Ein eigenwilliger Stadtteil
Rainald Raabe plant Dokumentarfilm übers Westend
Es war beim Open Westend vor zwei Jahren: Im Bürgerheim liefen auf einer großen Leinwand Teile der Dokumentarfilmreihe "Stein für Stein – Europa im Spiegel seiner Architektur". Gezeigt wurden die Filme bei der Werkschau der Künstler aus dem Viertel, weil sie von Kunsthistoriker Dr. Rainald Raabe stammen, der seit 1991 im Westend lebt und sich als Dokumentarfilmer selbständig gemacht hat. "Etliche Leute haben damals den Wirt gefragt: ,Warum zeigt ihr hier Filme über Palermo und nicht übers Westend?' So entstand die Idee zu einem Dokumentarfilm über unser Viertel." Seitdem ging Rainald Raabe nicht nur mit offenen Augen, sondern auch mit gezückter Kamera durchs Westend, um Ideen zu sammeln und die kleinen Besonderheiten festzuhalten, die den Stadtteil so einzigartig machen.
Das Drehbuch hat er schon geschrieben. Der Westend-Film soll die Entwicklung des Stadtteils von seinen Anfängen bis heute nachzeichnen und seine Charakteristika herausstellen. Der Arbeitstitel lautet "Das Westend – ein eigenwilliger Stadtteil". Der erste Teil widmet sich der Architektur: Die wichtigen Bauten wie etwa das Hauptzollamt, die Genossenschaftsbauten, die Mollblöcke, das Ledigenheim und der letzte produzierende Industriebetrieb, die Augustinerbrauerei, sollen in ihrer wirtschaftlichen und soziokulturellen Bedeutung vorgestellt werden.
Der zweite Teil zeigt dann beispielhaft Bewohner des Viertels mit ihren Aktivitäten: Rainald Raabe will den "äthiopischen Kiosk" ins Bild rücken, den griechischen Gemüsehändler mit den sizilianischen Wurzeln und den Schriftsteller und Lyriker, der im Hausflur "Das Gedicht der Woche" aushängt. Auch der Fußballverein "Westend United" soll vorkommen, der, so schreibt es Raabe in seiner Kurz-Vorstellung des Filmprojekts, "erklärtermaßen als Verein für Buben und Mädchen nicht am frühzeitigen Selektionszirkus für kommende Weltmeister teilnimmt, sondern Kindern aller möglichen Nationalitäten ausschließlich die Grundgesetze des Mannschaftssports vermittelt." Auch der jüngste Sohn des Dokumentarfilmers kickt hier begeistert mit. Mit seiner Frau, die Kunsterzieherin ist, hat Rainald Raabe fünf Kinder im Alter von acht bis 24 Jahren.
"Voller Geschichten"
"Das Westend ist voller Geschichten", schwärmt der Dokumentarfilmer, der nebenbei auch als Dozent an der Volkshochschule München sowie im Seniorenstudium der LMU tätig ist. Dass er Hintergrundwissen mit Beobachtungsgabe und Herzblut vereint, ist schnell zu ahnen: Er berichtet von den ursprünglichen stadtplanerischen Plänen, das Westend – wie in London und Frankfurt – als Villenviertel zu errichten, erzählt, warum die Westendstraße die einzige Straße ist, die sozusagen stadteinwärts und nicht stadtauswärts führt, wie ein Wagen der Betriebsfeuerwehr der Gummifabrik Metzeler wieder in der Gollierstraße angekommen ist, warum der Affenspielplatz Affenspielplatz heißt und wie schön das Viertel begrünt und bepflanzt wurde – vom städtischen Gartenbauamt mit Bäumen und von Anwohnern mit Blumenbeeten in Grünstreifen. Sein Wissen um Geschichte und Architektur und die vielen kleinen Geschichten teilt er auch mit allen Interessierten bei seinen Stadtteilführungen, die er im Rahmen der Kunst- und Kulturtage "Westend hat ein Gesicht" noch bis 22. Juli jeden Samstag und Sonntag ab 14.30 Uhr anbietet (Kosten: 8 Euro, Anmeldung unter raabe@marafilm.tv).
Unterstützer gesucht
Ein Film über die Entwicklung des Westends: Kein Wunder, dass auch der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe dieses Vorhaben begrüßt. Auf einstimmigen Beschluss hin hat das Gremium bereits ein unterstützendes Schreiben an das städtische Kulturreferat verfasst. Von dieser Stelle erhofft sich Rainald Raabe einen finanziellen Zuschuss. Für die weitere Finanzierung plant er, sich an all die Firmen, die Dienstleistungsunternehmen und die Stiftungen zu wenden, die ihren Sitz im Viertel oder am Rand des Viertels haben. Den fertigen Film will er dann Fernsehsendern anbieten – und an öffentliche Vorführungen im Stadtteil denkt er natürlich auch.
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