Wer kennt's noch nicht? Wer hat's noch nicht?
Geschenk-Tipp: ein lesenswertes Westend-Buch
Immer wieder hört man Leute im Westend sagen: "Kennst du dieses Buch? Musst unbedingt lesen!" Gemeint sind die Erinnerungen von Marianne Beckmann. Unter dem Titel "Glei hinter der Bavaria – eine Jugend zwischen Trümmern und Rock'n'Roll" hat sie aufgeschrieben, wie es damals war im Westend, in den 1950er und 60er Jahren. Auf 528 Seiten hat man als Leser das Gefühl, man wäre dabei.
Glei hinter der Bavaria ist sie aufgewachsen, die Marianne Beckmann, geborene Staudt, Jahrgang 1947. Sie wohnte in der Kazmairstraße 79 zusammen mit ihren Eltern, vier Geschwistern und den Großeltern in einer Dreizimmerwohnung. Ihre Erinnerungen an damals wollte sie ursprünglich nur für ihre Tochter und ihre drei Enkelsöhne festhalten, aber dann wurde doch ein dickes, gedrucktes Buch daraus mit einer kleinen Auflage von 500 Stück. Erschienen ist es im Dezember 2015, und nach wenigen Wochen waren alle Exemplare weg. Da ließ sie nachdrucken.
Eine Lesung in der Stadtbibliothek geriet zum vollen Erfolg und einem großen Ehemaligen-Treffen mit vielen "Woaßt es no?". Auch im kommenden Jahr möchte Marianne Beckmann wieder zu Lesungen ins Westend kommen.
Trümmer als Spielplatz
In der Nachkriegszeit ließ das Wirtschaftswunder erstmal auf sich warten. Mariannes Mutter leistete schier Übermenschliches, um die große Familie zu versorgen. Die Trümmer der ausgebombten Häuser waren der Abenteuerspielplatz der Kinder. Zuhause war das abschließbare Toilettenhäusl auf dem Flur, das sich zwei Wohnungsparteien teilten, der Zufluchtsort in Notsituationen. Wie viele andere kam auch Mariannes Vater als "psychischer Kriegskrüppel" heim, der von den Kindern Disziplin und Gehorsam forderte und sie prügelte. Die Jugendlichen, die "Halbstarken", begehrten dann gegen die "Alten" auf und liebten die Freiheit und den Rock'n'Roll – gebracht von den Amerikanern.
Neben vielen interessanten Informationen zur Zeitgeschichte hat Marianne Beckmann auch jede Menge komische, schockierende, herzerwärmende und haarsträubende Geschichten zu erzählen.
Disco "König Ludwig"
Etwa ab der Mitte des Buches geht es um die Jugendzeit, und die beiden älteren Geschwister der Autorin, Helmut und Irmi, werden zu den Hauptpersonen. Für sie und ihre Freunde ist das "König Ludwig" in der Tulbeckstraße der Dreh- und Angelpunkt geworden. Hier hat ein ehemaliger Boxer eine Bierwirtschaft übernommen, die Fenster verdunkelt, Schwarzlicht angemacht, eine Discokugel aufgehängt, Bill Haley und Elvis Presley aus der Jukebox tönen lassen und damit noch in den 50ern Münchens wohl erste Disco erfunden. Alle Münchner Jugendlichen zwischen sechzehn und zwanzig Jahren wollten rein und sie kamen als "Blosn" (Freundeskreise) aus den verschiedenen Stadtteilen. Und was da dann alles los war, auch diesen Beschreibungen folgt man als Leser fasziniert.
Vom Haus, in dem sie aufgewachsen ist, und all den Nachbarn, die dort wohnten, erzählt die Autorin sehr ausführlich. Im Erdgeschoss gab es früher drei Läden. Einen Bäcker gibt es dort heute noch. Und hier beim "Bäcker am Eck" in der Kazmairstraße 79 (Ecke Anglerstraße) kann man auch direkt das Buch kaufen, das zu weiten Teilen in diesem Haus spielt: Marianne Beckmann: "Glei hinter der Bavaria – eine Jugend zwischen Trümmern und Rock'n'Roll".
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