"Gelebte Erinnerungskultur"
"Gedenken im Würmtal e.V." feiert 20. Jubiläum
Viele Bürger beteiligten sich am 19. Gedenkzug im 20. Jahr des Bestehens des Vereins Gegen das Vergessen im Würmtal „Wir haben durch den Gedenkmarsch die Möglichkeit für ein lebendiges Erinnern. Die Schrecken der letzten Kriegstage werden ein Stück weit nachvollziehbar, vor allem wenn man selber mitläuft und dabei mit den Überlebenden ins Gespräch kommt.“ (Foto: us)
Sicherlich fast jeder im Würmtal kennt den eindrucksvollen Zug, der sich alljährlich am letzten Aprilsamstag durch die Würmtal-Gemeinden bewegt und an jedem der Mahnmale zum Gedenken an die Opfer des Todesmarsches aus dem KZ Dachau Halt macht. Die Inschrift auf den Bildhauereien gemahnt in schlichten Worten an den Leidensweg, der „in den letzten Kriegstagen im April 1945 die Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau vorbei ins Ungewisse“ führte. Bis Waakirchen wurden die Häftlinge damals getrieben, wo sie erschöpft und zumeist todkrank von Amerikanern befreit und in Krankenhäuser gebracht wurden.
Das erste der von Prof. Hubertus von Pilgrim geschaffenen Ehrenmale wurde 1992 im israelischen Yad Vashem eingeweiht. Der Gräfelfinger Friedrich Schreiber, damaliger ARD-Korrespondent in Israel, berichtete tiefbewegt von dem Ereignis und nahm seine Erfahrungen zum Anlass, nach seiner Rückkehr aus Israel den Verein „Gedenken im Würmtal e.V.“ zu gründen, damit die Erinnerungskultur im Würmtal zu pflegen und mit dem jährlichen Gedenkzug den Dialog mit den Überlebenden, ihren Familien innerhalb der Gemeinden zu intensivieren.
„Ihr seid nicht vergessen!“
Zum 20-jährigen Bestehen des Vereins lud Schreiber sämtliche Bürgermeister aus allen Gemeinden, durch die der damalige Todesmarsch zog, ins Gräfelfinger Bürgerhaus ein. Außerdem kamen viele Überlebende und ihre Familien, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München Charlotte Knobloch, der Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Beth Schalom Jan Mühlstein sowie der Erzabt von St. Ottilien, Wolfgang Öxler, der sich damals in der Krankenhilfe um die befreiten Häftlinge kümmerte. Auch Vertreter der Parteien, Kirchen und sämtlicher Würmtal-Gymnasien kamen zur Festveranstaltung.
„Ich hätte niemals gedacht, dass unsere Idee von damals so hohe Wellen schlagen würde“, begrüßte Schreiber die Festgesellschaft zum Jubiläumsfest. „Es ist berührend, wie viele Unterstützer wir gefunden haben.“ Viele Überlebende hätten sich Jahr für Jahr aufgemacht, um am Gedenkzug teilzunehmen. Doch nun seien schon viele Gefährten gestorben, „das ist leider der Lauf der Dinge. Um so schöner ist es, wie eng wir zusammenstehen, um zum Ausdruck zu bringen: Ihr seid nicht vergessen!“ Mittlerweile könne bereits die dritte Generation als Gäste aus Israel begrüßt werden.
Staffelstab in Bewegung halten
Und auch im Würmtal stehe der Verein mit großer Beteiligung der jungen Generation da. „Das freut und bewegt mich!“, so Schreiber. Es komme stets darauf an, die Jugend einzubeziehen. „Ihr tragt den Stab der Erinnerungen in die Zukunft“, so Schreiber. Die Jugend sei der Garant dafür, dass das Erzählen und Nicht-Vergessen weiterlebt, auch wenn keine Gespräche mit Überlebenden mehr möglich sind, betonte Jan Mühlstein.
Ehrengast Charlotte Knobloch freute sich über die Anwesenheit vieler Jugendlicher beim Fest. Die Jugend sei die Generation der Erkenntnis, denn sie setze sich mit der Vergangenheit auseinander. Auch Landrat Christoph Göbel dankte der Jugend. Denn ursprünglich sei es eine Initiative des Otto-von-Taube-Gymnasiums gewesen, einen Fackelzug zum Gedenken an die Nazi-Opfer durchzuführen, so Göbel. Das Motto des Vereins gegen das Vergessen, den „Stab der Erinnerungen“ weiterzugeben, sei also von Anfang an fest im Handeln und Wirken des Vereins verwurzelt.
„20 Jahre ist erst der Anfang“
„Durch euch bleibt die Erinnerung lebendig“, wandte sich Göbel an die Jugend, „damit wir alle daraus für die Zukunft lernen.“ Wo immer Erinnerungen hochkämen, wüchsen Berührungsängste. „Das war auch in den Anfangsjahren des Würmtaler Gedenkzugs so.“ Durch die sehr engagierte und unermüdliche Arbeit Friedrich Schreibers und des gesamten Vereins sei die Geschichte lebendig gemacht worden. „Der Schrecken ist für uns ein Stück begreiflicher. Das ist Ihr großer Verdienst! Ich wünsche der Bewegung, dass die ersten 20 Jahre erst der Anfang der Vereinsarbeit ist.“
Wäre Friedrich Schreiber nicht längst Träger der Gräfelfinger Bürgermedaille, „ich würde sie dir spontan verleihen“, so Bürgermeisterin Uta Wüst. Als Hausherrin des Bürgerhauses fühle sie sich geehrt, dass das Bürgerhaus der Rahmen für die Festveranstaltung sein dürfe. „Ich habe mich oft gefragt, warum der Gedenkzug erst seit 20 Jahren stattfindet.“ Nun freue sie sich, dass der Tag des Gedenkzugs ein wichtiges Ereignis im Würmtal ist.
„Danke für die erklärende und erlebbare Geschichte!“
„Wir haben durch den Gedenkmarsch die Möglichkeit für ein lebendiges Erinnern. Die Schrecken der letzten Kriegstage werden damit ein Stück weit nachvollziehbar, vor allem wenn man selber mitläuft und dabei mit den Überlebenden ins Gespräch kommt.“ Sie lobte Schreiber für sein bürgerschaftliches Engagement um „eine gelebte Erinnerungskultur. „Danke an Friedrich Schreiber für die erklärende und erlebbare Geschichte!“
Zum Gedenkmarsch am darauffolgenden Samstag konnte der Verein wieder rund 100 Bürger begrüßen, die die Wegstrecke ab Lochham bis zum Ende am Gautinger Rathaus mitliefen. An sämtlichen Mahnmalen stoppte der Zug für Gebete, Reden, Gespräche und Musik. Daran nahmen viele weitere Bürger teil, die den Zug wiederum ein kleines Stück begleiteten. „Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung“, meinte der Planegger Bürgermeister Heinrich Hofmann am Mahnmal an der Pasinger Straße. „Ich bin sehr froh darüber, dass der Stab der Erinnerungen mit unserem Gedenkzug in Bewegung gehalten wird“, dankte er in Hinblick auf die Schüler, die das Programm am Planegger Mahnmal gestalteten. „Danke an den Verein, danke an die Musik und danke, dass Sie, liebe Bürger, mit Ihrer Anwesenheit der Opfer gedenken und damit ein Zeichen für Versöhnung und Frieden setzen.“
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