Gegenstände mit Geschichte
Westend-Objekte jetzt im Stadtmuseum zu sehen
Die gelben Stangen erinnern ein wenig an Baustellen-Gerüste. "Diese Gestaltungselemente sind bewusst so gewählt, denn es ist ein Prozess, auf den wir uns einlassen", erklärt Historikerin Hannah Maischein. Zusammen mit ihren Kollegen vom Projekt "Migration bewegt die Stadt" stellt sie die neuen Objekte vor, die in die Dauerausstellung "Typisch München!" im Münchner Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz integriert wurden. An 15 Stationen wird hier zum Wechsel der Perspektive eingeladen. Und eine Reihe der Beiträge stammt aus dem Westend.
München war und ist Einwanderungsstadt – aus dieser Perspektive erforschen seit 2015 das Münchner Stadtmuseum und das Stadtarchiv München gemeinsam die Geschichte und Gegenwart der bayerischen Landeshauptstadt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zunächst wurden die Bestände in den beiden Institutionen gesichtet, die sozusagen das Gedächtnis der Stadt bilden. Dann wurde mit der Erweiterung begonnen. "Wenn man die Perspektive wechseln will, muss man zu den Menschen hingehen", sagt Historiker Simon Goeke. Wissenschaftlich ausgedrückt setzte das Team auf Partizipation. Anfangs sei es nicht einfach gewesen, das Vertrauen von Akteuren und Zeitzeugen zu gewinnen, denn nicht wenige hätten bereits negative Erfahrungen mit Behörden und der Politik gemacht. Doch nach vertrauensbildenden Maßnahmen kamen immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund mit ihren Erinnerungen auf die Forscher zu.
Zentraler Stadtteil
"Wir haben uns zunächst auf das Westend fixiert, weil das ein zentraler Stadtteil für die Erforschung von Migrationsgeschichte ist", meint Simon Goeke. Auch weil viele der dortigen Akteure "in die ganze Gesellschaft hineinwirken". Er nennt die Institutionen Donna Mobile, Griechisches Haus und Multikulturelles Jugendzentrum (MKJZ) als Anknüpfungspunkt. Nach Führungen und Erzählabenden fand im Juli 2017 schließlich im Kösk das "Museumslabor" statt. Zwei Wochen lang waren die Historiker vor Ort. Die Menschen waren aufgerufen, sich an einem Museums-Workshop zu beteiligen. Viele interessante Objekte kamen da zusammen und wurden zu einer Ausstellung gestaltet. Unter anderem stellte das MKJZ einen "Westend"-Graffiti-Schriftzug zur Verfügung, Özlem Tetik das Brautkleid ihrer Mutter. Beide Objekte sind jetzt im Münchner Stadtmuseum in die Ausstellung integriert.
Nach welchen Kriterien wurden die Stücke vom Museumslabor ausgewählt, die nun im Stadtmuseum gezeigt werden? "Schon bevor wir unsere Arbeit aufgenommen haben, gab es Empfehlungen unseres Fachbeirats, an welchen Stellen der Ausstellung die Migration besonders fehlt", erklärt Simon Goeke. Und schließlich gehe es immer darum, welche Geschichte ein Objekt erzählt. Die Frage sei immer: Sieht man dem Objekt die Geschichte an?
Tandem-Führungen
Noch interessanter wird die Ausstellung natürlich mit einer Führung, und dazu hat das Stadtmuseum eine neue Idee der Kulturvermittlung: Münchner mit Migrationshintergrund führen gemeinsam mit Mitgliedern des Kuratoren-Teams und lassen dabei ihre persönlichen Erfahrungen mit einfließen. Die ersten beiden Tandem-Führungen finden am Samstag, 29. und Sonntag, 30. September, statt. Simon Goeke vom Münchner Stadtmuseum führt am Samstag, 29. September, zusammen mit Uday Alturk, Mitbegründer des Syrischen Friedenschors durch die Ausstellung. Beginn ist um 16 Uhr. Am Sonntag, 30. September, führt Simon Goeke im Tandem mit der in Italien geborenen Historikerin Livia Novi. Beginn ist um elf Uhr. Zahlreiche weitere Termine für Tandem-Führungen sind unter www.muenchner-stadtmuseum.de zu finden. Ab 2019 werden die Akteure auch Führungen in ihrer jeweiligen Muttersprache anbieten. Die Rundgänge werden dann auf Arabisch, Bosnisch, Deutsch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch und Türkisch stattfinden.
Weitere Geschichten willkommen
Wie die Baustellen-Anmutung ausdrücken will, wird die Ausstellung keineswegs als komplett betrachtet, sondern soll ständig erweitert werden. Auch weiterhin sind Münchner mit Migrationsgeschichte herzlich eingeladen, ihre Erinnerungen beizusteuern. Im ersten Stock der Ausstellung gibt es Postkarten, auf denen in acht verschiedenen Sprachen der Aufruf "Gesucht!" aufgedruckt ist. "Wir suchen Migrationsgeschichte! Haben Sie ein Objekt oder Unterlagen, die für Ihre persönliche oder allgemein für die Migrationsgeschichte Münchens stehen?" Anhand dieser Postkarte kann direkt in der Ausstellung Kontakt aufgenommen werden. Weitere Objekte erhofft sich das Team von "Migration bewegt die Stadt" auch an zwei speziellen Aktionstagen: Wer am 27. Oktober oder am 24. November ein Objekt mit Geschichte mitbringt, erhält freien Eintritt ins Museum. Die Aktionstage finden jeweils von 10 bis 18 Uhr statt. Kostenfeie Kurz-Führungen beginnen jeweils um 11, 13 und 15 Uhr. Kurz-Führungen gibt es auch bei der Langen Nacht der Museen am Samstag, 20. Oktober. Sie beginnen um 20 und um 22 Uhr.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH