Herzkrank – ohne Ängste und Sorgen
Selbsthilfegruppe beachtet Einfluss der Psyche
Herzpatienten dürfen nur 27 Sekunden frei reden, bevor sie vom Arzt unterbrochen werden, schrieb ein bekanntes deutsches Wochenmagazin. Kardiologische Praxen sind in der Regel noch nicht auf seelisch belastete Patienten eingestellt und Herzpatienten berichten von genervten Ärzten. Prof. Karl-Heinz Ladwig forscht am Helmholtz Zentrum in München über die Zusammenhänge zwischen Depressionen und Herzerkrankungen und stellt fest, dass in vielen Arztpraxen kaum Zeit bleibt, um über seelische Aspekte zu sprechen. Ängste entstehen oft durch falsche Vorstellungen über die Krankheit. Da könnte Aufklärungsarbeit den Patienten viele Sorgen nehmen.
Diese Erfahrung machte auch der Münchner Journalist Helmut Bundschuh. Nach einer eigenen Herzerkrankung gründete er eine Selbsthilfegruppe für herzkranke Patienten mit seelischen Beschwerden, nachdem er bei Ärzten und Psychologen keine Unterstützung fand. „Kein Wunder“, sagt er, „das Thema Psychokardiologie steckt noch in den Kinderschuhen.“ Er versteht auch das Verhalten der Kardiologen: „Die tun, was sie gelernt haben – früher war das Herz eine rein mechanische Angelegenheit, die man reparieren konnte. Das hat viele Leben gerettet, allerdings auch seelische Krüppel hinterlassen.“
Seelische Belastungen
Einige Forscher stellten ernüchternde Zusammenhänge zwischen Herz und Kopf fest.: Bei jedem dritten Herzpatienten würden seelische Belastungen nachgewiesen, die unbehandelt zu psychischen Erkrankungen führen können. Fast jeder fünfte Herzpatient leide unter einer Depression oder Angststörung. Depression und Ängstlichkeit könne die Genesung nicht nur verzögern, sondern die Erkrankung sogar auslösen. Prof. Ladwig konnte in einer Studie nachweisen, dass 15 Prozent aller Herzerkrankungen auf Depressionen zurückzuführen sind: Wer sich permanentem Stress in der Familie und am Arbeitsplatz aussetzt, bringt sein Immunsystem, die Hormone und die psychische Stabilität durcheinander. „Zu wenige Patienten stellen diese Verknüpfung her, manche schämen sich sogar, über ihr seelisches Leiden zu reden“, sagt Helmut Bundschuh. Er fordert Herzpatienten auf, bei seelischen Belastungen auf Selbstregulierung und Selbstheilungskräfte der Psyche zu setzen. Seine Erfahrung ist, dass Selbsthilfegruppen helfen können, bevor eine Belastung zur Krankheit wird.
Im Selbsthilfezentrum München (Westendstr. 68) entstand die Gruppe "Herzkrank – ohne Ängste und Sorgen". Hier ziehen die Mitglieder Nutzen aus regelmäßigen Treffen, Vorträgen, Events, Seminaren und einer Bibliothek rund um die Genesungsmöglichkeiten – unterstützt und gefördert von den Krankenkassen und dem Selbsthilfezentrum München. Hier trifft sich die Gruppe jeden vierten Montag im Monat von 14 bis 18 Uhr, telefonische Anmeldung unter 0174/8949435.
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