Staatsbürger geworden war.

Er wohnte also in Untermenzing (Bild 2) und arbeitete in Allach (Bild 3), später auch in Dachau. 1935 kam er von Selb nach Untermenzing in die Parkstr. 16, gründete 1935 in Allach seine „Keramische Werkstätte Franz Nagy Allach“ in der Lindenstr. 8, die er noch von Selb aus seit 1931 als eigene Unternehmung geplant hatte, die aber unter besonderen Umständen bereits im Januar 1936 in eine GmbH umgewandelt wurde und über zwei sehr einflußreiche SS-Leute (Karl Diebitsch und Bruno Galke) 1939 ganz bei den SS-Wirtschaftsbetrieben Heinrich Himmlers landete. Nur diese beiden, nicht Franz Nagy und seinen damals schon hochgeschätzten Porzellankünstler und Freund aus Nymphenburger und Selber (Rosenthal) Tagen, Theo Kärner, könnte man als die eigentlichen „Strohmänner“ der GmbH bezeichnen. Das Allacher Porzellan wurde in den Jahren zwischen 1936 und 1945 als SS-Porzellan produziert, war ein von Heinrich Himmler mit besonderer Aufmerksamkeit – viele Autoren schreiben voneinander den Begriff „Lieblingskind“ ab – geförderter Kunst- und Wirtschaftsbetrieb und erfreut sich noch heute aus verschiedensten Gründen hoher Preise im Kunsthandel. Man erkennt es an den SS-Runen an der Unterseite aller Produkte. 1939 mußten Nagy und Kärner (nicht Diebitsch und Galke!) notariell auf ihren Anteil verzichten und einem Himmler-Vertrauten überlassen. Ein zugesagter finanzieller Ausgleich für ihre Verluste kam nie zustande. 1937 stellte Nagy den für ihn vorgesehenen Antrag zur Aufnahme in die NSDAP. Nach der reichsweit durchgeführten Parteistatistischen Erhebung von 1939 war er Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, der NS-Volkswohlfahrt, des Reichsluftschutzbundes und des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland, offensichtlich nachträglich eingefügt (von fremder Hand?): Angestellter und SS-Mitglied. Laut Sühnebescheid der Spruchkammer von 1947 (Bild 4) war er kein SS-Mitglied, wie es in einer bekannten Doktorarbeit behauptet wurde. Er wurde auch deshalb von der Spruchkammer in die Gruppe der Mitläufer eingeteilt.

Nun zum Allacher Porzellan, von dem bereits für die Jahre 1938/39 ein umfangreicher Katalog (Bild 5) mit den Werken vieler namhafter Künstler, unter ihnen auch Nagy, zustande kam. Nach der Schließung des Allacher Werkes 1937, das aber auf Betreiben von Nagy 1941 wiedereröffnet wurde, und der Produktionsaufnahme im ehemaligen Pulvergebäude im SS-Bereich des KZs Dachau lief alles über Dachau. Die Allacher Porzellankunst, man nannte sie dann auch in Dachau immer so, stellte Tiere, Figuren, Geschirr, Keramik, Kerzenhalter, Krüge, Vasen, Plaketten und für die politische Führung viele Spezialanfertigungen her. Welche spezielle NS-Kunst (Bild 6) finden wir im Katalog? Hier die Kurzfassung des nebenstehenden Textes aus meinem Vortrag:

Erstes Bild: Führerkopf, zweites Bild: Stahlhelmkopf, drittes Bild: SS-Fahnenträger und SS-Reiter, viertes Bild: Fliegeroffizier und Pilot, fünftes Bild: BDM-Mädchen mit Fahne und Hitlerjunge mit Trommel, sechstes Bild: BDM-Mädchen und Arbeitsmann. Es handelt sich hier nur um wenige Beispiele typischer NS-Kunst namhafter Künstler wie Kärner, Obermeier und Förster. Wenn man zudem die vielen historischen Soldatenfiguren zu Fuß oder auf dem Pferd betrachtet, wird man feststellen, dass diese fast ausschließlich von Kärner und Richard Förster, einem seiner Schüler, entworfen wurden.

Nagy hingegen fertigte Nachbildungen von frühgermanischen Tonvasen, von denen eine in seinem Untermenzinger Garten stand, aber auch Tiere und Gebrauchsgegenstände wie Tisch- und Deckenleuchter, Kerzenständer und Vasen. Nagy war vor allem Betriebsleiter und als solcher in Allach und Dachau für die technischen Abläufe zwischen den kreativen Künstlern und den Formern zuständig und der NS-Führung verantwortlich. Als er nach 1945 zwar die Bestätigung der Handwerkskammer erhielt, seinen von der SS enteigneten Betrieb aber nicht mehr weiterführen durfte, baute er sich an der Allacher Str. 255 in Untermenzing eine neue „Keramische Werkstätte“ auf, die von seinem Schwiegersohn Otto Birk sen. und später seinem Enkel Otto Birk jun. als Kachelofenbau fortgesetzt wurde. Und das sah so aus (Bild 7).

Franz Nagy ist am 14.01.1962 gestorben und im Westfriedhof München im Gräberfeld 162 begraben. Seinen Grabstein ziert eine Madonna mit Kind aus Keramik in einer Art offener Tabernakel. Mit ihm begraben sind seine Frau Rosa und sein Sohn Franz, der bis zu seiner Rente bei der Porzellanmanufaktur Nymphenburg als Porzellanmaler beschäftigt war.

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