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Sie bolzen was das Zeug hält

Bei Westend United gibt es nur Gewinner

Exakt 100 Menschen sind auf diesem aktuellen Gruppenfoto von Westend United zu sehen: 94 Fußball-Kids und die sechs Trainer der Jungen-Teams. (Bild: Tina Engel)

Freitag nachmittag, auf dem Weg zur Kazmairwiese. Aus den verschiedenen Richtungen strömen Kinder, zu Fuß, mit dem Fahrrad, allein, mit Mama, und viele tragen dieses blau-grüne Trikot. Kinder ab dem Vorschulalter spielen hier Fußball und haben sichtlich Spaß daran. "Es ist super", freut sich am Spielfeldrand eine Mutter. Auch Oma und Opa schauen heute zu, wie der Enkel zum zweiten Mal mittrainieren darf. Zum Schluss kommen die Kinder in den Kreis: "Wie heißt unser Team?" – "Westend United!" – "Das geht noch viel lauter" – "Westend United!!!" übertönt der vielstimmige Schlachtruf sogar den Baustellenlärm an der Ridlerstraße.

Westend United ist ein Fußballverein, der sich nicht als Talentschmiede versteht, sondern die Kinder aus dem Viertel zusammenbringen will. "Wir bolzen was das Zeug hält" lautet das Motto. Die Regeln sind klar: "Hier wird gespielt und nicht gemobbt. Es wird gelobt und nicht gemeckert." Und was ist mit der Technik? Ganz klar: "Kommt Zeit, kommt Technik." Der Zulauf ist enorm, Kinder und Eltern sind begeistert.

Wie es begann

Zwei Väter mit Kindern an der Bergmannschule haben 2011 ehrenamtlich ein wöchentliches Fußballtraining initiiert. Um im Winter überhaupt eine Schulturnhalle nutzen zu dürfen, ließen sie das Training organisatorisch über einen Hort laufen. 2014 waren dann schon 40 Kinder dabei und wegen der Haftungsfrage bei eventuellen Unfällen wurde der gemeinnützige Fußballverein "Westend United e.V." gegründet. Inzwischen nehmen etwa 100 Buben in vier Teams und rund 25 Mädchen am wöchentlichen Training teil. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 40 Euro im Jahr, kann auf Antrag aber auch vollständig erlassen werden.

Diese Einnahmen genügen dem Verein, um die Mitgliedschaft im Bayerischen Landes-Sportverband mit Unfallversicherung sowie die Miete für die städtischen Sportanlagen zu bezahlen. Im Sommer ist das die Schulsportanlage Kazmairwiese, im Winter wird in den Turnhallen der Bergmannschule, der Schule an der Schrobenhausener Straße und des Theresengymnasiums trainiert. Die Trainer – allesamt bestens qualifizierte Hobby-Sportler – bekommen kein Geld. Auch die komplette Büroarbeit, Logo- und Grafikentwürfe, Website-Entwicklung (www.westend-united.de), Fotos und andere Aufgaben werden von engagierten Eltern ehrenamtlich übernommen.

Sporthallen gesucht

"Die Hallensuche ist schon eine Riesenarbeit", erzählt Ekkehard Kissel, der den meisten nur als Ekki bekannt ist und der Westend United zusammen mit Stephan Bernreiter initiiert hatte. Eigentlich will er gar nicht in den Mittelpunkt gerückt werden: "Die ganze Sache wird von allen getragen und wäre ohne die anderen auch nicht möglich", meint der ehrenamtliche Trainer und reiht sich, streng alphabetisch, in die Liste der Coaches der Westend-Boys ein: Alex, Chrissi, Ekki, Stefano, Steffo, Tobi. Und selbstverständlich nennt er zuvor noch die Coaches der Westend-Girls: Luisa, Nicole und Stefanie.

Die Suche nach Belegungszeiten in Sporthallen ist im Westend nicht einfach: "Alle Vereine suchen", ist Ekkis Erfahrung. Westend United nimmt bewusst nicht am Ligabetrieb teil und bekommt deswegen nur Zeiten in Einfach-Sporthallen. Diese Regelung sei ja auch sinnvoll und er wolle keinem anderen Verein etwas wegnehmen, erklärt der Hobby-Fußballer. Aber nachdem immer mehr Kinder dazu kommen, stehe eine größere Halle schon auf der Wunschliste.

Ohne Leistungsdruck

Fairness steht im Training an oberster Stelle. Wer nicht so gut kickt, wird von den anderen nicht gehänselt. "Dieses Leistungsprinzip: 'Ich muss besser sein', zieht sich bei uns in der Gesellschaft überall durch. Wir wollen das hier nicht auch noch. Hier gilt: Wir akzeptieren euch wie ihr seid", erklärt Ekki. Dazu passt auch der Sponsor, die "Gesellschaft für Systemische Therapie und Beratung", kurz: GST München, auch auf den Trikots zu sehen. "Mit der GST diskutieren wir unsere Themen Motivation, Selbstwert und Teamgedanken für das Training", erklärt Ekki. Die Trikots hätten nicht zuletzt die Funktion einer englischen Schul-Uniform. Diese drückt in etwa aus: Hier sind alle gleich viel wert und gehören dazu, unabhängig vom sozialen Status.

Der Ansatz von Westend United ist, dass sich möglichst viele Kinder im Stadtviertel kennen lernen und auch später freundlich miteinander umgehen. Fernab von Leistungsdruck werden gelegentlich Freundschaftsspiele mit ähnlich organisierten Teams ausgetragen wie zum Beispiel der Glockenbachwerkstatt. Immer wieder gebe es auch Kinder, die in einen "normalen" Fußballverein wechseln, mit mehrmals wöchentlichem Training und Spielen am Wochenende, berichtet Ekki, und das sei auch völlig in Ordnung. Mit dem FC Ludwigsvorstadt zum Beispiel sei man auch freundschaftlich verbunden.

Die Kinder des ersten Jahrgangs sind inzwischen in der 6. Klasse und haben immer noch Spaß am Spiel. Ältere kommen nun auch beim Training der Jüngeren dazu und fangen an, in die Trainerrolle hineinzuwachsen. Und wöchentlich kommen Anfragen von Eltern, deren Kinder mitrufen möchten, wenn der Trainer fragt: "Wie heißt unser Team?"


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