Demokratie erfahren
Kontroverse Zuschuss-Debatte um Theaterprojekt
Ein Theaterprojekt zum Thema Demokratie sorgte für eine kontroverse Diskussion im Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe (BA 8). Der Verein NYX e.V. stellte für das Projekt "100 Jahre 100 Pfade 100 Leute – Demokratiemodelle" beim BA 8 einen Zuschussantrag über 5.000 Euro. Die Bausteine des Projekts laufen im Rahmen der Reihe "1918/2018. Was ist Demokratie?" des städtischen Kulturreferats. Die Gesamtkosten liegen bei über 150.000 Euro.
Die Münchener Theatermacher von AKA:NYX mit Regisseurin Dorothea Schroeder und die ungarische Gruppe PanoDrama mit der Dramaturgin Anna Lengyel möchten gegen Demokratiemüdigkeit agieren und dazu den Zeitgeist vom April 1919 zurückholen: "Stellen wir uns vor: Wir haben kaum etwas zu verlieren. Unser Leben stand in den letzten vier Jahren permanent auf dem Spiel, aber wir leben noch! Viele andere nicht mehr. Wir haben Hunger, alle anderen um uns herum auch. Wir sind wütend. Wir haben es satt, hörig zu sein: Dem Obersten Heerführer gegenüber, dem Prokuristen, dem König, der Obrigkeit, dem Vater, dem System. Wir nehmen uns jetzt, was wir brauchen und gestalten die Welt so, wie wir es wollen: Alle Macht geht vom Volk aus. Alle Macht den Räten!" Davon ausgehend stellen die Theatermacher Fragen wie: Wie schafft man es heute, unsere Welt radikal anders zu denken? Keine Schere im Kopf zu haben, kein "Das geht ja sowieso nicht"? Wie können wir nur einen Tag, ein paar Stunden, kompromisslos sein? Welcher Partei oder Gruppe hätte ich angehört? Wofür würde ich mich aufstellen lassen? Wer ist heute "das Proletariat"? Wie sieht, sah oder sähe so ein Rätesystem überhaupt aus?
Geschichte nachspielen
Das Projekt plant drei "partizipative Re-enactments", das heißt, damalige Situationen sollen mit Beteiligung des Publikums nachgespielt werden. Außerdem soll ein "legislatives Theater" am Giesinger Kulturbahnhof aufgeführt werden, das auf Workshops an Schulen basiert, sowie ein Happening mit dem Titel "Bill of Rights Assembly". Hier sollen 50 geladene Gäste und 50 Zuschauer zehn unveräußerliche Grundrechte formulieren. Die Veranstaltungen finden in Giesing, am Wittelsbacher Platz und auf der Theresienwiese statt. Auch die Schulworkshops sollen stadtteilübergreifend sein.
"Sehr spannend"
"Das Projekt ist sehr spannend und hat pädagogischen Wert", meinte Sarah Seeßlen (Grüne). Der Antrag sei sehr präzise formuliert, sie begrüße die Workshops an Schulen und halte die Summe von 5.000 Euro für angemessen.
"Kaum Stadtteilbezug"
Dem mochte sich Holger Henkel (SPD) nicht anschließen. "Ich sehe kaum einen Bezug zu unserem Stadtteil. Der Veranstalter ist nicht aus unserem Viertel und unser Stadtteil wird nur am Rande gestreift. Sekundäre Kunstförderung ist nicht unsere Aufgabe." Das Projekt sei über das Kulturreferat zu fördern. Thomas Hofstätter (CSU) sah nicht den Nutzen des Projekts im Verhältnis zur Summe. "Ich plädiere für den verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern. Platt formuliert könnte man sagen: Wir haben einen Haufen Geld und schmeißen es zum Fenster raus."
Dem hielt Florian Kraus (Grüne) entgegen, dass es sehr wohl einen Unterschied mache, ob der BA 30.000 oder 100.000 Euro zu verteilen habe. Den Gedanken, nichts zu dem Projekt beizusteuern, finde er "traurig". Denn immerhin habe ja der Bezirksausschuss 8 mit seinem entsprechenden Antrag den Anstoß gegeben für das städtische Gedenken zum Thema 100 Jahre Demokratie.
BA-Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne) fasste zusammen: Der Antrag sei gut, das Bezirksausschuss-Budget sei erhöht, der BA 8 habe den Anstoß zum Gedenken gegeben und ausdrücklich Schulprojekte befürwortet. Das Thema "Was ist Demokratie" sei in der heutigen Zeit wichtig und sie sei ausdrücklich dagegen, gar nichts zu dem Projekt zu geben.
Kompromiss: 2.500 Euro
Am Ende kam es zur demokratischen Abstimmung: Für den vollen Zuschuss von 5.000 Euro stimmten die fünf Fraktionsmitglieder der Grünen und konnten sich damit nicht durchsetzen. Mit dem Kompromissvorschlag, 2.500 Euro zuzuschießen, überstimmten dann Grüne und CSU gemeinsam die SPD-Fraktion.
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