Mängelliste eingereicht
Schüler entdecken Barrieren beim Stadtteilcheck
„Wir sind die Klasse 3 b der Limesschule. Wir haben ausprobiert: Rollstuhl zu fahren, mit dem Blindenstock zu gehen und mit der Simulationsbrille zu laufen. Wir haben ausprobiert in Aubing zurecht zu kommen. Wir haben unsere Ergebnisse aufgeschrieben. Wir würden uns freuen, wenn Sie einige Stellen umbauen würden, vielleicht womöglich alle“, hieß es in einem Brief der Klasse 3b an den Bezirksausschuss 22. An die „lieben Politiker“ hatten auch andere Klassen geschrieben. Die Mängellisten, die die Schüler dem Bezirksausschuss präsentierten, umfassten mehrere Seiten. Sie waren das Ergebnis eines Stadtteilchecks, das der Kreisjugendring unter dem Motto „auf Herz und Rampen prüfen“ seit fünf Jahren in München durchführt. Eine ganze Reihe von Münchner Stadtvierteln wurde bereits von Kindern getestet. In diesem Jahr untersuchten die 3 b der Wiesentfelser Grundschule, die 6 a der Mittelschule an der Reichenaustraße, die 3 b der Limesschule und die 5 g der Wiesentfelser Mittelschule ihr Stadtviertel. Sie fanden, dass die Ampel vor der Schule nicht behindertengerecht ist, dass der Busfahrplan zu klein geschrieben war, Geschäfte können wegen der Stufen nicht von Rollstuhlfahrern betreten werden, die Löcher am Glascontainer sind zu hoch und Schilder am Gehweg stellen für blinde Menschen ein Hindernis dar.
Für ihre Mission waren die Schüler zuvor geschult worden. In der Klasse wurde das Thema „Behinderung“ bearbeitet, dabei waren ein Rollstuhlfahrer und eine sehbehinderte Person, die Fragen zu ihrem Alltag beantworteten, aber auch Hilfsmittel wie Rollstuhl oder Blindenlangstock erläuterten. So wurden die Kinder für die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap sensibilisiert. Für den eigentlichen Stadtteilcheck konnten sich die Schüler in die Rolle der behinderten Menschen hineinversetzen. Sie versuchten im Rollstuhl über einen Bordstein zu fahren oder mit Augenbinde „blind“ über die Straße zu gehen. Anschließend machten sie sich in Gruppen auf, um die vorher festgelegten Routen in ihrem Wohnviertel nach negativen und positiven Beispielen abzusuchen.
Schlechte Noten für Barrieren
Beim Test auf Barrierefreiheit ist den Schülern einiges aufgefallen. Zum Beispiel sollte der Schaukasten des Bezirksausschusses hinter der Bushaltestelle Kunreuthstraße nach hinten versetzt werden, hieß es in einem Bewertungsbogen. „Blinde könnten sich daran stoßen“. Bei den Bordsteinen bemängelten die Schüler nicht nur hohe Stufen, sondern auch eine komplette Absenkung. Blinde bräuchten einen fühlbaren Unterschied, um zu erkennen, wo die Straße endet und der Gehweg anfängt, wussten die Kinder. Schlechte Noten gab es für Geschäfte und Einrichtungen, die nur über Stufen zu erreichen sind. Darunter auch die Kirchen. „St. Markus und St. Konrad sind für Rollstuhlfahrer nicht barrierefrei. Die Türe lässt sich sehr schwer öffnen“, haben die Schüler festgestellt. Ein „automatischer Türöffner“ könnte Abhilfe schaffen. Die Schüler haben aber auch Positivbeispiele gefunden. Zwar sei die S-Bahnunterführung nicht barrierefrei, dafür aber die S-Bahn selbst schon. Auch „Busfahren mit dem Rollstuhl geht“ und es gibt einige Läden, denen die Schüler das Attribut „behindertengerecht“ verliehen hatten.
Jetzt sind die Politiker gefordert. „Wir hoffen, dass wir beim nächsten Stadtteilcheck diese Probleme nicht mehr vorfinden werden“, schrieben die Schüler der Mittelschule an der Reichenaustraße. Der Stadtteilcheck soll nämlich keine einmalige Angelegenheit gewesen sein.
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