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Das Keil- oder Sirenenhaus mit Froschbrunnen und Madonna

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet

Bild 1 (Bild: Dosch Verlag/ Allard)

Der gebürtige Allacher Markus Dosch (Jg. 1931) hat mir in der Sammlung seiner Erzählungen „Hüte das Wilde“ (Bild 1) mit dem „Frosch in der Mauer“ (S. 430) einen wunderbaren Anstoß gegeben, mich endlich mit dem seit Jahren unter Denkmalschutz gestellten Haus Nummer 46, Ecke Georg-Reismüller/Ludwigsfelder-Straße, zu beschäftigen. Man nennt es heute nach dem Bauherrn das Keilhaus oder das Sirenenhaus, weil es im 2. Weltkrieg zur Fliegerwarnung eine Sirene auf dem Dach hatte, nicht aber Diamalthaus, wie es im späteren Zeitungsartikel genannt wird.

„Der Brunnen“, so Dosch, „war doch ganz einfach und unscheinbar. Ein halbrunder Trog mit einem schmalen, steinernen Rand. Dahinter aus der Mauer hervortretend die Skulptur eines Froschkopfs mit einer Krone darauf. Aus dem Maul des Frosches ergoß sich sanft ein Wasserstrahl. So lange er sich erinnern konnte, stand der Brunnen an der Biegung der Straße zum Bahnhof, und er hatte noch niemanden gesehen, der sich auf seinen Rand niedergelassen hätte. Noch nie. Die Leute gingen achtlos an ihm (Bild 2 gestern und 3 heute) vorbei. Die Arbeiter, die zur Diamalt marschierten oder zu Krauss-Maffei, oder die zum Bahnhof stiefelten. Im Gegenteil, sobald sie in die Nähe des Brunnens kamen, wechselten sie auf die andere Straßenseite, und es schien ihm so, als ob sie dem Brunnen ausweichen wollten.“ So beschreibt Dosch seine damalige Sicht als Allacher Schuljunge, der fast täglich an diesem Froschbrunnen auf dem Schulweg zum Allacher Bahnhof vorbeieilt.

Eine Zeitzeugin, deren Elternhaus in der Ludwigsfelder Straße 32 war, eilte 1945 nicht nur auf dem Schulweg am heftig stinkenden Teich des Diamalt-Werks vorbei, sondern durfte nach dem Einmarsch der Amerikaner mit ihrer Schulfreundin unter der Eingangstreppe des Keilhauses spielen und auch bei Bedarf ins Haus gehen. Den Froschbrunnen hatte sie, nach ihrer heutigen Erinnerung nur am Rande wahrgenommen. Das Haus, das sie mehr interessierte, hatte eine amerikanische Kommandantur Wochen für sich in Anspruch genommen und daraus die bisherigen Hausbewohner, u.a. die Familie Essig, verjagt.

Unser Untermenzinger Heimatforscher Andreas Reupold stellte mir nicht nur Bild 2 mit dem ursprünglichen Froschbrunnen zur Verfügung, sondern auch einen Artikel aus dem Nord-West-Anzeiger (U.L.,“Vorbei mit der guten alten Zeit…“) den ich hier wörtlich zitiere: „Gedanken über den Verlust schöngeistiger Werte machte sich ein Allacher Bürger (Reupold, Dem.). Das Ergebnis war ein Vorschlag an den Bezirksausschuss Allach-Untermenzing: Der ‚Froschbrunnen‘ am Diamalthaus in der Georg-Reismüller-Straße, so schrieb er, sei einmal ein Ort der Besinnung gewesen. Gerne denke er an das friedlich sprudelnde Wasser zurück und würde den Passanten heute ein ähnlich erbauendes Erlebnis wünschen. Der BA hat allerdings seine Zweifel, ob ein kleiner Brunnen die stauträchtige Straße wieder in einen romantischen Winkel verzaubern könnte. Und keiner der Stadtteilpolitiker konnte sich überhaupt daran erinnern, in dem Brunnen jeweils etwas anderes als weggeworfenen Abfall gesehen zu haben (deshalb wurde er von den Grundstückseigentümern auch zubetoniert): Fazit: Wer den Brunnen jemals intakt erlebt hat, sollte das schöne Bild in seinem Geist bewahren. Er gehört wohl zu den Relikten mit der Aufschrift ‚Gute alte Zeit‘.“

Die jetzigen Besitzer haben sich, unabhängig von der Ansicht der Bezirksausschuss-Mitglieder, nicht nur zur Renovierung der Madonna (Bild 4) über dem 1. Stock an der Süd-West-Seite des Hauses entschlossen und 2017 durchgeführt, sondern beabsichtigen auch die Renovierung des Froschbrunnens auf eigene Kosten. Eine finanzielle fest zugesagte Unterstützung des Denkmalschutzamtes steht noch aus und verzögert bisher die Ausführung. Warten wir diesen Schritt mit großem Interesse ab.

Das noch heute sehenswerte Haus wird in der Liste der Allacher Baudenkmäler als dreigeschossiger historisierender Walmdachbau mit nach Westen hin halbgewalmten Giebelvorbau beschrieben. Er weist an der Südwestecke zwischen 1. und 2. Stock zudem eine farbige, seit zwei Jahren restaurierte Madonna, die noch ihrer Einweihung harrt, auf und an der Straßenecke den erwähnten Froschbrunnen.

Das Haus wurde vermutlich um 1903 von Korbinian Beer gebaut, die Madonna und der Froschbrunnen stammen von Beers Frau Anna, die auch an anderen von ihrem Mann erstellten Häusern künstlerisch beteiligt war (Bild 5). Im Bild sehen wir unten in der Mitte den Froschbrunnen und rechts oben die Madonna, die man am besten in der blattlosen Zeit sehen kann. Das Haus hatte vormals die Allacher Haus-Nr. 95 und wurde für Josef und Anna Keil gebaut, geführt als Monteurs-Eheleute aus Allach. Die später benachbarte Diamalt AG kaufte das Haus 1916. Dort wohnte unter anderen auch die mir bekannte Familie Essig von 1940 bis 1957 mit einer kleinen Unterbrechung wegen der Inanspruchnahme durch die amerikanische Besatzungsmacht. Ab 1946 brachte man in diesem Haus zudem mehrere Flüchtlinge unter. Herr Essig arbeitete als Leiter der Mälzerei bei der Diamalt AG und kaufte 1957 für seine Familie ein Haus in der Auenbruggerstraße. Das Keilhaus ging vermutlich erst nach der Liquidierung der Diamalt AG an einen anderen Besitzer über.

Die Restaurierung der Madonna führte der bekannte Augsburger Steinmetz und Diplom-Restaurator Gerhard A. Roth durch, der an Ort und Stelle auch den Froschbrunnen hoffentlich bald in seinen ursprünglichen Zustand versetzen wird. Die Eigentümer-Gemeinschaft wartet nur noch auf die endgültige Mitteilung der finanziellen Beteiligung der Unteren Denkmalschutzbehörde. Leider wird sich aus dem Maul des Frosches aus finanziellen und technischen Gründen kein sanfter Wasserstrahl mehr ergießen.

 

 

 

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