"Ich bin stolz auf meine Schüler"
In der Lochhamer Schule hat die Ü-Klasse als gemeinschaftliche Meisterleistung Erfolg
Seit dem Schuljahr 2007/2008 gibt es an bayerischen Schulen die Übergangsklassen (Ü-Klassen), um allen Kindern und Jugendlichen aus anderen Ländern die Integration ins bayerische Schulsystem zu ermöglichen. In maximal zwei Jahren werden sie fit für Mittel-, Realschule oder Gymnasium gemacht. „In allererster Linie geht es im Unterricht um Wortschatztraining, egal welches Fach wir gerade haben“, erklärt Nicole Mürkens die Lernziele.
Mürkens hat im September die Ü-Klasse in der Lochhamer Volksschule als Klasslehrerin übernommen. Eine echte Herausforderung, wie sie findet, aber auch „wahnsinnig erfüllend. Derzeit sind 17 Kinder im Alter von zehn bis 15 aus acht Ländern in der Klasse, aber das kann sich eigentlich jeden Tag ändern.“ Die meisten Eltern kommen wegen der Arbeit nach Deutschland. Doch einige Eltern warten auf die Bewilligung ihres Asylantrags. „So vielfältig der familiäre Hintergrund und die Traditionen, in denen die Kinder aufgewachsen sind, so unterschiedlich sind auch die Lernniveaus“, meint Mürkens.
Einzigartiger Wissensdurst
Manche hätten schon zu Hause Deutschunterricht gehabt. „Und manche waren in ihrem ganzen Leben noch nie in der Schule und beherrschen nicht einmal die Schriftzeichen ihrer Muttersprache. Da hilft uns auch kein Wörterbuch für die Verständigung.“ Doch mit beispielloser Motivation und der Hilfe der ganzen Klasse komme jedes Kind in der deutschen Sprache an. Der Lerneifer und der Wissensdurst ihrer Schüler seien einzigartig. „Und ich bin immer wieder total begeistert, wie sich die Kinder gegenseitig helfen. Jeder kann sich einfach noch gut dran erinnern, wie es war, zum ersten Mal hier in der Tür zu stehen und vollkommen fremd zu sein.“
Kein Wunder, dass kaum ein Kind die bewilligten zwei Jahre Übergangsunterricht in Anspruch nimmt. „Viele finden schon lange davor Anschluss an das Lernniveau ihrer Altersklasse, rücken in die Mittelschule vor oder wechseln in die Realschule oder sogar ins Gymnasium.“ Gelernt wird nach dem Lehrplan für „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ).
Vereine an der Seite der Schule
Neben Deutsch und Mathe haben die Kinder aber auch Fachunterricht, gehen zum Computerschreiben oder kochen in der Schulküche. Zur Auflockerung im Unterricht nutzt Mürkens darüber hinaus viele Gesellschaftsspiele, wie Würfeln, Puzzles oder Memory. Doch ohne die Hilfe von ehrenamtlichen Unterstützern würde sie ihre Schüler kaum so differenziert fördern können. „Uns steht der Helferkreis Asyl im Würmtal zur Seite, der für die Eltern kostenlose Sprachkurse organisieret, für die Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung steht oder nachmittags einfach nur Spielstunden anbietet. Das hilft ungemein. Auch der Förderverein der Schule hilft, wo es geht.“
"Mehr staatliche Hilfe wäre hilfreich"
Auch Rektorin Monika Weikert lobt das erfolgreiche Miteinander von Klasse, Schule und außerschulischen Helfern. „Unsere Ü-Klasse ist eine gemeinschaftliche Meisterleistung, das kann man nicht oft genug betonen“, meint sie. Zum einen sei es toll, dass viele Schüler die Ü-Klasse schnell wieder verlassen und fit für das bayrischen Schulsystem seien. „Doch mit jedem Neuzugang und jedem Weggang ändert sich auch die Gruppendynamik und das Lerngefüge der Klasse. Das muss beinahe täglich neu austariert werden, damit weiterhin alle Schüler profitieren können und sich wohlfühlen. Mehr Lehrerstunden oder mehr Förderung seitens des Staates wären hier wirklich hilfreich.“
"Das ist der schönste Lohn"
Alle Förderstunden, die der Schule bewilligt worden sind, seien der Ü-Klasse zur Verfügung gestellt, so Weikert. „Das hilft schon“, meint Mürkens. „So können wir die Kinder nach Leistungsgruppen aufteilen.“ Die Kinder selbst schätzen die Atmosphäre in der Ü-Klasse. „Es ist toll“, so eine 15-jährige Kroatin, die gemeinsam mit ihrer zehnjährigen Schwester in die Ü-Klasse gekommen ist. „Vorher konnte ich nur Englisch und jetzt spreche ich ganz gut Deutsch.“ „Das schwierigste sind die Artikel und die Grammatik“, meint ein junger Kurde. „Ich bin stolz darauf, wie meine Schüler die Sprache meistern“, freut sich Mürkens. „Das ist der schönste Lohn für mich.“
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