Der Orgelflüsterer
Andreas Götz und der einzigartige Klang in St. Rupert
"1996 stand hier eine Ruine", erinnert sich Andreas Götz. Die Orgel war nicht spielbar, in ihrem Inneren fand er tote Tauben, Glassplitter und zentimeterdicke Ruß- und Dreckschichten vor. Wäre es nicht er gewesen, der damals die Stelle als Kirchenmusiker von St. Rupert antrat, dann wäre die historische Orgel entsorgt und durch ein neues "08/15-Instrument" ersetzt worden. Gegen alle Widerstände setzte Andreas Götz damals durch, dass die Orgel aus der Zeit der Spätromantik instand gesetzt wurde, für 500.000 D-Mark. "Ich möchte daran erinnern, dass die Renovierung nun schon 20 Jahre her ist", sagt der Organist. Am Sonntag, 10. Dezember, gibt er in der Kirche St. Rupert am Gollierplatz ein Jubiläumskonzert. Beginn ist um 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, es wird um Spenden für den Erhalt der Orgel gebeten.
Vor genau 20 Jahren, im Dezember 1997, gastierte der Organist von Notre-Dame in Paris, Philippe Lefebvre, zum Einweihungskonzert in St. Rupert. Seither erfreut die Orgel nicht nur die Gottesdienstbesucher, sondern entfaltet auch bei Konzerten ihre weiche Tonfärbung, die sich am Klangideal des romantischen Symphonieorchesters orientiert. Auf vier CD-Produktionen wurde der einzigartige Klang bisher festgehalten.
Mit dem Instrument verwachsen
"So eine Orgel ist vergleichbar mit einem Haus", erklärt Andreas Götz, "es gibt immer etwas zu reparieren." Die sichtbaren Pfeifen sind so ähnlich wie die Fassade: Das Meiste liegt unsichtbar dahinter.
"Das Instrument besteht aus so vielen beweglichen Teilen. Es ist viel Leder verarbeitet, das mit der Zeit porös wird. Bleirohre biegen sich durch ihr Eigengewicht durch und müssen gestützt werden. Wenn etwas nicht funktioniert, repariere ich es in Eigenregie – ich kann ja nicht wegen jeder Kleinigkeit den Orgelbauer kommen lassen", erzählt der Organist. Er braucht dann einen "treuen Helfer", der vorne die Tasten drückt, und selbst klettert er hinten in der Orgel herum. "Ich bin mit dem Instrument verwachsen", sagt Andreas Götz. "Und auch mit den lieben Leuten der Pfarrgemeinde."
Sorge bereitet ihm die anstehende Innenrenovierung der Kirche. "Bei den Bauarbeiten entsteht unweigerlich Dreck und Feuchtigkeit. Der Einfluss auf dieses filigrane Instrument ist nicht abzusehen. Was da herauskommt, wenn man die Planen wieder abnimmt, das ist die Frage." Der Orgelbauer wird unumgänglich sein – und die damit verbundenen Kosten. Auch um die zukünftige Akustik des Kirchenraums sorgt sich Andreas Götz: "Orgel und Raum gehören zusammen."
Fürs königliche Odeon
Die Orgel wurde 1887 vom königlich-bayerischen Hoforgelbaumeister Franz Borgias Maerz für das königliche Odeon gebaut, den wichtigsten Konzertsaal Münchens. Sie verfügte damals über 25 Register, die sich auf zwei Manuale und Pedal verteilten. Nach 18 Jahren musste sie einem größer dimensionierten Instrument weichen und wurde 1907 auf der Chorempore der neu errichteten St. Rupert-Kirche aufgestellt. 1933 wurde sie auf 39 Stimmen erweitert.
1999 erwarb die Kirchengemeinde eine zweite Maerz-Orgel: Die kleine Chor-Orgel mit sechs Registern wurde 1907 für die Kirche St. Leonhard in Greimharting (Chiemsee) gebaut. Mit vielen fleißigen Helfern restaurierte Andreas Götz diese Orgel in Eigenarbeit, so dass sie 2001 frei fahrbar im Kirchenschiff aufgestellt werden konnte. In Verbindung mit der großen Hauptorgel ist so auch die Aufführung von Werken für zwei Orgeln möglich.
Romantische Orgelmusik e.V.
Mit der Hauptorgel besitzt die Pfarrei St. Rupert ein überregional bedeutendes musikhistorisches Klangdokument. Um der daraus erwachsenden Verpflichtung gerecht zu werden, wurde im Jahr 2001 der Verein Romantische Orgelmusik München St. Rupert e.V. (R.O.M., Näheres unter www.romantische-orgelmusik.de) gegründet. Seine Ziele sind, die Aufführung geistlicher romantischer Musik zu fördern und die Pfarrei St. Rupert finanziell bei der Pflege und Erhaltung der Orgeln zu unterstützen.
Dem Organisten zuschauen
In der Kirchenmusik-Szene ist St. Rupert durch die Orgeln einigermaßen bekannt geworden. "Die Orgel ist in der heutigen Zeit kein Instrument der Masse. Sie ist eine Nische innerhalb des Klassik-Sektors. Und der Klassik-Sektor ist selbst schon eine Nische", meint Andreas Götz.
Vielleicht füllt sich die St.-Rupert-Kirche zum Jubiläums-Konzert am Sonntag ja trotzdem – so wie vor 20 Jahren. So wie damals wird es auch eine Videoübertragung des Organisten ins Kirchenschiff geben, so dass das Publikum dem Organisten auch beim Spielen zusehen kann.
Das Programm
Folgendes Programm hat Andreas Götz zusammengestellt – und für unsere Leser kommentiert:
Marcel Dupré (1886-1971): „Le monde dans l’attente du Sauveur“ (Die Welt in Erwartung des Heilands). "Das ist der 1. Satz aus seiner „Symphonie Passion“, die vier Stationen (des Kirchenjahres) beschreibt: Advent, Geburt, Leiden und Auferstehung Christi. Pulsierende Rhythmen bestimmen dieses Werk, Ausdruck des heidnischen Dunkels und der unruhigen, geradezu nervösen Erwartung (des Heilands)."
Johann Sebastian Bach (1685-1750): Drei Choralbearbeitungen über „Nun komm, der Heiden Heiland“: "Das uralte Adventlied inspirierte Bach zu drei völlig unterschiedlichen und wie immer kunstvoll gearbeiteten Bearbeitungen."
Max Reger (1873-1916): „Phantasie und Fuge über den Namen BACH“: "Regers Huldigung für sein Idol. Die vier Töne B-A-C-H werden in mannigfacher Weise variiert und teils große Klangmassen entfesselt. Musik aus der Entstehungszeit der Orgel von St. Rupert."
César Franck (1822-1890): Choral Nr. 2 h-Moll: "Dieses lyrische Stück spielte einst Philippe Lefebvre beim Einweihungskonzert 1997."
Marcel Dupré: Variations sur un Noël (Variationen über ein Weihnachtslied): "Hinter dem bescheidenen Titel verbirgt sich eines der virtuosesten Werke der Orgelliteratur..."
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