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"Der Raum kann ganz viel"

Die Kulturoase "iRRland" sucht eine neue Bleibe

Wohin? Das fragen sich die Nutzer des "iRRland", darunter (von links) Künstlerin "paulaner", Musiker Steffen Müller, Fabian Sefzig und Moritz Dittmeyer. Der Raum in der Bergmannstraße wurde ihnen zur Jahresmitte gekündigt. Nun suchen sie dringend Ersatz. (Bild: ds)

Zu seinem Namen kam der Raum durch Zufall, oder besser, durch eine Puzzle-Arbeit. Mitglieder des Künstlerkollektivs hatten auf dem Flohmarkt Leuchtbuchstaben gekauft und versuchten ein Wort daraus zu formen. "iRRland" kam dabei heraus, mit zwei großen R. Der Schriftzug hängt innen über der Tür. An der Wand daneben hat "Wanderdichter" Josef Jaud sein Gedicht über den Mond verewigt. Bilder zeugen von den unterschiedlichsten Kunstausstellungen. Der Projektor wartet auf die nächste Filmvorführung. Jede Woche verteilt hier eine solidarische Landwirtschaft die Ernteanteile an ihre Mitglieder. "Hier am E-Piano habe ich auch schon nachts um eins an einem Arrangement gebastelt", erzählt Jazzmusiker Steffen Müller. Upcycling-Künstlerin "paulaner" berichtet, dass zwei Schmuck-Künstlerinnen die 25 Quadratmeter auch schon leer geräumt und in eine richtig schicke Galerie verwandelt hätten: "Der Raum kann ganz viel."

Doch bald ist es vorbei mit der vielseitigen Kulturoase im Erdgeschoss der Bergmannstraße 8: Auf Ende Juni hat der neue Hauseigentümer, eine Immobiliengesellschaft, dem Künstlerkollektiv die Räumlichkeiten gekündigt. Nun versuchen die Nutzer des "iRRland" die Kündigung abzuwenden – bisher vergeblich – oder erschwinglichen Ersatz zu finden.

2011 war es, als die Gruppe von Kunst- und Kulturschaffenden, die zuvor schon regelmäßig Veranstaltungen in der Glockenbachwerkstatt organisiert hatte, zufällig den Raum im Erdgeschoss der Bergmannstraße 8 entdeckt hat. Gemeinsam haben sie das "iRRland" gemietet und nutzen es für die verschiedensten kulturellen Zwecke. In einem Online-Kalender trägt jeder seine Belegzeiten ein. "Wir sind zu zehnt und teilen uns die Miete. Jeder zahlt 60 Euro und der Verein übernimmt noch etwas mehr – 730 Euro sind es insgesamt. Wir haben beim Besitzerwechsel des Hauses durchaus mit einer Mieterhöhung gerechnet", sagt Fabian Sefzig. Die Kündigung jedoch war ein Schock. In all den Jahren hätten sich auch niemals Nachbarn beschwert.

Ausprobieren im Freiraum

Was in den knapp acht Jahren "iRRland" entstanden ist, ist ein Platz für unkommerzielle Kultur, "ein Freiraum, wo man Dinge ausprobieren kann", formuliert es Moritz Dittmeyer, der den Nebenraum schon genutzt hat, um an seiner Doktorarbeit zu schreiben. "Wenn ein Bekannter von mir einen Film gedreht hat, kann er den hier zeigen und es kommen 15 Leute. Sowas ist ja eigentlich auch viel spannender als die in München doch sehr professionelle Kulturlandschaft." Im "iRRland" sollen auch Künstler auftreten können, "die aufgrund ihres geringen Bekanntheitsgrades oder der mangelnden ,Massentauglichkeit' in einer etablierten und kommerziell ausgerichteten Musik- und Kulturlandschaft wenig oder keine Auftrittschancen haben", heißt es auch im Konzept.

Ideales Zusammenleben

"Wie wir das hier machen, so stelle ich mir eigentlich generell das Zusammenleben in der Gesellschaft vor. Ohne Konkurrenzdenken, ohne Zwang sich zu behaupten. Es ging uns auch nie darum, Bekanntheit zu erlangen", erklärt  Fabian Sefzig seine Motivation. Es störe ihn auch nicht, dass das "iRRland" kein Schaufenster hat – so müsse man sich nicht nach außen darstellen. "Es geht um Selbstverwirklichung innerhalb des Kollektivs", formuliert es Künstlerin "paulaner", die aus Schrott Kunst macht und Upcycling-Workshops gibt. Sie hätte durchaus Lust dazu, in einem Schaufenster sichtbar zu machen, was in der unkommerziellen Kulturoase alles abläuft.

Zum Beispiel gibt es im Nebenraum auch den Risographen, eine Schnelldruckmaschine, die ähnlich wie Siebdruck funktioniert. Interessierte können hier günstig Flyer, Plakate, Visitenkarten oder Broschüren in besonderem Look drucken.

Flair im Viertel

Nach der Kündigung haben die Nutzer schon in der öffentlichen Sitzung den Bezirksausschuss um Unterstützung gebeten, der das "iRRland" nach Kräften unterstützen möchte. Thomas Hofstätter (CSU) hatte das so kommentiert: "Die Immobilienfirmen werben immer mit dem besonderen Flair des Stadtviertels, das dann aber nicht mehr vorhanden ist, wenn die Zuzügler ankommen." Er schlug den "iRRland"-Nutzern ein Modell ähnlich dem "Strandkorb" vor, der durch Vermietung auch Geld verdient. "Das ist ein Vorschlag, der für uns nicht passt", meint Fabian Sefzig jedoch dazu.

Notgedrungen freundet sich das Kollektiv mit dem Gedanken an, für ein künftiges Objekt eine höhere Miete stemmen zu müssen, vielleicht indem sich noch mehr Nutzer beteiligen. Ein großes Problem sei jedoch, dass die meisten Immobilien-Angebote über Makler laufen und dann Tausende Euro an Provision anfallen. Und selbst wenn man die aufbringe, bestehe ja keine Sicherheit, dass dann nicht bald wieder die Kündigung ins Haus flattert.


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