Raus aus dem Schatten
50 Jahre Frauenfußball: BFV zeichnet Ehrenamtliche aus
Auch wenn es im Zuge der WM vor zehn Jahren einen Hype gab, fristet der Frauenfußball in Deutschland ein Nischendasein, was die Zuschauerzahlen und die öffentliche Wahrnehmung betrifft. Dass Frauen und Mädchen gegen das runde Leder treten, ist zumindest längst nicht mehr verpönt, sondern allgemein anerkannt - ein Erfolg, bedenkt man, dass Frauenfußball bis 1970 vom Deutschen Fußballbund (DFB) offiziell verboten war.
Anlässlich des Jubiläums "50 Jahre Frauenfußball" hat der Bayerische Fußball-Verband (BFV) kürzlich, mit einem Jahr Verspätung wegen Corona, Frauen und Männer, die sich als Funktionär, Trainer oder aktiver Sportler besonders um den Frauen- und Mädchenfußball verdient gemacht haben, mit dem BFV-Sonderpreis ausgezeichnet. Auf der Anlage des FC Aschheim wurden die Sonderpreise des Bezirks Oberbayern an zwölf Ehrenamtliche übergeben, darunter Ferdinand Stern (FC Stern München), Uschi Niedermeier (FC Aschheim) und Hans-Jürgen Lukschanderl (FC Forstern). Acht weitere Frauen und Männer erhielten eine Kreisehrung, unter ihnen Wolfgang Englbrecht (SpVgg Markt Schwabener Au) und Manfred Buchhauser (FC Schwaig).
Es war mal verboten
"Es ist unvorstellbar, dass es eine Zeit gab, in der Frauenfußball offiziell verboten war. Aus unserer Sicht sollte es selbstverständlich sein, dass jedes Mädchen, das Lust auf Fußball hat, ihrem Hobby im Verein um die Ecke nachgehen kann", erklärte Sandra Hofmann, Vorsitzende des Verbands-Frauen- und Mädchenausschusses, die die Ehrung vornahm. Am 30. Juli 1955 – ein Jahr zuvor waren Deutschlands Männer Weltmeister geworden – untersagte der DFB bundesweit den Damenfußball in seinen Reihen. "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand", lautete die Begründung des von älteren Herren geprägten Verbandes.
Im März 1957 fand im Münchner Dantestadion ein inoffizielles Frauen-Länderspiel zwischen der BRD und der Niederlande statt, das die deutsche Elf vor 14.000 Schaulustigen mit 4:2 gewann. "Das Spiel wurde ein voller Erfolg, für die Fußballerinnen und für die Zuschauer", schrieb eine Tageszeitung, selbst das Fachblatt Kicker beurteilte die fußballerischen Darbietungen der Damen positiv. "Laßt sie doch Fußball spielen!", titelte ein Boulevardblatt - ein Seitenhieb an den DFB. Erst am 31. Oktober 1970 nahm der Verband den Frauenfußball in seine Satzung auf. Eine eingleisige Bundesliga gibt es seit 1997.
Unsere Region ist eine Hochburg
Die Region München ist eine kleine Hochburg des Frauen- und Mädchenfußballs. "Es gibt hier inzwischen viele Vereine, die Mädchenfußball anbieten und die Wege im Spielbetrieb sind relativ kurz", meint Uschi Niedermeier, Jugendleitung beim FC Aschheim und eine der vom Verband ausgezeichneten Ehrenamtlichen. Mit der Situation im eigenen Verein ist sie sehr zufrieden: "Seit 2019 können wir für jedes Alter Mädchen- und Frauenfußball anbieten. In diesem Jahr haben wir auch für kleine Mädchen eine Gruppe eröffnet. Der Zulauf ist aktuell sehr groß. Inzwischen spielen fast 100 Fußballerinnen beim FC Aschheim."
Auch in den höheren Spielklassen finden sich Vereine aus der Region - allen voran der FC Bayern, dessen Damen lange nicht zur nationalen Spitze gehörten, inzwischen aber vier deutsche Meisterschaften und einen DFB-Pokal holten. Lokalrivale TSV 1860 hat seit kurzem nach 38 Jahren Pause wieder eine Frauenmannschaft. Diese muss ganz unten, in der A-Klasse, anfangen, das Interesse ist mit teilweise rund 200 Zuschauern aber beachtlich. Zum Vergleich: Beim bundesliga-internen Pokalduell zwischen Bayern und Eintracht Frankfurt verliefen sich vor kurzem 687 Zuschauer in den Campus des FCB. Seit langem höherklassig etabliert ist der FFC Wacker München, der in den "Nullerjahren" sechs Jahre in der 2. Bundesliga Süd spielte und aktuell in der drittklassigen Regionalliga Süd antritt.
"Es ist kein Selbstläufer"
Eine Klasse tiefer, in der Bayernliga, geht der FC Stern München auf Torejagd. Der Verein aus Trudering schaffte es 2015 bis ins Finale des Bayerischen Pokals. "Vor 22 Jahren gab es beim FC Stern eine Frauen- und eine Mädchenmannschaft. Daraus haben sich drei Frauen- und vier Mädchenmannschaften entwickelt", erklärt Teammanager Ferdinand Stern, der zu den Geehrten des BFV gehört. "Dies war nur durch die Arbeit der jeweiligen Jugendleiter, Abteilungsleiter sowie der engagierten Trainer und Trainerinnen möglich." Natürlich sei dies kein Selbstläufer, ergänzt Stern: "Werbung in den Schulen und Schnuppertrainings sind nötig, um den Nachwuchs zu generieren." Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland stagniere hingegen, meint Stern. Als Gründe nennt er zu wenig Berichterstattung in den Medien und fehlende Sponsorengelder. "Auch gibt es leider in der deutschen Vereinslandschaft immer noch die Einstellung, dass Frauen- und Mädchenfußball kein richtiger Fußball wäre."
In eine ähnliche Kerbe schlägt Hans-Jürgen Lukschanderl, Sportlicher Leiter beim FC Forstern, auch er Träger des BFV-Sonderpreises: "Die Frauen werden in den Medien viel zu wenig beachtet. Ein Regionalligateam bekommt genauso viele Zeilen in der Zeitung wie ein Bezirksligateam bei den Herren. Ebenso werden wir meiner Meinung nach vom Verband in finanzieller Sicht sehr benachteiligt." Schlimm sei die Begründung, "Frauen lassen sich nicht so vermarkten", ergänzt Lukschanderl.
Jugendarbeit ist Basis für Erfolg
Die Gemeinde Forstern im Süden des Landkreises Erding hat rund 3.700 Einwohner und seit drei Jahren einen Fußball-Regionalligisten. Die Damen des FC Forstern holten zudem zweimal den Bayerischen Pokal, qualifizierten sich so für den DFB-Pokal. Im November 2018 trat mit dem VfL Wolfsburg eine absolute Spitzenmannschaft zum Pokal-Achtelfinale in Forstern an. 2.000 Zuschauer waren dabei, als die tapferen Kickerinnen aus dem Kreis Erding gegen internationale Stars wie Pernille Harder oder Nilla Fischer mit 0:9 unterlagen. So viel Aufmerksamkeit genießt Forstern sonst nicht: Bis vor kurzem gab es zum Beispiel auf der Wikipedia-Seite über die Gemeinde keinen Hinweis auf die erfolgreichen Fußballerinnen.
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des FC Forstern ist die Jugendarbeit. "Wir sind stolz, dass unsere Frauenteams zu 85 Prozent aus eigenen Jugendspielerinnen bestehen", betont Lukschanderl. Die Entwicklung sei die vergangenen Jahren kontinuierlich vorangetrieben worden, sagt der Sportliche Leiter: "Es waren oft kleine Schritte, die sich erst Jahre später bemerkbar gemacht haben - wie jetzt die Kooperation mit den Mädchen aus Moosinning." Viele kleine Schritte - wohl der einzige Weg, den der Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland gehen kann.
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