"Oma, versuch doch das Smartphone"
Handysprechstunde macht Alte fit
"Und wie komme ich von den Buchstaben zu den Zahlen?", erkundigt sich Gudrun Bittner bei Paul Schöniger: "Ach das ist ganz leicht, Sie drücken einfach einmal hier und die Tastatur ändert sich entsprechend." Die alte Dame beugt sich über das Smartphone in Schönigers Hand und nimmt es dem jungen Mann kurz entschlossen ab; sie will seine Anleitung direkt ausprobieren. Einmal, zweimal, noch etwas unsicheres Fingertippen auf dem Display, dann klappt es - Bittner strahlt.
Gute Fee im Haus
Es ist Handysprechstunde im Alten- und Servicezentrum (ASZ) Solln-Forstenried an der Herterichstraße 58. Immer dienstags von 11 Uhr an steht Paul Schöniger für eine Stunde den Gästen des Zentrums zur Verfügung und erklärt ihnen in Einzelterminen, wie man Herr über das eigene Smartphone wird. Schöniger macht im ASZ seinen Bundesfreiwilligendienst. Eigentlich war ein Jahr angedacht, inzwischen hat er weitere sechs Monate angehängt, die Arbeit macht ihm einfach großen Spaß. "Ich bin die gute Fee im Haus", lacht Schöniger, "ich kümmere mich um alles was anfällt, Verwaltungs- und Hauswirtschaftsaufgaben." Oder eben um die Smartphone-Kompetenz der Besucher.
Teil der Kommunikation bleiben
Gudrun Bittner hat ihr Telefon mehr oder weniger freiwillig auf Anraten ihrer Verwandten bekommen. "'Oma, versuch doch das Smartphone einmal', haben meine Enkel zu mir gesagt", erklärt Bittner. "Es interessiert mich ja auch, schließlich will ich Teil der Kommunikation meiner Familie bleiben." Damit das gut klappt, ist Bittner heute im ASZ und lässt sich von Paul Schöniger zeigen, was ihr Gerät kann. Aller Anfang ist schwer, auch für die 78-Jährige: "Diese Handys haben eine ganz eigene Sprache, vieles läuft über Symbole, manches ist auf Englisch, daran muss ich mich gewöhnen." Schöniger weiß, dass die Bildsprache der Apps und die vielen Anglizismen im System der Smartphones nicht einfach sind. Mit Geduld und Ruhe erklärt er Schritt für Schritt wie die einzelnen Funktionen des Telefons aufgebaut sind. Unterschiedliche Anwendungen kommen zur Sprache, Grundlegendes wird ausprobiert: Was passiert, wenn ich die Home-Taste drücke, wie speichere ich Kontakte oder rufe jemanden an.
Tücken für jede Generation
Dann soll der nächste Schritt folgen; Schöniger will das E-Mail-Konto einrichten, das Bittner braucht, um Apps herunterladen zu können. Es zeigt sich - ein Smartphone hält für jede Generation Tücken bereit: Schritt für Schritt erstellen die beiden das Konto; geben einen Namen ein, beantworten Sicherheitsfragen und legen ein Passwort fest. Zuletzt muss der Anbieter das Konto bestätigen. Das Smartphone macht einen leisen Piepton: "Leider kann das Konto nicht verifiziert werden" steht da mit blinkendem Button auf dem Display. Bittner und Schöniger ähneln sich plötzlich sehr - statt in ein ratloses Gesicht, blickt man nun in zwei. "Das ist mir noch nie passiert", stöhnt Schöniger. Zunehmend ärgerlich tippt er unterschiedliche Alternativen zum ursprünglichen Namen ein und ändert das Passwort - mehrmals. Jedes Mal wieder ein kleines Piepen und der blinkende Button. "Das ist sehr nervig, weil das grundsätzlich eine einfache Sache ist", ärgert sich Schöniger. "Es eilt nicht", beruhigt Bittner ihren Lehrer, "ich bin so lange ohne das Ding ausgekommen, da macht ein Tag mehr keinen Unterschied." Ein bisschen schmunzeln muss sie aber schon: "Es freut mich ja fast ein bisschen, wenn auch so ein kompetenter junger Mann einmal über die Technik stolpert."
"Uns geht es gut mit dir"
In dieser Handysprechstunde gehen die beiden dem Auslöser des Konto-Problems nicht mehr auf den Grund. Das ist nicht weiter schlimm, weil Bittner dennoch viel gelernt hat; Anrufe tätigen oder Nachrichten schreiben. Und auch Schöniger hat aus der Sprechstunde Entscheidendes mitgenommen: In Zeiten der ständigen Erreichbarkeit und der neuesten Technik ist es kein Beinbruch, wenn einmal etwas ein bisschen länger dauert - dann versucht man es eben wieder. "Uns geht es einfach gut mit dir, ob mit Telefon oder ohne", sagt Bittner zu dem Bundesfreiwilligendienstler.
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