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Keiner darf mehr rein

Neue Halle nicht benutzbar: Klappen können von der Decke fallen

Die Neurieder Mehrzweckhalle bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Bürgermeister Harald Zipfel stellt sich auf einen Rechtsstreit ein. (Bild: tab)

Wut, Enttäuschung, Fassungslosigkeit - das ist im Moment die Stimmungslage in Neuried. Der Grund dafür: Die Mehrzweckhalle musste in den Faschingsferien geschlossen werden. Es gibt erhebliche Mängel an dem Gebäude. Wann die Halle wieder geöffnet werden kann, steht nicht fest.

"Der Hersteller macht nichts"

"Wir haben eine teure Halle hingestellt und jetzt das." Bürgermeister Harald Zipfel sitzt in seinem Büro im Rathaus und ist wütend – und enttäuscht. Sicher, das eine oder andere nachzubessern gebe es bei einem Gebäude wie diesem schon mal. "Aber Ende des vergangenen Jahres haben wir bemerkt, dass sich die Vertäfelung an einer Tür wölbt. Das konnte nun entweder daran liegen, dass die benutzten Schrauben zu kurz waren oder dass das Material noch feucht war", sagt Zipfel. Der Hersteller habe sich jedenfalls geweigert, den Schaden zu beheben.

Ende Januar dann die nächste Bescherung. "Plötzlich war eine der Revisionsklappen an der Zwischendecke halb offen", sagt Zipfel. Man habe den Hersteller sofort wieder auf die Mängel hingewiesen. "Aber er hat sich wieder geweigert, etwas zu machen. Er meinte, da wird uns wohl ein Ball dagegengeknallt sein", so der Rathauschef weiter. "Selbst wenn das so gewesen wäre, dürfte so etwas nicht passieren. Es ist aber kein Ball dagegengeflogen."

Zwei Tage lang wurde die Halle daraufhin geschlossen, ein Statiker besah sich das Malheur. Nachdem auch er Mängel festgestellt hatte, wurde ein Gutachter einbestellt. "Der beste in der ganzen Region München", wie Harald Zipfel sagt. Der Gutachter äußerte massive Bedenken und die Befürchtung, die Revisionsklappen könnten herunterfallen. Die Halle wurde daraufhin geschlossen. Wiedereröffnung derzeit ungewiss.

Ausverkaufte Vorstellung musste abgesagt werden

Besonders bitter ist das für den Verein Kunst und Kultur in Neuried. Am vergangenen Freitag sollte eine Veranstaltung mit Gerhard Polt stattfinden. "Der Abend war mit gut 500 Karten komplett ausverkauft", so Carmen Hohmann von Kunst und Kultur. "Am Dienstag stand dann definitiv fest, dass wir nicht in die Halle können." Einen Ersatz zu finden, sei nicht möglich gewesen. "Selbst wenn man einen Saal für 250 Personen findet, wie soll man denn entscheiden, wer mitdarf?" Die Karten konnten inzwischen zurückgegeben werden. "Jemanden wie Gerhard Polt zu bekommen, ist nicht so leicht", so Carmen Hohmann weiter. Da sei der Verein gut eineinhalb Jahre vorher schon beschäftigt gewesen. "Herr Polt hat in diesem Jahr nur sechs Spieltermine und wir hatten einen davon. Aber Sicherheit geht natürlich vor." Auch Hans Hobelsberger bedauert die Entwicklung. "Die Absage tut uns vor allem für die zahllosen Polt-Fans leid, die sich auf einen außergewöhnlichen Abend in der Neurieder Mehrzweckhalle gefreut hatten", betont der Vorsitzende des Vereins Kunst und Kultur in Neuried. Die anderen Veranstaltungen seien nicht betroffen. Die Neurieder Zauber-Gala "Frederic Schwedler & friends" werde voraussichtlich im Pfarrsaal St. Nikolaus stattfinden, "Songs for Madagascar" in der Aula der Grundschule Neuried.

Vhs sagt Kurse ab, Unterricht entfällt

Doch nicht nur für den Neurieder Kulturverein ist die Sache mehr als ärgerlich. Auch die Grundschüler sind betroffen. Sie haben die Halle für den Schulsport genutzt. "Im Moment entfällt der Sportunterricht", sagt Harald Zipfel. Er hofft nun, dass der TSV Neuried aushelfen kann. "Ich weiß aber nicht, wie dort die Halle belegt ist." Drei Kurse musste die Volkshochschule absagen. "Betroffen sind nur die Bewegungsangebote, die in der Halle stattfinden sollten", sagt Veronika Wagner von der Vhs. Die Sprachkurse in den anderen Räumen könnten wie geplant starten.

Tricks beim Ausschreibeverfahren

Harald Zipfel kritisiert indes vor allem eines: Das Ausschreibungsverfahren hierzulande, das in der so genannten Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen geregelt und dem die öffentliche Hand verpflichtet ist.

"Wir müssen das wirtschaftlich günstigste Angebot annehmen. Im Laufe des Baus kommen dann die Nachtragssachen", kritisiert Zipfel. "Der Anbieter geht also anfangs ganz weit runter mit dem Preis und holt sich das Geld später wieder über die nachträglich anfallenden Arbeiten." Die Baufirmen haben eine ganze Rechtsabteilung hinter sich, so Zipfel. "Wir in der Gemeinde können gar nicht so rechtssicher sein." Bauamtsleiterin Dagmar Hasler ergänzt: "Das wirtschaftlich günstigste Angebot ist in der Regel auch das billigste."

Für Zipfel steht fest: "Da scheint etwas am System nicht zu stimmen." Er wünscht sich ein Vergabeverfahren nach Schweizer Modell, wo die Mittelwertbildung greift. Will heißen: "Der günstigste Anbieter wird nicht genommen, weil der es nicht kann, der teuerste wird ebenfalls abgelehnt, weil der es nicht will. Man lädt also die zwei, drei Anbieter zum Gespräch ein, die sich um den Mittelwert herum befinden", erläutert Zipfel das System. Er will sich nun an den Bayerischen Städte- oder Gemeindetag wenden, um zu klären, ob das Verfahren geändert werden kann. Mitstreiter habe er sicher genug, da ist sich der Bürgermeister sicher. "Andere Gemeinden machen ähnliche Erfahrungen. Da hat man wirklich schon Angst vor dem nächsten Bau."

Langer Rechtsstreit droht

Inzwischen kommunizieren die zerstrittenen Parteien nur noch über ihre Rechtsanwälte. Zipfels vorrangiges Ziel ist es, die Halle möglichst bald wieder zu öffnen. Ob es dabei reicht, die Revisionsklappen herauszunehmen oder ob die Zwischendecke entfernt werden muss, gilt es nun zu klären. Möglicherweise, so Zipfel, könne in den Sommerferien eine neue Zwischendecke eingezogen werden. Darüber hinaus gehe es um die Beweisdokumentation. Zipfel stellt sich auf einen Rechtsstreit ein. "Das kann dauern", sagt er und weiter: "Ich bin nicht relaxt, aber man muss das jetzt Schritt für Schritt angehen."

Erst vor acht Monaten eingeweiht

Nicht einmal ein Jahr währte die Freude an der neuen Mehrzweckhalle. Im Juli vergangenen Jahres hatten die Neurieder in einem Festakt das Gebäude eingeweiht. Fünf Jahre hatte die Gemeinde auf die Halle warten müssen. Die alte Halle war im Jahr 2010 wegen Einsturzgefahr geschlossen und zwei Jahre später abgerissen worden. Was folgte, waren Planungen und endlich der Bau des neuen Hauses. Doch der Weg war steinig. Zwei Firmen mussten während der Bauphase Insolvenz anmelden. "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen", hatte Harald Zipfel bei der Eröffnung Johann Wolfgang von Goethe zitiert. Jetzt sind aus den Steinen Felsen geworden.


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