Zum Innehalten: Wegkreuze in unserem Stadtbezirk
Stadtteilhistoriker Walter G. Demmel berichtet
Nach dem Experten für traditionelle katholische Zeichen des Glaubens an Wegen und Straßen, auf Fluren und Höfen in Bayern, Hans Schertl, unterscheidet man zwischen Wegkreuzen, Marterln und Bildstöcken, bei denen in früheren Zeiten von Vorbeigehenden der Hut gezogen und ein Gebet gemurmelt wurde. Von Schertl sind im Internet aus dem Kreis Dachau Hunderte dieser Glaubenszeichen zu finden. In meinem Beitrag wird jedoch nur von den Wegkreuzen, die in der Regel überdacht, hölzern und manchmal mit einem Spruch versehen sind, die Rede sein. In der Münchner Innenstadt gibt es keine Wegkreuze. Wir bleiben bei Rot an Ampeln stehen und murmeln auch, aber nicht, weil wir innehalten wollen, sondern, weil wir stehen bleiben müssen. Bei Grün geht's dann wieder los!
Die Münchner Stadt ist von diesen Acker-, Flur- und Wegkreuzen umgeben. Der Verein Münchner Stadtteilgeschichte e.V. ließ 1987 von fleißigen Heimatforschern eine Aufstellung in ihrem Stadtbezirk machen. Seither lagern die Ergebnisse vermutlich in einem Archiv und sind inzwischen, wie hier gezeigt, überholt.
Untermenzinger Wegkreuze
1. Am Montag, 15. August 2011 um 16 Uhr, wurde ein neues Wegkreuz an der Ecke Bauseweinallee/Schneider-Ulrich-Weg (Bild 1) durch Pfarrer Martin Joseph und Diakon Franz Agerer unter unerwartet großer Beteiligung der nahen und weiteren Nachbarschaft feierlich eingeweiht. Ein kleiner Umtrunk und Imbiß gab Möglichkeiten zum Gedankenaustausch. So hatte es der Münchner Wochen-Anzeiger vom 09.08.2011 angekündigt und so verlief es nach Auskunft einiger Beteiligter. Sicher ist dies nun das Jüngste der Wegkreuze unseres Stadtbezirks, das auf dem Grund der Familie Agerer steht. Die Familien Agerer/Friedl sind aus privaten Gründen die Stifter. Aber auch die anderen Kreuze werden im Folgenden hinreichend dargestellt werden. Wer weiß von weiteren ehemaligen Kreuzen im Stadtbezirk oder kann zu den folgenden etwas ergänzen?
Zum Ballauf-Kreuz (Bild 2): Das Kreuz, dessen Erstaufstellung auch der Familie nicht bekannt ist, wurde 1962 durch den benachbarten Schreinermeister Schrödl renoviert und befindet sich heute auf dem Grundstück Allacher-Str. 260. Man kann zwar noch innehalten, ist jedoch tagsüber dem lauten Verkehr ausgesetzt, aber an der früheren Ballaufstraße war sicher noch Zeit zum „Hut ziehen".
Das Eschenweck-Kreuz (Bild 3) in der Allacher Str. 249 wurde nach Auskunft der Familie Anfang der 20er Jahre von dem aus Neuhausen zugezogenen Bauunternehmer Eschenweck gestiftet und steht nach einigen Renovierungen und einer Versetzung an der heutigen verkehrsumbrandeten Stelle. Eine Besonderheit ist die Lourdesgrotte aus Tuffstein mit Marienfigur.
Bis heute unbekannt ist der Stifter des Wegkreuzes zwischen Kunstmann und Finsterwalderstraße (Bild 4). Das überdachte Kreuz steht auf einem kleinen Wiesengrundstück, das vermutlich einen privaten Besitzer hatte und heute von einigen Bäumen und Sträuchern bestanden ist. Ältere benachbarte Mitbürger erinnern sich an die Benennung „Nagerlwiese", was im bayerischen Sprachgebrauch Wiese mit Nelken bedeutet.
Das Kreuz an der Einmündung der Fresenius in die Menzinger Straße (Bild 5) kann noch Untermenzing zugerechnet werden, weil die dahinter stehende Linde die Gemarkungsgrenze bildet. Das kleine Rasenteil ist heute städtisch und gehörte früher der Familie Dr.med. Ketterle, die hier 1963 baute und zunächst das Kreuz übernahm, dann aber nach einer Grundstücksabtretung der Stadtverwaltung übergab.
Das Schmotz-Kreuz (Bild 6) an der Ecke Eversbusch-/Auenbruggerstraße steht vor einer hohen Thujenhecke, hinter der wir einen ehemaligen Dorfweiher sehen. Es wurde um 1900 durch den Hofeigentümer aufgestellt. Der Hof in der heutigen Eversbuschstr. 54 ist noch teilweise vorhanden, der jetzige Eigentümer des Kreuzes ist Mathias Grandl.
Das Kreuz zwischen Von-Kahr- und Pippingerstraße (Bild 7) steht nahe dem Biergarten Inselmühle, stand früher etwa 20 m weiter westlich und gehörte Josef Grandl in der Menzinger Str. 207, jetzt Von-Kahr-Str. 85, deswegen auch Grandl-Kreuz genannt. Der Hof, heute ohne Landwirtschaft ist seit 1636 im Besitz der Familie.
Der ehemalige Standort des Grasmoar-Kreuzes (Grasmaier, später Großmann), das sich heute an der Südseite der St. Martin-Kirche (Bild 8) befindet, ist nicht bekannt, es gehörte jedoch zum Hof an der Eversbuschstr. 24. Vermutlich übernahm die Kirche das Kreuz, als der Hof in den 80er Jahren zur gewerblichen Nutzung umgebaut wurde.
Allacher Wegkreuze
Der Gartenbauverein, der 2002 gegründet wurde und heute vielen Gartenliebhabern mit Rat und Tat zur Seite steht, hat im Jahr 2007 dieses Wegkreuz gestiftet und stadtauswärts auf der rechten Seite des Paul-Ehrlich-Wegs (Bild 9) etwas zurückgesetzt am Streuobstweg aufgestellt. Es ist das zweitjüngste Kreuz des Stadtbezirks.
Das Lippweg-Kreuz (Bild 10), das Maria Preis aus der Eversbuschstr. 141 zum Eucharistischen Weltkongreß München 1960 gestiftet hatte, wurde am 31.05.1960 zugleich mit der letzten Maiandacht des Jahres in einer Lichterprozession von der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt zum Feldkreuz eingeweiht. Es befindet sich heute auf der Nordseite des Lippsweges.
Das Iderl-Kreuz mit dem Standort Am Lochholz/Rudorffstr. (Bild 11) trägt, wie auf dem Bild gut erkennbar, die Einritzung AD 1944. Das Kreuz steht zwischen einer hohen Baumgruppe und ist im Sommer leicht zu übersehen. Es wurde aufgestellt vom Hofeigentümer Iderl (früher Niederl), ein Hof in der heutigen Eversbuschstr. 151.
Das Kreuz am Kreuzacker (Bild 12) ist vermutlich das älteste Wegkreuz unseres Stadtbezirks und wurde, wie der verdiente Heimatforscher Josef Tausch in seiner Aufstellung von 1987 schreibt, vom Hofeigentümer „Zum Wagner" um 1880 aufgestellt. Auch unter diesem Christus-Korpus befindet sich eine Marienfigur. Da das als Eigenbau des Bauern entstandene Kreuz stark verwittert war, wurde es 1993 ansehnlich renoviert.
Das Sigerer-Kreuz an der Nordseite der Kleselstraße bei der Einmündung der Servetstraße (Bild 13) ist das Feldkreuz des Sigererhofes an der heutigen Eversbuschstr. 185. Unter dem Christus-Korpus sehen wir eine Madonna und darunter auf einem ovalen Holzschild den arg verblichenen Spruch, der nach Auskunft von Ernst Rudolph in seinem neuen Stadtteilbuch: "Der Mensch lebt so dahin und nimmt sich nicht in Acht, dass jeder Augenblick das Leben kürzer macht." lauten soll.
Das Kreuz an der Einmündung der Schöll- in die Pasteurstraße (Bild 14) stammt aus den 1890er Jahren und steht auf dem sog. Schweizerhubergrund und ist wegen Renovierung durch Schrödl 1976 in einem guten Zustand. Das Anwesen in der heutigen Eversbuschstraße 194 wurde in den letzten Jahrzehnten erweitert und unterschiedlich gewerblich genutzt, das Kreuz steht in einiger Entfernung. Eigentümer ist heute Georg Huber.
An der ursprünglichen Stelle heute nicht mehr auffindbar ist das Heiland-Kreuz, das an der Einmündung der Franz-Nißl- in die Georg-Reismüller-Straße (Bild 15) stand. Heimatforscher Josef Tausch, der für den Verein Münchner Stadtteilgeschichte e.V. eine höchst verdienstvolle Zusammenstellung und Beschreibung der damaligen Wegkreuze leistete, berichtete 1987, dass nach einigem Hin und Her das Kreuz auf dem Grundstück der Familie Spiegl, Hadinger Weg 8 in Karlsfeld aufgestellt wurde.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH