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"Wo ein Wille ist"

Sollner Lokalrunde diskutiert Vereinsleben, Verkehr und Zuzug

Die Münchner Wochenanzeiger haben zum Gespräch gebeten: Mit Händlern und Lokalpolitikern ging es um Herausforderungen, vor denen Solln steht. (Bild: Elisabeth Schönberger)

In Zurückhaltung übt sich der Sollner nur gelegentlich. Das beweist Werner Rosenbaum, Inhaber von Mickys Schuhhaus an der Diefenbachstraße 47, gleich zu Beginn der Runde "Wir sprechen uns" im Alten Wirt Forstenried an der Forstenrieder Allee 187: "Am meisten ärgert mich, dass es den Verein 'Wir Sollner' in Zukunft nicht mehr geben wird." Die Münchner Wochenanzeiger haben Rosenbaum und andere Sollner Einzelhändler, Lokalpolitiker und Ehrenamtler eingeladen, sich über ihr Viertel zu unterhalten. Es geht um Herausforderungen, das Miteinander, um Lebensqualität.

"Geschätzt und geliebt"

Eine Herausforderung, das ist das Aus von "Wir Sollner" allemal. "Der Gewerbeverein war über 20 Jahre lang aktiv, wir haben sehr viele Veranstaltungen organisiert", erklärt Rosenbaum, "Christkindlmärkte oder Weinfeste – all das, was der Sollner Bürger geschätzt und geliebt hat." Über den Verein habe man der Nachbarschaft vermittelt "die Sollner Geschäftswelt tut etwas, die nehmen nicht nur unser Geld, sondern geben auch etwas zurück." Heute befindet sich der Verein in Auflösung. Aufgrund interner Querelen und Überlastung im Vorstand war ein Ende die einzig realistische Lösung.

"Blick nach vorne"

Rosenbaum: "Jetzt habe ich die Befürchtung, dass hier gar nichts mehr passiert." Bettina Huber, Inhaberin von Edward&Son an der Friedastraße 23: "Ich war auch Mitglied im Verein und natürlich stimme ich zu, dass das Aus schade ist, aber wir müssen anerkennen, dass unser Viertel im Wandel ist. Nicht alle Einzelhändler konnten sich zuletzt mit der Philosophie von 'Wir Sollner' identifizieren." Aus dieser Veränderung könne auch Neues entstehen, "ich finde einen Blick nach vorne immer schön". Huber hat nicht nur den Blick nach vorne gerichtet – sie ist aktiv geworden in der Initiative "Upper Solln", einem losen Zusammenschluss verschiedener Händler: "Wir machen einfach spontan etwas, gehen zu Geschäftsinhabern und geben ihnen die Möglichkeit, sich anzuschließen."

"Wir waren Freunde"

Rosenbaum: "Aber nicht alle werden eingebunden. Außerdem sind Aktionen in der Größenordnung der 'Wir Sollner' für 'Upper Solln' nicht zu stemmen. Verein bedeutet Ehrenamt, das ist nicht nur Spaß, sondern richtig viel Arbeit. Daran sind die 'Wir Sollner' schließlich auch zerbröselt." Zum Erfolg eines Zusammenschlusses brauche es Liebe und Freude an der Arbeit, außerdem Menschen, die an einem Strang ziehen.

Manfred Freisinger von der Sollner Schuhecke an der Grünbauerstraße 4: "Das war der Hauptgrund, warum die 'Wir Sollner' 20 Jahren lang gut funktioniert haben. Wir waren Freunde." Rosenbaum und Freisinger wissen, wovon sie sprechen: Seit Jahren waren sie bei den "Wir Sollnern" engagiert.

Matthias Schlessmann, Inhaber der Biowelt Schlessmann an der Schuchstraße 46, ist dagegen Neuling im Viertel. Seit eineinhalb Jahren lebt und arbeitet er im Münchner Süden. Aber auch Schlessmann weiß um die Relevanz von Zusammenarbeit: "Wie eine zukünftige Initiative genau aussieht, kann man abstimmen. Es ist zunächst nur wichtig, dass das Ende des Vereins nicht das Ende des Ganzen ist. Wir müssen das Viertel irgendwie beleben. Es wäre unschön, würde der Einzelhandel weiter zurückgedrängt." Es gebe schließlich regen Zuzug nach Solln, "neue Anwohner fragen nach Läden, nicht jeder weiß, wo es was zu kaufen gibt, da kommen wir gemeinsam viel weiter."

"Inhaltlichen Konsens finden"

Freisinger: "Das ist richtig, wir müssen vernetzt bleiben, aber es stellt sich schon die Frage: Wer macht das dann wieder? Es braucht jemanden, der entscheidet und umsetzt." Huber gibt zu bedenken: "Man muss ja auch erst einmal einen inhaltlichen Konsens finden, in Solln gibt es viele Individualisten."

Ludwig Weidinger, Vorsitzender des Bezirksausschusses Thalkirchen, Obersendling, Forstenried, Fürstenried, Solln (BA 19): "Zumindest einig sind sich ja alle, dass man zusammenkommen muss. Ein dezentrales Aufstellen auch abseits der Innenstadt ist für den Handel wichtig, und da ist Solln mit Ladenstruktur an drei Orten gut dabei." Ein Gedanke, den Huber aufgreift: "Wir könnten optimal die Wege zueinander nutzen: vielleicht einmal über Fahrradrouten aufzeigen, welche Läden wo liegen und wie man am schnellsten dorthin kommt."

"Es muss eine gemeinsame Lösung her"

Anke Sponer, BA 19 Mitglied und Vorsitzende des Elternbeirats der Samberger Grundschule sowie Vorsitzende des Vereins Verkehrsberuhigung München: "Ich habe hier viele Stichworte gehört, die ich gerne zusammenführen würde: Wir alle erkennen an, dass das Viertel eine Trendwende macht, Zuwachs ist ein riesen Thema, gerade Familien kommen hierher." Es sei klar, dass Klein gegen Klein keine Chance habe, weder im Handel, noch im privaten Zusammenleben. "Es muss eine gemeinsame Lösung her." Gerade die Idee der Fahrradrouten sagt Sponer zu: "Immer mehr junge Menschen leben hier, die wollen ganz anders mobil sein. Da ist auch die Stadt in der Pflicht, sie muss multioptional anbieten, eine Taktverdichtung bei den Öffentlichen, aber auch mehr und bessere Radwege." Sie müsse morgens quer durch das ganze Viertel, "das ist mit dem Radl eine echte Herausforderung." Schlessmann: "Ich habe viele ältere Kunden, viele erzählen mir, dass sie sich gar nicht mehr trauen, Rad zu fahren, weil es so eng ist."

"Multioptional anbieten"

Weidinger: "Wenn ich in Solln zwei Geschäfte anfahren möchte, habe ich bereits ein Problem – wenn ich einmal den Bus verpasst habe und 20 Minuten auf den nächsten warten muss, mache ich das nie wieder. Da habe ich nur die Wahl zwischen Auto und Rad." Das schade dem Einzelhandel und verstärke den Verkehr unnötig. Die Stadt München lege Handel und lebendigem Viertel aber auch anderswo Steine in den Weg. Rosenbaum: "Wenn in Pullach jemand einen verkaufsoffenen Sonntag vorschlägt, dann ist die Gemeinde dabei, da wird sogar die Infrastruktur bereit gestellt." In der Landeshauptstadt gebe es Late Night Shopping dagegen nur in der Innenstadt, der Einzelhandel in den Vierteln habe keine Chance auf eine Genehmigung.

"Bedürfnis der Bürger ist da"

Weidinger: "Dabei braucht es lokale Zentren, die in irgendeiner Form gefördert werden müssen. Aus Sicht des Bezirksausschusses ist es erfreulich, wenn etwas los ist im Viertel, dafür waren wir den 'Wir Sollnern' immer dankbar." Huber: "Das Bedürfnis der Bürger ist auf jeden Fall da." Sponer: "Fakt ist ja, dass alle hier am Tisch grundsätzlich bereit sind, sich etwas zu überlegen." Das sei schon einmal eine gute Basis und erster Ansatz, den es weiter zu verfolgen gelte. Zum Schluss der Gesprächsrunde ist es abermals Rosenbaum, der ohne Zurückhaltung ausspricht, worauf es ankommt: "Wo ein Wille ist, da funktioniert das auch." Die Münchner Wochenanzeiger drücken die Daumen.

"Vielseitig und offen"

Sie haben kontrovers diskutiert und sind sich doch einig, dass es sich lohnt, den Herausforderungen, vor denen Solln steht, aktiv zu begegnen. Dafür haben die Teilnehmer unseres Gesprächs jeweils eigene, gute Gründe:

Bettina Huber: "Ich schätze, dass Solln so vielseitig und offen ist. Durch neue Nachbarn entsteht eine andere Struktur, der Wandel gefällt mir sehr, es pulsiert – das finde ich gut."

Werner Rosenbaum: "Wir sind das Dorf in der Großstadt. In gewissen Dingen sind wir ländlich geblieben: Jeder kennt jeden, man ist vernetzt, vor der Haustüre warten Wald und Grün. Und dennoch sind wir in zehn Minuten am Marienplatz."

Manfred Freisinger: "Ich mag den Dorfcharakter, das viele Grün."

Ludwig Weidinger: "Solln hat noch viele Vereine. Es bietet im Prinzip alles, von Hochhaus bis Villa."

Matthias Schlessmann: "Das Viertel ist für mich Lebensqualität, außerdem sind die Menschen großartig."

Anke Sponer: "Für Familien bietet Solln eine hohe Lebensqualität, viele Grünflächen. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, das trotz des Zuzugs-Wahns zu erhalten. Ich selbst und auch meine Kinder sollen hier gut und vor allem gesund leben."

Wir sprechen uns

München ist schön – weil es aus so vielen liebenswerten Stadtteilen besteht. Jeder ist anders geprägt, jeder hat seinen eigenen Charme. Die Münchner Wochenanzeiger laden in loser Folge Bewohner ein, über ihr Viertel zu sprechen. Nachbarschaft und Zusammenhalt werden gelebt. Beides hilft, anstehende Aufgaben zu bewältigen. 
Unsere Serie beschäftigt sich diesmal mit Solln.

Unsere Gäste im Überblick:

Ludwig Weidinger: Vorsitzender des Bezirksausschusses Thalkirchen, Obersendling, Forstenried, Fürstenried, Solln (BA 19)

Anke Sponer: Mitglied des BA 19, Vorsitzende des Elternbeirates der Samberger Grundschule sowie Vorsitzende des Vereins Verkehrsberuhigung München

Matthias Schlessmann: Inhaber Biowelt Schlessmann an der Schuchstraße 46

Werner Rosenbaum: Inhaber Mickys Schuhhaus an der Diefenbachstraße 47

Bettina Huber: Inhaberin Edward&Son an der Friedastraße 23

Manfred Freisinger: Sollner Schuhecke an der Grünbauerstraße 4

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