Wer hat hier die Vorfahrt?
Streit an der Kreuzung offenbart vertrackte Rechtslage
"Das hört sich ja an wie in Schilda oder beim Buchbinder Wanninger", kommentierte der stellvertretende Vorsitzende Thomas Hofstätter (CSU) in der Juli-Sitzung des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8), als Martin Reindl sein Anliegen in der Bürgersprechstunde vorgetragen hatte. Es war eine umfangreiche Schilderung seiner Erlebnisse mit der Polizei, dem Kreisverwaltungsreferat und einer Stadträtin, die sich seiner Sache angenommen hatte. Die Sache, das war ein Beinahe-Zusammenstoß des Radfahrers Martin Reindl mit einem Autofahrer. Der Radfahrer kam in der Heimeranstraße aus Richtung Heimeranplatz und wollte die Geroltstraße zum Georg-Freundorfer-Platz hin überqueren. Das Auto in der Geroltstraße kam von links. Beide dachten, sie hätten die Vorfahrt. Nach dem knapp vermiedenen Unfall stritten sie sich so sehr, dass sie die Polizei hinzuriefen, um zu klären, wer Recht hat.
"Ich war der Meinung, es gelte rechts vor links", sagte Reindl im Bezirksausschuss. Der Autofahrer war sich sicher, dass diese Regel für den Radweg hier nicht zutreffe, das habe er sogar in der Fahrschule gelernt. Die Streifenbeamten hätten Fotos gemacht und mit Kollegen telefoniert. Das Ergebnis: Wegen des abgesenkten Bordsteins gelte hier für Radfahrer auf dem Radweg keine Rechts-vor-links-Regelung. Radfahrer müssten immer allen Richtungen Vorfahrt gewähren. Reindl schrieb darauf der Polizeiinspektion Westend: "Ist diese Aussage korrekt, hat man auf straßenbegleitenden Fahrradwegen nicht Vorfahrt, wenn man von rechts kommt? Und zwar deswegen, weil der Bordstein abgesenkt ist? Wie sähe denn ein Radweg aus, bei dem an einer Kreuzung der Bordstein nicht abgesenkt ist?"
Sicher unterwegs
Er habe Antwort von der Polizeiinspektion bekommen, erzählte Martin Reindl weiter, und zwar: Es handle sich um eine komplexe Fragestellung mit Interpretationsspielraum. Es gebe allerdings ein Gerichtsurteil, das an derartigen Kreuzungen für die Rechts-vor-Links-Regel spreche und Reindl damit im Recht sei. "Wenn schon die Polizei erst Gerichtsurteile wälzen muss, wie sollen dann normale Verkehrsteilnehmer hier sicher unterwegs sein? Vor allem auch die Schüler der umliegenden Schulen?", sei seine weitere Überlegung gewesen, schilderte der Familienvater. So habe er sich an Stadtrats-Mitglied Bettina Messinger gewandt.
Kleines Schild
Diese bat das Kreisverwaltungsreferat (KVR), an dieser Stelle ein Warnschild "Radfahrer kreuzen" für den Autoverkehr aufzustellen. Das Ergebnis ihres Vorstoßes war aber ein völlig anderes: Das KVR kam – entgegen der Aussage der Polizei – zum Ergebnis, dass der Autoverkehr die Vorfahrt habe, und zwar, weil der Radweg durch den Grünstreifen mehr als fünf Meter von der Fahrbahn entfernt sei, nämlich sieben Meter, und damit kein straßenbegleitender Radweg mehr sei. Um für mehr Sicherheit zu sorgen, schrieb das KVR der Stadträtin, werde man demnächst am Ende des Radwegs ein kleines "Vorfahrt gewähren"-Schild für die Radfahrer aufstellen. Zusätzlich werde "zwecks Sicherstellung der Sichtbeziehungen ein Haltverbot am Einmündungsbereich" angeordnet.
Über diesen Stand der Dinge sei er nun auch nicht glücklich, sagte Martin Reindl in der Bürgersprechstunde. Er werde seinen Kindern beibringen, dass sie den Radweg gar nicht benutzen, sondern auf der Straße fahren sollen, schlussfolgerte Reindl. Denn für die Fahrbahn gilt schließlich die Rechts-vor-Links-Regel.
"Ganz weg damit!"
"Es gibt gute Gründe, den Radweg gleich ganz zurückzubauen", sagte Thomas Hofstätter, "wir haben den Rückbau schon vor vier Jahren angeregt." Einstimmig formulierte der Bezirksausschuss den Antrag auf Rückbau des Radwegs an der Heimeranstraße zugunsten von Freischankflächen. Wegen der Tempo-30-Regelung sei ein Radweg hier nicht erforderlich und die Benutzung auch nicht verpflichtend. "Auch ist die Breite des vorhandenen Radwegs teilweise nicht ausreichend und die Vorfahrtsregelung nicht eindeutig", schreibt der Bezirksausschuss in seinem Antrag an die Stadtverwaltung.
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