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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Da brodelt die Aula
Rockige Pause an der Carl-von-Linde-Realschule
10.15 Uhr. Es gongt zur Pause und die Aula der Carl-von-Linde-Realschule füllt sich mit Schülern. Soweit nichts Besonderes. Doch es ist eine Bühne aufgebaut mit Schlagzeug und E-Gitarren, mit Scheinwerfern und Boxen. Schulleiter Philipp Volkmer tritt ans Mikrofon und sagt: "Keine Angst, ich singe nicht." Er kündigt nur die Band "Til" an, die hier heute ein Pausenhofkonzert gibt. Drei gut gelaunte Jungs, nicht viel älter als die Schüler, legen los. Gitarre, Bass, Schlagzeug, zwei Stimmen, das war's. Ein rockiger Song mit eingängiger Melodie schallt durch die Aula. Die Traube vor der Bühne wird dichter, Handys werden gezückt, um das Geschehen auf der Bühne zu filmen, weiter hinten fangen Lehrer an mitzuwippen. "Wie geht's euch, München?", ruft Bassist und Sänger Eniz. Anfangs, so scheint es, trauen sich die Schüler noch nicht so recht auszuflippen wie bei einem "normalen" Rockkonzert. Doch im Lauf der nächsten Viertelstunde ändert sich das: Zusehends wird gehüpft, geklatscht, gejohlt und gejubelt. "Das ist ja wie bei Justin Biber", staunt Konrektor Harald Kraus.
Im Gegensatz zu dem Teenie-Star war die Band "Til" den Schülern vor dem Konzert völlig unbekannt. Die drei Jungs aus Wenden im Sauerland haben Schulen in ganz Deutschland angeschrieben und einfach gefragt, ob sie auftreten dürfen. Philipp Volkmer legte die Anfrage seinen Musiklehrern ins Fach und bat sie um ihre Meinung. Die fanden die Idee toll. "Mir hat das auch gefallen: Junge Menschen, die idealistisch ihren Traum leben wollen. Sie wollten nur eine halbe Stunde Pausenzeit von mir. Das ist nicht viel verlangt, das kann man machen", sagt der Schulleiter.
Handys erlaubt
Was Volkmer im Vorfeld außerdem noch gemacht hat, war eine Durchsage: Handys sind für das Pausenhofkonzert ausnahmsweise erlaubt. Und eifrig filmen und fotografieren Schüler die Band. Sänger Dennis fordert sie dazu auf, die Aufnahmen auf Instagram zu posten. Das gehört dazu heutzutage. Die Musik ist jedoch nichts Neumodisches, sondern, so steht es auf der Homepage der Band til-official.com, "guter alter Rock'n'Roll – oder auch School Rock". Die drei Freunde Dennis, Eniz und Jona kennen sich schon seit dem Kindergarten, gründeten als Schüler eine Band, schrieben eigene Songs und wollten dringend auf die Bühne. Sie stellten ein Konzert an der eigenen Schule auf die Beine. Es war ein riesiger Erfolg und die Jungs fragten in den umliegenden Schulen an, ob sie in der Pause auf dem Hof oder in der Aula spielen dürfen – die Idee "TILmySchool" war geboren.
2016 machten sie ihr Abitur und nun ziehen sie, komplett in Eigenregie, ohne Techniker oder Tourmanager, durch ganz Deutschland von Schule zu Schule. "Es war schon immer unser Traum, mit den besten Freunden im Bulli um die Welt zu reisen", erzählt Dennis. Sie finden es auch "cool", komplett auf sich gestellt zu sein. Sie kümmern sich selbst um ihre privaten Übernachtungen, Hotels wären zu teuer. Morgens kommen sie dann einfach mit ihrem Kleinbus an der Schule an und lassen sich überraschen, was sie erwartet: Mal ist es ein brummiger Hausmeister, der ihnen gerade mal aufsperrt. Oder es sind die versammelten Musiklehrer, die sofort beim Bühnenaufbau helfen und ihnen etwas zu essen und zu trinken anbieten – so war es an der Carl-von-Linde-Realschule.
Über 100 Schulen
"Es ist total spannend. Wir haben schon in über hundert Schulen gespielt und jede ist anders ", erzählt Eniz. Schon allein von der Ausstattung her. Und erlebt haben sie schon alles: Dass die Schüler beim Gong sofort wieder ins Klassenzimmer zurückkehren müssen. Oder auch, dass sich Lehrer nach dem Konzert selbst in die Warteschlange um ein Autogramm einreihen.
Letzteres ist kein Wunder, denn der Auftritt der drei jungen Musiker ist unglaublich professionell und dabei sympathisch und mitreißend. Bei der Fülle an Auftritten sind sie im Lauf der Jahre immer besser geworden. Vielleicht weisen die Lehrer ihre Schüler nach dem Pausenhofkonzert auf die alte Weisheit hin: Übung macht den Meister. Und Talent gehört natürlich auch dazu. Die Songs haben Ohrwurm-Qualität und Hit-Potenzial. 2015 haben Til bereits einen bundesweiten Bandwettbewerb gewonnen, seit 2017 sogar einen Plattenvertrag. Die Plattenfirma halten sie jedoch aus der Schul-Tour komplett raus, "das ist allein unser Ding", versichern sie.
10.35 Uhr. Die Band bringt noch mehr Bewegung in die Aula. "Wer hat Bock auf Mathe?" - "Wer hat Bock auf den nächsten Song?" Die Antwort des Publikums auf Frage Zwei ist eindeutig lauter. Zum Abschluss spielen Til ihre aktuelle Single "Brand New Life" nochmal. Schüler werden zu Fans. Nachdem die Band pünktlich aufgehört hat zu spielen, gibt es ein dichtes Gedränge um Autogramme und Selfies. "Für die Schüler ist das mal etwas Besonderes im Schulalltag, so ein Tag bleibt in Erinnerung", freut sich Philipp Volkmer. Und was sagen Schüler, wenn man sie fragt, wie sie das Konzert fanden? "Geil!"
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