"Die Stadt steht in der Schuld"
BA 8 fordert erneut Denkmal für den Sinti-Roma-Platz
Mit einem erneuten Antrag will der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe (BA 8) die Errichtung eines Denkmals am Sinti-Roma-Platz in der Nähe des Bavariaparks vorantreiben: In einem Schreiben vom Februar fordert er daher den Stadtrat der Landeshauptstadt München auf, einen entsprechenden Wettbewerb für den Sinti-Roma-Platz auszuschreiben. „Die Sinti und Roma werden oftmals nicht in das Gesamtgedenken miteinbezogen“, so der BA in seinem Antrag. Auch der Platz der Opfer des Nationalsozialismus in der Nähe des Odeonsplatzes, auf welchem auch eine Gedenktafel für Sinti und Roma angebracht ist, stelle alleine keinen ausreichenden Erinnerungsort für diese Minderheitsgruppen dar. Vielmehr müsse den Sinti und Roma in einem eigenständigen Projekt gedacht werden.
Heftiger Kulturbruch
Neuen Antrieb hatte der Wunsch nach einem Denkmal auf dem Sinti-Roma-Platz unter anderem durch einen Kurzvortrag von Stephan Reichel auf der jüngsten BA-Sitzung erhalten. Der Bürger, der für das DGB-Bildungswerk als Stadtteilführer tätig ist und dessen Tour „Hinter der Bavaria“ auch am Sinti-Roma-Platz vorbeiführt (nächster Termin: Montag, 29. April, 15 Uhr, Treffpunkt Bavaria), war von Erich Schneeberger, Vorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma, zu einem Treffen eingeladen worden, von welchem Reichel auf der BA-Sitzung berichtete.
„Eine halbe Million Sinti und Roma sind während des Dritten Reiches umgebracht worden“, erklärte Reichel. Von den 35.000 bis 40.000 erfassten deutschen und österreichischen Sinti und Roma sind nach Angaben des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma etwa 25.000 ermordet worden. „Zudem gab es auch eine ausgeprägte deutsche Kultur der Sinti und Roma, die durch die Verfolgung und Massenvernichtung einen heftigen Bruch erleiden musste“, so Reichel weiter. Da München auch ein Zentrum der Verfolgung von Sinti und Roma war, sehe er die Stadt heute in einer besonderen Verantwortung, der Sinti und Roma zu gedenken: „Die Stadt steht hier in der Schuld“, so Stephan Reichel.
Feste Orte des Gedenkens
Zudem sei früher besonders auch die Schwanthalerhöhe mit der Theresienwiese von Leben und Kultur der Sinti und Roma geprägt gewesen: „Ende des 19. Jahrhunderts gab es am Standort des heutigen Lindengartens in der Kazmairstraße zum Beispiel einen Pferdemarkt und diese wurden traditionell sehr stark von Sinti und Roma beschickt“, so Reichel. Auch auf dem Oktoberfest waren und sind einige Sinti-Familien mit ihren Traditionsbetrieben als Schausteller vertreten. Ein Problem sei, dass gerade die Gruppe der Sinti und Roma, wenn es um öffentliches Gedenken gehe, oft hinten anstehe: „Darüber hat auch Erich Schneeberger großes Bedauern geäußert.“ Umso wichtiger sei es, im öffentlichen Raum wie etwa am Sinti-Roma-Platz feste Orte des Gedenkens zu schaffen.
Bereits im Rahmen der Stadtteiltage 2007 war am Sinti-Roma-Platz von der ortsansässigen Künstlerin Regine von Chossy ein magischer Säulenkreis aus 16 graublauen Stelen aufgestellt worden, der an die erste Deportation von Sinti und Roma am 16. Mai 1940 erinnern sollte. Obwohl Stadtteilpolitiker und Bürger dafür plädierten, das Kunstwerk dauerhaft am Sinti-Roma-Platz zu installieren, verweigerte die Stadt im Mai 2009 aus formaljuristischen Gründen die Genehmigung, da bestimmte Verfahrensschritte nicht eingehalten worden seien. Seither kämpft der BA 8 darum, wieder ein Denkmal am Sinti-Roma-Platz zu installieren, wobei der magische Stelenkreis von Regine von Chossy weiterhin großen Zuspruch erhält. Auch die Künstlerin selbst ist bereit, ihre Säulen auf dem grünen Rasenstück erneut aufzustellen: „Falls ich den Zuschlag bekommen sollte, dann würde ich auch komplett neue Stelen anfertigen und diese vandalensicher im Erdboden verankern“, so von Chossy.
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