"Mehr als klischeehaft"
"iRRland"-Künstler rechnen mit Vermieter ab
Die Mieter des Kulturraums "iRRland" verabschieden sich: mit fünftägigen Kunstfestspielen und einer ausführlichen öffentlichen Erklärung zu den "Machenschaften" ihres Vermieters, der ihnen die Räume an der Bergmannstraße 8 auf Ende Juni gekündigt hat. "Rechtlich gesehen ist alles wasserdicht – Gewerberecht eben", erklären die Kulturmacher selbst. Doch wie die Sache bis jetzt abgelaufen ist, das sei doch "mehr als klischeehaft". Die Gründe für die Kündigung? Was mit den Räumen geschehen soll? Die Bitte um Verlängerung des Vertrags um ein paar Monate: Auf keine dieser Anfragen, die sie seit Anfang Januar mehrmals gestellt hätten, habe der Vermieter bis heute reagiert.
Dafür haben die Mitglieder des Künstlerkollektivs selbst einige Hintergründe über ihren Vermieter recherchiert: Die B8 Immobilien GmbH & Co. KG sei im Herbst 2016 eigens für den Kauf des Anwesens in der Bergmannstraße 8 gegründet worden, Fimensitz in München-Bogenhausen. Der Geschäftsführer heiße Olaf Jansen, "Rechtsanwalt, 75 plus, grauer, kurzer Schopf". Er berate seine Klienten seit über 25 Jahren im Immobilien-, Miet- und Baurecht. "Gesellschafter der B8 Immobilien GmbH ist die BLL Real Estate GmbH. Gleicher Firmensitz, gleicher Geschäftsführer. Die BLL Real Estate GmbH tritt als Gesellschafter in über 20 Immobilienfirmen in München auf. Von vielen ist ebenfalls Jansen der Geschäftsführer. Ihre Namen sind oft wenig originell: B13, M26, T92, MP22, K60, S23a, Türkenstraße 47, Max-Emanuel, usw. Klar, es geht ja auch nur ums Geld. Verwaltet werden die Objekte und auch das Haus in der Bergmannstraße 8 von der ADIX Immobilien GmbH. Auch hier: Gleicher Firmensitz und Jansen ebenfalls Geschäftsführer", erklären die "iRRland"-Künstler.
Die "Machenschaften" der Investoren Jansen und Co. hätten bereits in Schwabing für Entsetzen gesorgt: Dort will die Max-Emanuel Immobilien GmbH die 230 Wohnungen des so genannten Hohenzollernkarrees modernisieren und die Mieten fast verdoppeln. "Auch in der Bergmannstraße 8 wurde zweimal versucht, die Mieten deutlich zu erhöhen. Bisher ohne Erfolg, die Mieter legten Einspruch ein, da die geplante Erhöhung den legal zulässigen Rahmen überstiegen hätte", heißt es in der Erklärung der iRRland-Künstler.
Verworrene Geschichte
Vom Chef des benachbarten Elektrobetriebs habe man erfahren, dass er die Räume ab Sommer als Lager mieten werde, weil er das Haus im Hinterhof räumen müsse. Allerdings habe er dieses zum großen Teil untervermietet, dann dem Untermieter gekündigt, inzwischen die Kündigung wieder zurückgenommen. Dann habe er den Elektrobetrieb verkauft und die neuen Inhaber hätten sich zunächst undurchsichtig geäußert, dann wieder "die alte Geschichte aufgetischt", sie bräuchten die "iRRland"-Räumlichkeiten als Lager.
Nach wie vor gebe es keine Reaktion von Jansen, auch nicht auf das Schreiben des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe, der den Kulturverein bereits im Januar mit der Bitte um Verlängerung des Vertrags unterstützt hatte. "Telefonisch wollte man mir auch keine Auskunft geben", berichtet BA-Vorsitzende Sibylle Stöhr. Die Mitglieder des Kulturvereins erklären: "Uns befremdet an der ganzen bisherigen Geschichte besonders, dass sich offenbar keiner der Beteiligten im Stande fühlt, mit uns zu sprechen, geschweige denn auf Augenhöhe mit uns zu kommunizieren."
Eine telefonische Anfrage unserer Zeitung bei der ADIX Immobilien GmbH um eine Stellungnahme blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
"Finale" vom 5. bis 9. Juni
Kulturoase, Kunstraum, Proberaum, Atelier, Ausstellungsraum, Vorführraum, Werkstatt, Büro, Gemüseverteilort, Hackerspace, Lager und vor allem Freiraum: "Wir gehen nicht ohne die künstlerische Vielfalt der letzten Jahre noch einmal zu zelebrieren: Mit den ersten und letzten iRRland-Kunstfestspielen! An fünf Tagen geben Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen und Konzerte einen kleinen Einblick in die künstlerischen Welten, die im iRRland ein Zuhause fanden. ,Finale' ist Weinen und Wut, Zelebration und Zeigefinger, Prost und Protest!", lautet die Ankündigung des Künstlerkollektivs.
Eröffnet werden die parallel laufenden Ausstellungen von department of volxvergnuegen, von Jenny Dam, Carolin Wenzel und Sigi Wiedemann mit einer Vernissage in Anwesenheit der Künstler am Mittwoch, 5. Juni, ab 19 Uhr. Schauspieler und Autor Max "Flamingo" Schäffer liest Prosa und Zeitungsartikel aus drei Jahren Weltverachtung, anschließend folgt "sanftes Auflegen" durch die DJs El Presidente und Martin Horn.
Konzert mit Kabel
Die Ausstellung ist an den folgenden Tagen jeweils ab 15 Uhr geöffnet. Am Donnerstag, 6. Juni, beginnt um 19 Uhr das "institut für leistungsabfall und kontemplation" mit dem Programm "Elektrosmog": Martin Krejci verstrickt sich während des Konzerts live in 100 Kilometer lange Kabel. Am selben Abend findet eine West.End.Lecture-Performance von Carolin Wenzel statt. Der Titel: "Der schaut eher so aus wie einer von wo, wo es ,out' ist."
Am Freitag, 7. Juni, inszeniert Florian Schenkel die Gespräche von Eckermann und Goethe als Kasperle-Theaterstück, anschließend wird das halbstündige Filmporträt über den Münchner Künstler gezeigt: "Andere Gärten – Das ABC des Florian Schenkel". Beginn ist um 19 Uhr.
Poesie und Lyrik stehen am Samstag, 8. Juni, ab 19 Uhr im Mittelpunkt. Thomas Glatz zeigt Poesie-Filme und liest einige seiner eigenen Texte, Hans Atom liest aus seinem Gedichtband "Von Kindern, Tieren und anderen Grausamkeiten" und Moritz Liewerscheidt zeigt den Lyrikfilm "Im toten Park". Im Anschluss liest Dieter Liewerscheidt aus seinem neuen Gedichtband. Am Sonntag, 9. Juni, werden Finissage und Ausklang ab 12 Uhr von Steffen Müller auf dem Kontrabass begleitet.
Das komplette Programm ist, ebenso wie die vollständige Erklärung zum Aus des iRRland, auf der Internetseite www.volxvergnuegen.org nachzulesen.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH