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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Echte Solidargemeinschaft
"Würmthaler Arbeiter- und Unterstützungsverein": Auflösung kurz vor dem 120-jährigen Jubiläum
Gemeindearchivarin Regine Hilpert-Greger, Beatrice Reindl, Jakob Ott, Bürgermeisterin Brigitte Kössinger und Alt-Bürgermeister und Vereinsliquidator Ekkehard Knobloch (von links) bei der Übergabe der Fahne sowie aller Vereinsunterlagen an die Gemeinde Gauting. Das Vereinsvermögen in Höhe von 1.800 Euro ging an die Gautinger Sozialstiftung. (Foto: us)
Fast 120 Jahre lang bestand der Gautinger "Würmthaler Arbeiter- und Unterstützungsverein". Nun, kurz vor dem Jubiläum beschloss der inzwischen auf elf Mitglieder geschrumpfte Verein seine Auflösung. Das Vermögen von knapp 1.800 Euro ging an die Gautinger Sozialstiftung. Das restliche Vereinseigentum mit Fahne, Mitgliederlisten, Protokollen und anderen Unterlagen übergab Vereinsliquidator und Alt-Bürgermeister Ekkehard Knobloch gemeinsam mit dem Schatzmeister Jakob Ott und der Witwe des letzten Schriftführers Gerhard Reindl, Beatrice Reindl, der Gemeinde.
„Es war meinem Mann ein besonders Anliegen, die 120 Jahre noch zu vollenden, bevor sich der Verein auflöst. Aber leider hat die letzte Mitgliederversammlung anders entschieden“, bedauerte Beatrice Reindl. „Wir hatten einfach keinen anderen Zweck mehr als Selbstverwaltung“, meinte der 81-jährige Ott. „Wir sind alle in die Jahre gekommen und der Verein hat seine wichtigsten Aufgaben einfach nicht mehr wahrnehmen können und brauchen. Das hat sich überlebt.“
1898 als Männerverein gegründet
Gegründet wurde der Arbeiterverein 1898 als reiner Männerverein. Getreu dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ zahlten Handwerker, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam in die Vereinskasse ein. Bei Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Todesfällen wurden die festgelegten Beiträge ausgezahlt und die Familien damit unterstützt.
Der Anfangsmitgliedsbeitrag betrug übrigens 40 Pfennige, am Schluss zahlten die Mitglieder 15 Euro jährlich ein. Lange Zeit war der Verein als Versorger für Gautinger Familien tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg hörte diese Funktion mit Einführung des Sozialversicherungssystems auf. Die Mitglieder wurden seither bei Hochzeiten oder Festen unterstützt und beschenkt.
Auflösung nach 120 Jahren
„An Weihnachten bekam jeder eine Poularde und einen Stollen, zur Silberhochzeit gab es ein Präsent“, erinnerte sich Reindl. Ausflüge, Feste, Begleitungen auf Beerdigungen wurden unternommen. „Unser Verein war eine sehr gesellige Gruppe“, ergänzte Ott. „Es ist schade, dass es vorbei ist.“ Bei zuletzt elf in die Jahre gekommenen Mitgliedern sei die Vereinsarbeit aber eher belastend gewesen.
„Der Verein war eine echte Solidargemeinschaft!“, meinte Bürgermeisterin Brigitte Kössinger anerkennend. Die Spende des Vereinsvermögens an die Gautinger Sozialstiftung sei nur folgerichtig. Alle Vermögensgegenstände, wie die Vereinsfahne und sämtliche Unterlagen nahm Gemeindearchivarin Regine Hilpert-Greger in Verwahrung. „Das sind wahre Schätze und wunderbare Zeitzeugen für die Ortsgeschichte.“
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