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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Die Vielfalt erhalten
Vorschläge fürs Viertel bei der Bürgerversammlung
"Wir freuen uns über Ihre Rückendeckung und sind dankbar für Ihre Vorschläge", sagte Sibylle Stöhr, Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8), am Ende der Bürgerversammlung im vollbesetzten Saal des Wirtshauses am Bavariapark. In 35 Anträgen und Anfragen regten die Besucher an, Missstände zu beseitigen und das Viertel lebendig und lebenswert zu erhalten. Die meisten Anträge wurden mehrheitlich unterstützt und müssen damit von den zuständigen Stellen in der Stadtverwaltung bearbeitet und beantwortet werden. Mit zwei der vorgetragenen Ideen wolle man sich im Bezirksausschuss schon bald näher beschäftigen, kündigte Sibylle Stöhr an.
Er wünsche sich eine Strategie, wie der inhabergeführte Einzelhandel gestärkt werden kann, sagte ein Bürger. Dieser werde künftig immer weiter unter Druck geraten, nicht zuletzt durch die vielen Filialisten im Einkaufszentrum Forum Schwanthalerhöhe – wenn es dann eröffnet wird. "Die Vielfalt, die wir alle schätzen, gilt es zu erhalten. Ich bin übrigens kein Ladenbesitzer, sondern Kunde. Und würde das gerne bleiben", erklärte der Besucher. Als sein Antrag bei der Abstimmung von der Mehrheit im Saal befürwortet wurde, gab Versammlungsleiter Alexander Reissl (Vorsitzender der SPD-Fraktion im Münchner Stadtrat) dem Publikum den Hinweis mit: "Am meisten helfen Sie den inhabergeführten Geschäften, indem Sie Dinge nicht im Internet kaufen, sondern in Geschäften." Sibylle Stöhr sagte, um die gewünschte Strategie zu entwickeln, könne sie sich eine öffentliche Veranstaltung gut vorstellen.
Gegen Verdrängung
Einen weiteren Vorschlag wollte Stöhr gleich mit in die nächste Sitzung des Bezirksausschusses nehmen: York Runte vom alternativen Wohnprojekt "Ligsalz 8" regte die Gründung eines unabhängigen Beratungsbüros für Mieter an, die von Kündigung bedroht sind. Damit meinte er nicht nur Wohnraum, sondern auch Kleingewerbetreibende, Kulturinitiativen wie zum Beispiel das "iRRland", Vereine und soziale Einrichtungen, deren Existenz durch Kündigung der Räumlichkeiten bedroht sind. Das Büro könne seinen Sitz im Ladenraum der Ligsalzstraße 8 haben und von einem noch zu gründenden Verein betrieben werden. Zum Mieterverein und Mieterbeirat soll es keinesfalls in Konkurrenz treten, sondern deren Angebote ergänzen. Als Anschub fürs erste Jahr beantragte Runte die Finanzierung einer 450-Euro-Stelle und entstehender Sachkosten aus dem Stadtbezirksbudget. Danach könnten städtische Mittel beantragt werden. Als "Pilot-Büro" könne es als Vorbild für andere Stadtteile dienen. Das Büro soll Orte der Begegnung erhalten, Hausgemeinschaften beraten, das Gemeinwohl stärken, Leerstände und Zweckentfremdungen erfassen und eine Wohnungstauschbörse anbieten. Mit großer Mehrheit stimmten die Anwesenden dem Vorschlag zu.
Radwegverbindungen
Genau diesen Antrag habe er vor zwölf Jahren zum ersten Mal gestellt, sagte Andreas Eichlinger, ehe er ihn wiederholte: Nämlich eine sinnvolle Radwegverbindung vom Westend in die Innenstadt. Applaus folgte diesen Worten. Am besten sei dafür die Schwanthalerstraße geeignet. Sibylle Stöhr überbrachte die gute Nachricht, dass noch in diesem Jahr als Verkehrsversuch ein Radfahrstreifen auf der Schwanthalerstraße zwischen Martin-Greif- und Paul-Heyse-Straße abmarkiert werden soll. Sylvia Pawelke forderte zusätzlich, den Abschnitt zwischen Ganghofer- und Schießstättstraße zur Fahrradstraße umzuwandeln. Außerdem solle der durchgehende Radweg vom Hauptbahnhof über Laim nach Pasing auf der Südseite der Bahnlinie endlich umgesetzt werden. Mehr Platz für Radfahrer wurde auch für die Ridlerstraße gefordert.
Lastenfahrrad-Verleih
"Es darf gern ein Pilotprojekt sein und es passt sehr gut zum Ausbau der Fahrradinfrastruktur, die hier ja ebenfalls gewünscht ist", sagte der Antragsteller, der gemeinsame Lastenräder fürs Westend beantragte. So könnten die Anwohner auch ohne Auto ihre Lasten transportieren. Da es ja nicht sinnvoll sei, wenn jeder sich ein eigenes Lastenrad kauft, wünsche er sich die Anschaffung städtischer Lastenräder, die an die Bürger kostenlos verliehen werden.
Wiesn-Fremdparker fernhalten
"Wir lieben die Wiesn", versicherte ein Anwohner, der sich gleichzeitig als "Leidtragender der Wiesn" bezeichnete. Er fordere eine Erhöhung der Anreize, ohne Auto zur Wiesn zu kommen, was ja ohnehin im Hinblick aufs Biertrinken sinnvoll sei. Der Stadtrat solle sich mit möglichen Maßnahmen beschäftigen und ein Gesamtkonzept erarbeiten. Der Bürger nannte als Ideen ein Einfahrverbot für auswärtige Fahrzeuge innerhalb des Mittleren Rings, eine Erhöhung der Bußgelder für Falschparken ("das kostet ja nicht mehr als eine Maß Bier mit Trinkgeld") oder Park and Ride mit kostenlosem MVV-Ticket, wobei dafür auch der MVV die notwendigen Kapazitäten bereitstellen müsste. Sibylle Stöhr wies darauf hin, dass die Gebühren fürs Falschparken nicht von der Stadt, sondern vom Bund festgelegt werden. Es gebe derzeit Initiativen, das zu ändern.
Saubere Spielplätze
"Bisher haben wir uns mit dem Zustand der Spielplätze ja arrangiert, mit Glasscherben und Ratten", sagte eine Mutter. Aber nun habe sich die Lage doch zugespitzt: Am Georg-Freundorfer-Platz habe sich ein Kind an einer Heroinspritze gestochen. Ihre direkte Forderung sei eine gründliche Reinigung der Spielplätze im Viertel. Die indirekte Forderung betreffe die Drogenpolitik der Stadt. Diese müsse sicherstellen, dass Spielplätze nicht zur lebensbedrohlichen Gefahr werden können. "Ich kann diese Verantwortung nicht übernehmen", ergänzte die Leiterin des Kindergartens Rumpelpilz. Florian Hacker vom städtischen Gartenbaureferat antwortete, die Spielplätze würden zwei- bis dreimal in der Woche gereinigt, während der Wiesnzeit sogar zweimal täglich. Einmal wöchentlich gebe es eine Kontrolle des Zustands, auch der Spielgeräte. "Es liegt immer ein Zeitfenster dazwischen. Das ist schwierig", räumte er ein.
Toiletten? Sanitäranlagen!
Barbara Likus forderte mit einstimmiger Zustimmung, die Chemietoilette am Georg-Freundorfer-Platz durch eine ordentliche WC-Anlage zu ersetzen. "Oberbürgermeister Reiter hat doch eine WC-Offensive angekündigt, da kann er direkt hier bei uns anfangen", sagte sie unter Beifall. Auch Michael Peschel äußerte sich, nicht zum ersten Mal, zu diesem Thema: "Seit zehn Jahren setze ich mich für Toiletten am Gollierplatz ein." Er korrigierte sich: "Wir wollen nicht Toiletten, wir wollen Sanitäranlagen. Behindertengerecht, mit Möglichkeit zum Wickeln und Umziehen. Und zwar kostenlos. Vielfalt statt Dixi-Klos!" Es seien viele neue Einrichtungen gebaut worden, die nicht barrierefrei seien, sagte eine andere Rednerin, die sich für gelebte Inklusion einsetzte. Einstimmig unterstützte die Bürgerversammlung ihren Antrag auf Barrierefreiheit.
Gerüst fürs Dönerhaus
"Ich komme mit einem Klassiker. Es geht ums Dönerhaus." Diese Eröffnungsworte sorgten für ein kurzes Lachen im Saal. Vor zwei Jahren hatte die Bürgerversammlung einen Antrag auf Enteignung unterstützt. In einer Sondersitzung des Bezirksausschusses mit zahlreichen Vertretern zuständiger Stellen kam dann allerdings heraus, dass das rechtlich nicht möglich sei. Dennoch lassen die Menschen im Viertel nicht locker. "Es ist eine Schweinerei, dass der Bürgersteig abgesperrt ist. Die Straße ist verengt, es ist für Fußgänger und Radfahrer gefährlich", führte der Antragsteller aus. Er forderte ein Sicherungsgerüst für die Ruine mitten in der Stadt. Die mehrheitliche Zustimmung war ihm sicher.
Zebrastreifen
Auf der Grasserstraße, "wo, wie wir wissen, nicht immer 30 gefahren wird", forderte Sylvia Pawelke einen Zebrastreifen. Auf Höhe der Verkehrsinsel nahe beim Europäischen Patentamt wäre ein ergänzender Zebrastreifen ein Beitrag für mehr Sicherheit, meinte die Antragstellerin – nicht nur zur Wiesnzeit.
Gegen Raserei
"Wenn vorn Grün ist, rasen die mit 100 auf die Ampel zu", hat ein Anwohner beobachtet. Er fordert einen fest installierten Blitzer oder mehr Geschwindigkeitskontrollen an der Heimeranstraße, Kreuzung Ganghoferstraße.
Belästigung vs. Lebendigkeit
Zwei etwas gegenläufige Anträge wurden mehrheitlich unterstützt: Ein Nachbar eines großen Hotels an der Landsberger Straße fühlt sich gestört und möchte alles Mögliche unternommen wissen, um vor nächtlicher Disco-Beschallung und Partylärm geschützt zu werden. Auch die Anfahrt zum Hotel sorge immer wieder für Rückstaus auf der Landsberger Straße. Ein anderer Bürger plädierte "für ein lebendiges Westend, auch nach 20 Uhr." Es seien oft Einzelpersonen, die allen anderen die Stimmung vermiesen. So könne die IG Feuerwache kaum Veranstaltungen abhalten, "nicht mal eine Lesung", weil eine Person bei der Polizei anrufe und sich über den Lärm beschwere.
Silvesterböllerei? Nein danke!
Auch auf der Schwanthalerhöhe fand sich eine breite Mehrheit für die stadtweite Initiative "Silvesterböllerei? Nein danke!". Wolfgang Gebhard, der seinen Laden für "Visuelle Kommunikation" in der Parkstraße hat, trug die Argumente vor: 5000 Tonnen Feinstaub, das seien 15 Prozent der jährlichen Menge aus dem Straßenverkehr, würden in der einen Silvesternacht produziert. 70 Tonnen Müll, der sich noch wochen- und monatelang in den Grünanlagen halte, könnten durch ein Verbot von privater Silvesterknallerei vermieden werden. Genauso wie schwere Verletzungen von Menschen. Nicht zu vergessen die "Höllenqualen" von Haus- und Wildtieren, die oft tagelang verstört seien. Die Mehrheit der Stimmkarten ging nach oben zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.
Abgelehnt: Hundewiesen
Zu den wenigen abgelehnten Anträgen gehörte der auf eine Hundespielwiese. Die geltende Rechtslage sieht so etwas in München sowieso nicht vor. Das geht aus einer Antwort des zuständigen städtischen Gartenbaureferats auf die entsprechenden Anträge des Vorjahres hervor. Auch ein gegenläufiger Antrag, Hundeflächen nur auf der Theresienwiese zu veranstaltungsfreien Zeiten auszuweisen, fand keine Mehrheit. Wiesn-Besucherströme am Bavariapark vorbei zu leiten, um an besser einsehbaren Strecken vom Wildbieseln abzuschrecken, war der dritte Antrag des Abends, der durchfiel. "Die Erfahrung zeigt: Auch wenn es einsehbar ist, die Wildbiesler tun's trotzdem", kommentierte Alexander Reissl die Idee.
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