"Man kann sich nicht darauf vorbereiten"
Die Abiturientin Sophie Greiner hat Kinder in Togo betreut und unterrichtet
Wenn ich groß bin, will ich mal nach Afrika und den armen Kindern helfen – mit dieser Idee im Kopf wuchs Sophie Greiner auf. Sie hat sie in die Tat umgesetzt und sagt nach ihrer Rückkehr aus Togo: "Natürlich hatte ich naive Vorstellungen. Die Leute brauchen zwar Hilfe, aber ganz anders, als man denkt. Man muss darauf vorbereitet sein, dass man sich nicht vorbereiten kann."
Voriges Jahr machte sie am Dante-Gymnasium in Sendling ihr Abitur, genauer gesagt das "AbiBac", also gleichzeitig auch das französische Abitur (Baccalauréat). Dank des achtjährigen Gymnasiums war sie erst 17 und wollte nicht gleich mit einem Studium beginnen, sondern erst einmal ihren Kindheitstraum verwirklichen. In Togo ist Französisch die Amtssprache, und Sophie Greiner meldete sich bei einem Freiwilligenprojekt, um an einer Schule als Praktikantin Französisch, Geschichte und Erdkunde zu unterrichten. Nachmittags betreute sie noch Kinder in einem Waisenhaus – und die sind ihr richtig ans Herz gewachsen.
"Ich war vorher nie kinderbegeistert und hätte nie gedacht, dass ich Kinder einmal vermissen würde", bilanziert Sophie Greiner. Aber die elf Waisenkinder zwischen fünf und 15 Jahren, um die sie sich gekümmert hat, waren unwiderstehlich herzlich. Sie hat Ausflüge mit ihnen unternommen und ihnen einfach Aufmerksamkeit geschenkt – was auf unverblümte Gegenliebe stieß.
Vorschriften – keiner hält sich dran
Bis sie an der Schule ihre Rolle gefunden hat, das hat vier Wochen gedauert. Die Lehrer waren es noch nicht gewöhnt, in dieser Form Unterstützung zu bekommen. Überhaupt war vieles anders als in Deutschland: "Der Lehrer kommt, wann er Lust hat. Es gibt zwar Vorschriften, aber keiner hält sich dran." Und sie wusste zwar schon vorher, dass die Kinder in der Schule geschlagen werden, war dann aber geschockt, es zu erleben. Und als sie nach einigen Wochen etwas abgehärtet war, war sie über sich selbst geschockt, dass es sie nicht mehr so sehr schockte. "Die Kinder haben den Sinn der Strafe gar nicht verstanden. Wenn man, wie bei uns, Strafarbeiten machen muss, lernt man ja den Stoff. Die Schläge aber sind im nächsten Augenblick vergessen. Ich habe versucht, das den Lehrern klar zu machen, aber sie haben es nicht verstanden."
Der Unterricht bestehe hauptsächlich darin, dass der Lehrer etwas von einem Blatt vorliest und die Schüler mitschreiben. Sie habe dann versucht, den Unterricht möglichst anschaulich zu gestalten, Dinge zu verbinden und die Schüler zu ermutigen, auch Fragen zu stellen. Das haben sie sich bei ihrem Lehrer nicht getraut. "Vor so vielen Kindern zu stehen, hat mir unglaublich viel Selbstbewusstsein gegeben", erzählt die Abiturientin, die aber keinerlei Interesse an einer Laufbahn als Lehrerin hat.
Freundlich und fröhlich
Beeindruckt hat Sophie Greiner die Freundlichkeit, Offenheit und Fröhlichkeit der Menschen in Togo. In den Freistunden hat Sophie Greiner mit den Kindern der 6. und der 7. Klasse getanzt und gesungen. Immer und überall, erzählt die Abiturientin, werde in Togo getanzt und gesungen. Fremde Menschen in einem Taxi unterhalten sich miteinander, während hier in der U-Bahn jeder auf sein Smartphone starrt.
Sophie Greiners nächste Station ist Irland: In Dublin wird sie sich ab April als Au-Pair-Mädchen um die Kinder ihrer Gastfamilie kümmern und halbtags einen Sprachkurs besuchen. Fit in Fremdsprachen will sie dann im Herbst mit einem Jura-Studium beginnen. Das sieht sie als gute Basis für ein Berufsleben, in dem sie etwas Verantwortung für die Welt übernehmen will, denn: "Es gibt Einiges zu ändern."
Damit meint sie zum Beispiel die Rechte der Frauen, um die es auch in Togo, wie in vielen anderen Teilen der Welt, nicht gut bestellt ist. Nach Togo möchte sie unbedingt nochmal reisen und den armen Kindern helfen, genau wie man es sich vorstellt: Sie will alles, was sie noch an Kinderkleidung hat, zusammenpacken und "ihren" Kindern im Waisenhaus mitbringen.
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