"Wir sind hier"
Das MKJZ stärkt das Heimatgefühl junger Menschen

Die Heimat ist im Herzen: Ismail Sahin leitet das MKJZ seit 16 Jahren. (Foto: ds)
"Woher kommst du?" fragt Ismail Sahin manchmal einen jugendlichen Besucher des Multikulturellen Jugendzentrums (MKJZ). "Wenn er dann zum Beispiel ,Ankara' sagt, dann antworte ich: ,Ach ja? Ich denke, du bist in München geboren'."
Ismail Sahin selbst fühlt sich an drei Orten heimisch, wenn man so will: Am Schwarzen Meer in der Nordtürkei ist er geboren, seine Frau stammt aus dem Allgäu ("i bin a Allgäuer", schmunzelt er) und außerdem lebt er im Westend. "Heimat, das hat weniger mit dem Geburtsort, sondern viel mehr mit Liebe, Herz und Vertrauen zu tun", sagt er. Seit 16 Jahren leitet er das Multikulturelle Jugendzentrum (MKJZ) in der Westendstraße 66 a. "Hier fühle ich mich sicher und die Menschen gehen freundlich miteinander um - ein Wir-Gefühl, das ist Heimat."
Verantwortung übernehmen
Praktisch alle jugendlichen Besucher des MKJZ sind in München geboren, auch wenn ihre Eltern unterschiedlichster Herkunft sind. "Sie wachsen hier auf, gehen hier zur Schule, sie lernen Deutsch - manchmal im Gegensatz zu ihren Eltern - und haben deutsche Freunde. Das vermitteln wir ihnen auch: Wir sind hier." Und die Erfahrung habe gezeigt: Das Heimatgefühl der jungen Leute wird gestärkt, wenn sie Verantwortung übernehmen. Im MKJZ haben die Kinder und Jugendlichen echtes Mitspracherecht, das geht schon bei den Hausregeln los, die sie selber aufgestellt haben. "Das führt zu Respekt." Auch beim geplanten Neubau des Gebäudes werden die Vorschläge der Jugendlichen ernst genommen.
In der Gesellschaft habe sich schon einiges getan, mein Sahin: "Menschen mit Migrationshintergrund sind Fernsehmoderatoren, Stadträte, Parteivorsitzende." Eines fehlt ihm aber noch: das kommunale Wahlrecht für Ausländer. "Wenn jemand seit fünf Jahren hier ist, dann sollte er mitdenken und mitmachen, dann sollte er für den Bezirksausschuss und den Stadtrat wählen und gewählt werden dürfen." Man solle es als Bereicherung begreifen, wenn "alle auf der Bühne mitmachen". Er fände es schön, wenn der Bezirksausschuss entsprechend der Bevölkerungsstruktur besetzt wäre.
"Unser Viertel ist einmalig"
33,2 Prozent der Menschen, die im Stadtbezirk Schwanthalerhöhe leben, haben einen ausländischen Pass. Die Vielfalt der Kulturen hat in dem klassischen Arbeiterviertel Tradition - ebenso wie die Nachbarschaftsfeste mit gegenseitigem Austausch. Die Kunst- und Kulturtage "Westend hat ein Gesicht" hatten ein riesiges Programm mit unzähligen Mitwirkenden - "ja, unser Viertel ist einmalig", lächelt Sahin, der engagiert an der Organisation mitgewirkt hat.
Auch MKJZ-Praktikantin Sarah Dürr, 25 Jahre alt und gebürtige Münchnerin, ist begeistert vom Westend, wo sie seit fünf Jahren lebt: "Man spürt den Zusammenhalt, die Leute kennen sich, man hilft sich gegenseitig. Viele leben schon sehr lange hier und haben sich eine richtige Heimat aufgebaut." Sie kennt inzwischen jede Straße und jeden Laden - "Heimat ist da, wo man sich auskennt", meint sie.
Besuch der Bavaria
Und damit sich auch die jugendlichen Besucher in ihrer Heimat, ihrem Stadtviertel auskennen, machen die MKJZ-Mitarbeiter mit ihnen Ausflüge in die direkte Umgebung. In den Sommerferien stand zum Beispiel einmal die Bavaria auf dem Ausflugsprogramm: "Die Bavaria ist ein Symbol fürs Westend", findet Ismail Sahin, "wir sollten sie nicht dem Oktoberfest überlassen." Der Garten des MKJZ hat für Ismail Sahin auch etwas mit Heimat zu tun: "Die Natur verbindet. Hier wachsen Gewürze, auch so etwas schafft ein Stück Identität. Eine Frau sagte zu mir: ,Jedesmal wenn ich hier vorbeikomme freue ich mich und es stärkt mich'."
Flüchtlinge willkommen
Nachdem sich im Westend schon immer Zuwanderer aus aller Welt zusammengefunden haben, ist das Stadtviertel geradezu prädestiniert dafür, sich um Flüchtlinge zu kümmern. Als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Park-Hotel untergebracht waren, wurden sie herzlich aufgenommen (wegen eines Brandes wurde dann das Gebäude unbewohnbar und die jungen Männer zogen nach Aubing). Im MKJZ gab es damals eine Fahrrad-Reparatur-Aktion, die den Geflüchteten eine gewisse Mobilität ermöglichte. "Wir planen nochmal eine Fahrrad-Aktion", erzählt Sahin, der über das "Willkommen in München"-Projekt des Kreisjugendrings (dieser ist auch der Träger des MKJZ) weiterhin Kontakt zu Flüchtlingen hat.
Grillparty am Samstag
Neben Natur und Sport ist auch die Musik ein Feld, die über alle Sprachgrenzen hinweg verbindet. Anfang September fand im MKJZ ein Trommelworkshop statt, bei dem MKJZ-Besucher gemeinsam mit jungen Geflüchteten musizieren und Berührungsängste abbauen konnten.
Am Samstag, 12. September, ab 15 Uhr findet im MKJZ eine Grillparty statt, bei der die Workshop-Teilnehmer ein Trommelkonzert geben. Jeder ist herzlich willkommen - Wir-Gefühl garantiert.
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