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Auf 200 Rädern in die Verlängerung

Ausstellung "Balanceakte" noch bis 4. November im Verkehrszentrum

Viel Erstaunliches rund ums Rad präsentiert die Ausstellung "Balanceakte". (Bild: Deutsches Museum)

Auf 200 Rädern in die Verlängerung: Seit der Eröffnung der Sonderausstellung „Balanceakte“ vor knapp einem Jahr wurden bereits weit mehr als 100.000 Besucher im Verkehrszentrum des Deutschen Museums gezählt. Grund genug, das Jubiläum des Radfahrens noch etwas länger zu feiern: Bis zum 4. November 2018 gehen die „Balanceakte“ auf der Theresienhöhe weiter – gut 201 Jahre, nachdem Karl Freiherr von Drais im Sommer 1817 zum ersten Mal sein berühmtes Laufrad erprobte.

Neben einer von Drais selbst lizenzierten Laufmaschine gibt es viele weitere besondere Zweiräder in der Ausstellung zu entdecken: Vom ersten bekannten bayerischen Laufrad über das Jugendstil-Serienrad aus den USA bis hin zum Wasserstofffahrrad führen rund 100 Radl durch eine wechselvolle Geschichte.
„Laufmaschine und Fahrrad sind ja ursprünglich nicht als Verkehrsmittel genutzt worden, sondern waren Abenteuermaschinen", sagt Bettina Gundler, Leiterin des Verkehrszentrums und eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Sie fasziniert besonders an den „Balanceakten“, welchen gesellschaftlichen Wandel man an der Geschichte des Fahrrads zeigen kann: Von einem Vergnügen für Reiche wurde es in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zum Hauptverkehrsmittel für die Bevölkerung. Dann drängte die Motorisierung das Zweirad ins Abseits. Heute ist es wieder auf der Überholspur - als Alltagsverkehrsmittel und manchmal auch Weltanschauungs-Fortbewegungsmittel.

Aufsitzen erlaubt

Davon zeugen die Exponate: Das ursprüngliche von Drais entwickelte Laufrad war eine Kuriosität - heute werden Lastenräder als stadttaugliche Alternative zum Auto eingesetzt, und wer es sich denn leisten kann und mag, fährt teure Luxusräder. Dabei sind die „Balanceakte“ natürlich nicht nur zum Anschauen: Besucher können vor Ort auch ausprobieren, wie ein Laufrad funktioniert – oder wie man sich auf einem Hochrad fühlt.

Aber die Ausstellung zeigt auf rund 1000 Quadratmetern nicht nur Zweiräder, sondern – gegliedert in die drei Schwerpunkte „Technik und Wirtschaft“, „Kultur und Sport“ und „Mobilität und Verkehr“ – mit zahlreichen Bildern, weiteren Exponaten und Demonstrationen viele spannende, interessante oder kuriose Aspekte rund ums Radfahren. So ist die komplette Trophäensammlung eines historischen Radvereins zu sehen. Erinnert wird auch an den bayerischen Radsport-Helden Thaddäus Robl, der zwei Mal Weltmeister wurde und später bei einem Flugzeugabsturz starb. Historie zum Hören gibt es mit der Queen-Single „Bicycle Race“, deren Video in den 70ern noch für einen handfesten Skandal sorgte.

70 Jahre lang ein Rad

Und auch für die ganz alltäglichen Radl-Geschichten ist hier Platz: Bettina Gundler und ihre Kollegen haben persönliche Erzählungen von Zeitungslesern und Interneteinsendungen ausgewählt, die samt Fotos in der Ausstellung präsentiert werden. „Am meisten berührt mich das Fahrrad einer Dame, die schon weit über 80 Jahre alt war, als sie uns ihr Rad gestiftet hat“, sagt Kuratorin Gundler. „Sie hatte es 1936 zur Konfirmation geschenkt bekommen – und dann sage und schreibe 70 Jahre lang gefahren.“

Ebenfalls stolz ist Gundler auf die von der Formation München entwickelte Szenografie der Ausstellung: Das Fahrrad wird in seinem „natürlichen Lebensraum“ gezeigt – nämlich in Stadt und Land. Optischer Gag ist eine Eingangsszene, die eine Legende über die Erfindung des Laufrads illustriert – Karl Drais schwebt über einem Vulkan. Hintergrund ist eine umstrittene These, nach der Drais unter dem Eindruck der 1816 grassierenden Hungersnot und einem vermehrten Pferdesterben das Zweirad erfunden haben soll. Vorangegangen war der Hungerkrise ein Vulkanausbruch, dessen Staubteilchen in der Atmosphäre ein „Jahr ohne Sommer“ auch in Europa verursachten.

„Klimaänderungen und extreme Wetterereignisse kennen wir ja auch und suchen Abhilfe in nachhaltigen technischen Lösungen, zu denen heute auch wieder das Fahrrad gehört“, so Gundler. „Selbst wenn Drais bei seinen Erfindungen eher an die Förderung der Ökonomie dachte, galt doch auch für seine Zeit: Not macht erfinderisch!“

Führungen

Dieser und viele weitere Geschichten aus bald 201 Jahren Radfahr-Historie erfährt man bei den Übersichtsführungen jeden Samstag und Sonntag um 15 Uhr. Dazu gibt es regelmäßig Kuratorenführungen, Vorträge und mehr – denn auch das Begleitprogramm zur Sonderausstellung geht in die Verlängerung bis 4. November.


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