Lieber Schule als Ferien!
Die Grundschule Martinsried sieht ihre Ü-Klasse als Bereicherung für alle
Die Grundschule in Martinsried hat sich ein besonderes Motto für den Schulalltag gesucht. Es heißt „Miteinander leben lernen“. „Dabei geht es uns um den Friedensgedanken und die Toleranz“, erklärt Rektorin Margit Baran-Lander. „Wir wollen den Kindern bewusst machen, dass ein friedliches Miteinander die Grundlage für ein erfülltes Leben und für ein erfolgreiches Lernen ist.“
"Wir haben ideale Voraussetzungen"
In Martinsried bleiben dies keine leeren Worte. Denn zur Schulfamilie gehören neben Inklusionskindern ebenso Kinder aus bis zu 20 Nationen. Der Uni-Campus mit seinen Forschungsfirmen ist gleich nebenan, die ausländischen Forschungskräfte gaben seit jeher ihre Kinder in die Martinsrieder Grundschule. „Also haben wir uns im vergangenen September beim Landratsamt für eine Übergangsklasse beworben“, so Baran-Lander. „Wir haben schließlich die Erfahrungen mit anderen Sprachen und Traditionen, wir haben Räume und unser Kollegium ist motiviert. Das sind doch ideale Voraussetzungen dafür.“
„Jedem gerecht zu werden, ist für ein Riesenspagat“
In die Ü-Klasse gehen alle Kinder im Grundschulalter, die neu in Deutschland sind, sei es, weil ihre Eltern auf Asyl warten, weil die Familie hier Arbeit sucht oder die Eltern Fachkräfte auf Zeit sind. Hier geht es in erster Linie um das Deutschlernen. Aber auch Mathe und Heimat- und Sachunterricht stehen auf dem Stundenplan. „Wie in jeder anderen Grundschulklasse auch“, erklärt die Klasslehrerin Waltraud Bachmann-Zeune.
Derzeit besuchen 15 Kinder zwischen acht und elf Jahren die Ü-Klasse, doch die Zahl kann sich täglich ändern. Dieses unsichere Gruppengefüge macht die Klasse zu einer echten Herausforderung für die Klassleiterin. „Die größte Schwierigkeit ist für uns aber, dass jedes Kind mit einem anderen Leistungsniveau startet. Manche waren noch nie in einer Schule, andere können sich schon etwas einbringen und schreiben unsere Schriftzeichen. Die Bandbreite ist enorm groß. Aber genauso auffällig ist die gewaltige Lernmotivation der Kinder. Jedem gerecht zu werden, ist für uns ein Riesenspagat. Ich finde meine Arbeit hier wahnsinnig spannend. Die Eltern haben engen Kontakt zu uns und sind dankbar für unsere Schulgemeinschaft.“ Ihr schönster Lohn sei, wenn sich die Kinder wohlfühlen und Vertrauen fassen. „Die meisten sagen zu mir: Oh, bitte jetzt keine Ferien! Wir wollen lieber in die Schule kommen.“
Ehrenamtliche helfen mit
Natürlich bekomme die Klasse auch mit, was andere Familien auf der Flucht nach Deutschland erlebt, was sie hinter sich gelassen hätten, wie lange sie unterwegs gewesen oder auch welche Traditionen die Kinder in ihren Heimatländern gefolgt seien. Eigentlich könne sie gar nicht genug Hilfe bekommen, meint Bachmann-Zeune, um auf jedes Kind eingehen zu können. Die staatliche Unterstützung mit extra Lehrerstunden sei leider zu gering. Einmal wöchentlich hilft ihr die Lehramtsanwärterin Katja Fürsich. Dazu unterstützen die Ehrenamtlichen aus dem Helferkreis Pro Asyl, wo sie nur können. Es gibt Lesepaten, eine engagierte Mittagsbetreuung und natürlich die Schulfamilie.
"Die Toleranz wächst automatisch"
„Unser letztjähriges Projekt „Ich schenke dir Zeit und Freude“ hatte zum Ziel, dass sich die Kinder aufeinander einstellen konnten“, berichtet Bran-Lander. „Wir haben Filme über Flüchtlingslager gesehen, uns mit der Frage von Asylrecht beschäftigt, auch um von persönlichen Erlebnissen wegzuführen und zu zeigen, wie es in der Welt aussieht. Jede Klasse hatte die anderen zu Besuch und sich mit einem Thema vorbereitet. So ist die Ü-Klasse eine große Bereicherung für uns alle. Da wächst der Friedensgedanke und die Toleranz ganz automatisch.“
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