Licht aus - Sinne an!
"Essen im Dunkeln" im Rahmen der Inklusionswochen
Drei Wochen lang stellten die Würmtalgemeinden das Thema „Inklusion“ in den Mittelpunkt des Gemeindealltags. Dazu gab es mehr als 60 Veranstaltungen von insgesamt 60 Vereinen und Organisationen. Gemeinsames Klettern, Wandern und Kajakfahren, gemeinsam Kultur erleben und gut Essen – die Bandbreite war groß. „Für Inklusion braucht man einen langen Atem und viel Idealismus“, meinten die Schirmherren und Landräte Christoph Göbel und Karl Roth im Vorfeld, "helfen Sie mit, dass Inklusion kein Lippenbekenntnis bleibt."
Es geht schließlich vor allem darum, die Barrieren im Kopf abzubauen. Warum nicht einmal die Perspektive wechseln, um zu spüren, mit welchen Schwierigkeiten sich der Andere im Alltag abmühen muss? Der VdK organisierte dafür Rollstuhlparcours. Der Planegger Gemeinderat Fritz Haugg hatte seine „liebe Mühe, über die Bordsteine zu kommen“. Doch was für die Mobilitätseingeschränkten Hürde und Hindernis ist, brauchen die Sehbehinderten und Blinden als Orientierung. Jede kleine Stufe im Straßenverkehr zeigt ihnen die Grenzen zwischen Fußweg und Fahrbahn an. Für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollatoren sind die Stufen dagegen ein Kraftakt.
Perspektivwechsel
Melanie Egerer ist seit Geburt blind und arbeitet nach Abschluss ihres Germanistik- und Französischstudiums in der Pressestelle des Bayerischen Blindenverbands. „Wir beraten viele Gemeinden und merken jedes Mal, wie schwer es ist, allen Behinderungen gerecht zu werden“, sagte sie. Für die Veranstaltung „Licht aus – Sinne an!“ im Gautinger Breitwand Kino half sie gern als Bedienung gemeinsam mit den Sehbehinderten Markus Windbichler und Christian Schöpplein.
Die Behindertenbeauftragte der Gemeinde Gauting, Martina Ottmar, initiierte und organisierte das besondere Dinner. „Ich bin mit Christian Schöpplein in Gauting unterwegs gewesen, um die Hindernisse in unserem Gemeindealltag zu begreifen. Dabei ist uns die Idee zu unserem „Essen im Dunkeln“ gekommen. Ich freue mich, dass wir mit den dreien und ebenso mit dem Breitwand-Kino und dem Restaurant Abacus so hilfreiche Unterstützer hatten.“ Nicht ganz einfach sollte das Menü sein und die Abendgäste und ihre Geschmackssinne herausfordern, Suppe war vom Menüplan gestrichen. „Viel zu schwer zu servieren“, meinte dazu Egerer.
„Tolle Erfahrung!“
Am Ende ließen sich knapp 40 Gäste im besonderen Ambiente bewirten. Die drei ehrenamtlichen Kellner übernahmen die Führung der Gäste zu ihren Plätzen, die Bedienung mit dem Drei-Gänge-Menü und die Betreuung. „Manchmal bekommen Gäste Panik im Dunkeln“, so Egerer. „Diesmal verlief alles problemlos, mal abgesehen von den umgestürzten Gläsern und Flaschen und dem Suchen nach Dingen im Dunkeln“, meinte sie lachend.
Die Gäste errieten die Speisen (Salat, Grünkernbratlinge, Herzoginnenkartoffeln, gefüllte Tomaten, Spargel und Mango-Tiramisu) gemeinsam. Völlig daneben lagen sie aber beim abschließenden Schätzen, wie viel Zeit vergangen war. „Das ist normal“, so Ottmar. „Im Dunkeln verliert man das Zeitgefühl. Und wir haben für alles sehr viel länger gebraucht. Auch das ist so, wenn man als Sehbehinderte unterwegs ist – es dauert einfach.“ Die Gäste schätzten den besonderen Abend. „Tolle Erfahrung“, meinten sie. „Viel gelernt!“ „Wir haben jetzt eine Ahnung, wie es ist, nichts zu sehen.“
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