"Lebensplätze" für Frauen
An der Westendstraße 35 soll neues Haus entstehen
Rund 30 Appartements für vormals obdachlose, ältere Frauen sollen in dem Haus entstehen, das die städtische Wohnungsgesellschaft GWG an der Westendstraße 35 neu bauen will. Das Wohnhaus dort steht leer, inzwischen schon seit Jahren. Der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe (BA 8) begrüßte, dass an dieser Adresse etwas vorangeht, als ihm die Beschlussvorlage des Sozialreferats zu einer Stellungnahme vorgelegt wurde. Allerdings, dass die Einrichtung "Lebensplätze" später noch eine Außenstelle in der Tulbeckstraße 4f bekommen soll, damit ist der BA nicht einverstanden. An dieser Stelle soll das "Haus mit der roten Fahne" erhalten bleiben, dafür hatte sich das Stadtteilgremium schon mehrfach einstimmig ausgesprochen. Auch in der Bürgerversammlung von 2017 hatte die überwältigende Mehrheit den Erhalt des Hauses als soziokulturelles Zentrum unterstützt. "Wenn sowieso schon 30 Appartements entstehen, dann fragt man sich, warum eigentlich noch dieser neue Standort dazu kommen soll. Das hat ein Geschmäckle, ob da nicht ein Bedarf vorgeschoben wird", kommentierte Sarah Seeßlen (Grüne) in der jüngsten BA-Sitzung.
Ende Mai stimmt der Sozialausschuss des Münchner Stadtrats über den Plan ab, auf der rund 1.600 Quadratmeter großen Grundstücksfläche an der Westendstraße 35 die bezuschusste soziale Einrichtung "Lebensplätze" zu errichten, eine niedrigschwellige langfristige Wohnform für ehemals wohnungslose Frauen. Eine solche Einrichtung besteht bereits am Lieberweg im Harthof, Träger ist das Evangelische Hilfswerk. 25 ältere Frauen, häufig mit Sucht- und/oder psychischen Erkrankungen, haben hier ein eigenes, mietvertraglich abgesichertes Appartement.
Würdiges Wohnen
Zusätzlich können sich die Frauen bei allen persönlichen Fragen und Problemen vor Ort beraten lassen und Kontakte knüpfen. Ihnen wird selbstständiges, würdiges Wohnen und Leben ermöglicht, unterstützt durch ein offenes sozialpädagogisches Angebot. Das Projekt sei sehr erfolgreich, heißt es in der Beschlussvorlage des Sozialreferats, die Wohnungslosigkeit der Frauen sei dauerhaft beendet. Aktuell werde, ausgehend von der Warteliste für den Lieberweg, von einem zusätzlichen Bedarf von 25 bis 30 Wohneinheiten und einem jährlichen Bedarf von etwa fünf Wohnungen ausgegangen.
Die Lebensplätze richten sich an alleinstehende Frauen ab zirka 50 Jahren, die teilweise schon über lange Zeit im Hilfesystem für Wohnungslose zwischen verschiedenen Einrichtungen "wandern". Sie haben aufgrund einer psychischen oder Suchterkrankung oder sonstigen Gründen einen Hilfebedarf, sind jedoch nicht bereit oder in der Lage, Hilfe zu akzeptieren. In eine Wohnung oder in bestehende Hilfsangebote können sie aus unterschiedlichen Gründen nicht vermittelt werden und benötigen eine zeitlich nicht befristete Wohnform, die ihnen Unterkunft und Schutz bietet und bei der die Möglichkeit besteht, in Krisensituationen oder auf Wunsch Hilfen anzunehmen. Ein fremdstrukturierter Tagesablauf oder die verpflichtende Teilnahme an Gruppen stelle für viele Frauen eine hohe Hemmschwelle dar, die Ängste und Aggression auslöst. Deshalb sind bei den "Lebensplätzen" alle Hilfsangebote freiwillig.
Haupthaus und Nebenstelle
Zunächst, so heißt es in der Vorlage, soll in der Westendstraße 35 das "Haupthaus" der Einrichtung mit allen erforderlichen Infrastruktureinrichtungen entwickelt werden, "und sobald das Grundstück in der Tulbeckstraße verfügbar ist, werden dort weitere Wohnungen geschaffen und der Einrichtung als Dependance angegliedert".
Wie vielfach berichtet, weht am Gebäude Tulbeckstraße 4f seit über 40 Jahren die "rote Fahne". Gemäß Beschluss der Stadtratsmehrheit wurde dem "roten" Mieter gekündigt, stattdessen solle an dieser Stelle, im verwinkelten Hinterhof, bezahlbarer Wohnraum entstehen. Das bezeichnen die Kämpfer für das Haus mit der roten Fahne als Willkür und sehen den wahren Grund für die Kündigung in der Aussage von Manuel Pretzl (CSU) in der Stadtratssitzung vom Februar 2017: "Um diese Institution ist es nicht schade, wir brauchen keine Kommunisten in dieser Stadt!".
Neuer Gerichtstermin
Die Räumungsklage der GWG wird seit Oktober 2017 vor dem Landgericht München verhandelt. Statt der erwarteten Urteilsverkündung wird die mündliche Verhandlung am 1. Juli wieder aufgenommen.
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