136 Kita-Plätze stehen auf der Kippe
Nachbar stoppt Bau des fast fertigen Kinderhauses
Im Februar sollte das 4,75 Millionen Euro teuere Kinderhaus in der Herterichstraße 30 fertig sein, im Juni sollten die ersten Kinder dort spielen. Eigentlich. Doch nun herrscht Stillstand auf dem Gelände gegenüber der Grundschule. Ein Nachbar befürchtet Lärmbelästigung und legte Klage ein. Grundlage dafür bildet ein Lärmgutachten. Nun bekam der Anwohner vom Bayerischen Verwaltungsgericht Recht. Die bereits im Oktober 2012 begonnenen und inzwischen unmittelbar vor dem Abschluss stehenden Arbeiten wurden auf Anordnung des Baureferats vorsorglich gestoppt. Damit sind 136 Betreuungsplätze (für die die Anmeldung längst läuft) in Gefahr.
Neues Haus sollte Lücke schließen
Das Betreuungsangebot in Solln ist knapp. Das Kinderhaus ist eine städtische Kooperationseinrichtung, in der Krippe (drei Gruppen), Kindergarten (zwei Gruppen) sowie Hort (zwei Gruppen für 50 Schüler) untergebracht werden sollen.
Viele Eltern zählen auf diese Plätze. "Es sind sicher auch Eltern und Kinder aus unserer Schule betroffen. Allerdings waren die Einschreibungen ja noch nicht, ich kenne also noch keine Zahlen", sagt Karin Ackermann, Leiterin der Grundschule an der Herterichstraße. Doch so viel steht fest: Die Betreuungsangebote der Schule "platzen aus allen Nähten". Zum einen gibt es die Mittagsbetreuung "Karfunkel", die im Schulhaus Räume nutzen, zum anderen die MITA, die die Kinder extern betreut. Auf ihrer Internetseite betont die MITA, dass für das Schuljahr 2014/15 bereits 30 Kinder auf der Warteliste stehen. Gleichzeitig wird auf das neue Kinderhaus verwiesen.
Niemand weiß, wie es weitergeht
Bereits vor zwei Jahren hatte Stadtschulrat Rainer Schweppe bei Klagen über die beengte Situation in der Herterichschule auf das - nun leer stehende - Kinderhaus verwiesen: Der Bau sollte für eine "deutlichen Entspannung" in der Schule sorgen, weil die bisher in der Schule untergebrachte Kindergartengruppe dorthin umziehen könnte, so dass Schulräume wieder anderweitig genutzt werden könnten.
Doch im Moment weiß niemand, wie und wann es weitergeht. "Dazu kann man gar nichts sagen", so Karolin Franzke von der Pressestelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts. "Uns liegt das schriftliche Urteil des Verwaltungsgerichts noch nicht vor. Das müssen wir jetzt erst einmal abwarten", sagt Thorsten Vogel vom städt. Planungsreferat. Dann könnten weitere Schritte überlegt werden. "Die nächste Instanz wäre der Bayerische Verwaltungsgerichtshof."
Stadt soll Rechtsmittel einlegen
Entsetzt über die Klage zeigte sich der Bezirksausschuss (BA) 19 in seiner Sitzung. "Es kann nicht sein, dass hier ein solches Chaos verursacht wird. Wer in einer Großstadt lebt, muss auch mit Dingen der Großstadt umgehen", sagte BA-Vorsitzender Hans Bauer. Und Micky Wenngatz betonte: "Diese Kinderbetreuungsplätze sind dringend notwendig. Die Eltern verlassen sich darauf." Es müsse alles getan werden, um einen schnellen Weiterbau zu gewährleisten. In einem einstimmig angenommenen Dringlichkeitsantrag appelliert das Gremium an den Kläger, seine Position noch einmal zu überdenken. Zudem wird die Stadt München dazu aufgefordert, sofort Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen und alles vorzubereiten, damit Weiterbau und Fertigstellung des Kinderhauses gesichert sind. Notfalls müsse eben eine Lärmschutzmauer um das Kinderhaus gebaut werden, hieß es in der Sitzung.
"Es ist sehr bedauerlich, dass es einem Einzelnen gelingt, die Inbetriebnahme des Hauses zu verzögern", äußerte sich Christian Amlong (stellv. Sprecher im Planungsausschuss des Stadtrates) gegenüber dem Münchner Wochenanzeiger. Den Vorschlag des Gerichts, die Zahl der an der Herterichstraße betreuten Kinder zu verkleinern, hält er für keine Lösung. "Wir drängen auf eine Berufung", unterstrich der SPD-Stadtrat Amlong.
Wie helfen die OB-Kandidaten?
"Wie setzen Sie als Oberbürgermeister (-in) die Inbetriebnahme des Kinderhauses durch?" haben wir alle vier Kandidaten gefragt. Deren Antworten:
Dieter Reiter (SPD): Nachbarn sollen Position überdenken
"Spielende Kinder sind für mich Zukunftsmusik und keine Lärmbelästigung. Der Baustopp ist für die betroffenen Eltern und Kinder natürlich eine Katastrophe. Deshalb appelliere ich an die Nachbarn, die die Klage eingereicht haben, ihre Position noch einmal zu überdenken. Ich bin gesprächsbereit. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wird von mir ohne jeden Zweifel weiter vorangetrieben. Und ich will mich dafür einsetzen, dass solche Konflikte in Zukunft nicht vor Gericht, sondern am runden Tisch gelöst werden können."
Josef Schmid (CSU): Appell an Solidarität der Nachbarn
„Ich appelliere beim Entstehen von mehr Kinderbetreuungsplätzen an die Solidarität gerade der Nachbarn! Der jetzt verfügte Baustopp bringt 140 Familien in arge Bedrängnis. Wir müssen jetzt gegen das Urteil die zulässigen Rechtsmittel einlegen. Wenn die zweite Instanz die Ansicht der ersten Instanz bestätigen sollte, müssen sofort entsprechende bauliche Veränderungen erfolgen, um den Betrieb der Kita rechtzeitig zu gewährleisten.“
Sabine Nallinger (Grüne): Stadt soll auch mal streiten
"Ich bin der Meinung, dass der Ausbau der Kinderbetreuung einer der dringendsten Punkte auf der Agenda der Stadt München sein sollte. Der Baustopp eines bereits nahezu fertigen Hauses wegen einer Nachbarklage ist ein echter Rückschlag auf dem Weg zur optimalen Betreuungssituation. Ich finde, die Stadt sollte bei so wichtigen Themen auch mal streiten. Sich klar pro Kinderbetreuung aussprechen. Und sich damit aktiv für Familien einsetzen!"
Michael Mattar (FDP): Eltern warten auf schnelle Lösung
"Der Baustopp einer dringend benötigten Kita ist mehr als ärgerlich. Leider gelang keine einvernehmliche Lösung mit einem Nachbarn. Nun muss alles getan werden, um die Fertigstellung der Kita kurzfristig zu ermöglichen. Natürlich muss in einem Rechtsstaat die Stadt die gerichtlichen Auflagen erfüllen, wenn nicht die Stadt in Revision gehen und damit ein höheres Gericht anrufen will. Die Chancen für eine Revision können aber erst nach Vorlage der Begründung des Gerichts beurteilt werden. Mir geht es hier allerdings um eine schnelle Lösung des Problems, da die Eltern auf die Eröffnung der Kita warten."
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