"Wollen die das wirklich?"
Großmarkt: Zweifel an der Umsetzbarkeit des Stadtratsbeschlusses

SIe fordern Antworten (von links): Hans Buchhierl (Standortinitiative), Christian Waibl (erster Vorstand der Erzeugergemeinschaft der Gärtner) und Oliver Rob (Standortinitiative). (Foto: job)
Unmittelbar vor den Sommerferien hat sich der Münchner Stadtrat für den Neubau der Großmarkthalle auf dem seit über 100 Jahren genutzten Areal in Sendling ausgesprochen. Die Händler (über 400 Firmen sind am Großmarkt tätig) hatten auf ein klares Votum gehofft, nachdem sie seit Jahren auf Planungssicherheit drängen. Doch der Stadtrat hatte im Juli nicht nur "Ja" zu Sendling gesagt, sondern zugleich die bis dahin bestehenden Vorplanungen (für die immerhin mehr als 8 Millionen Euro ausgegeben wurden) aufgegeben. Stattdessen hat er sich für ein "Investorenmodell" entschieden. Ein in monatelanger Arbeit erstelltes, detailliertes 150-Seiten-Konzept (es sah u.a. einen 500 m langen Terminal-Riegel an der Thalkirchner Straße vor, der auch als Lärmschutz für das Viertel gedient hätte) wurde durch ein zweiseitiges Papier mit nur sehr groben Vorgaben ersetzt. Und so stehen die Händler auch zwei Monate nach dem Stadtratsbeschluss vor dem alten Problem: Sie wissen nicht, wie es weiter geht.
War es nur ein Lippenbekenntnis?
Der Standpunkt der Händler ist klar: Sie wollen am Großmarkt in Sendling bleiben. Das hat die Initiative "Großmarkt in Sendling. Jetzt" nochmals unterstrichen. Doch was will die Politik? "Soll der Stadtratsbeschluss wirklich ernsthaft umgesetzt werden?", fragt Oliver Rob (Standortinitiative). Oder ist er nur ein Lippenbekenntnis gewesen? Auch Günther Warchola (Präsident des Verbands des bayerischen Fruchtimport und -Großhandels und Unterstützer der Standortinitiative) fragt, ob die Stadträte hinter ihrem Beschluss stehen: "Wollen die das wirklich?"
Modell nicht tragfähig?
Der Stadtrat geht in seinem Beschluss davon aus, dass im Frühjahr 2018 die Ausschreibung stattfinden kann, dass 2019 mit dem Bau der Halle begonnen wird und dass diese 2021 in Betrieb geht - vier Jahre eher als in der bisherigen Planung, die von einem Bau durch die Stadt ausging.
Doch die Händler halten das Investorenmodell nicht für tragfähig. Viele Fragen, angefangen beim Ausschreibe- und Vergabeverfahren bis hin zu den Anforderungen der neuen Halle seien offen, so Hans Buchhierl (Standortinitiative). Die alte Planung war für die Händler eine gute Grundlage. Doch von dieser habe sich die Stadt nun völlig gelöst, so Rob.
Er warnt vor den Risiken des Investorenmodells: "Sämtliche Riskien, die hier drinstecken, wird sich ein Investor bezahlen lassen!" Ein Hallenbau sei an sich nicht kompliziert. Das Problem in Sendling sei vielmehr das Handling: Der Neubau müsse wie eine Operation am offenen Herzen bei weiterlaufendem Betrieb erfolgen. Das sei nur machbar, wenn u.a. die Stadt vorab Leistungen erbringe (z.B. die Verlegung von Fernkälteleitungen). Das sei in der angedachten Zeitplanung aber kaum zu schaffen.
"Es wird nicht günstiger!"
"Ein Investor baut vielleicht günstiger als die Stadt", erklärte Rob, "aber dadurch wird es für die Händler nicht günstiger!" Denn: Ein Investor wolle Rendite abschöpfen - diese Summen finanzieren später die Markthallen und damit die Händler.
Noch vor dem Stadtratsbeschluss hat die Initiative ihre Rechenmodelle den Stadträten vorgelegt, die genau dies zeigen: Selbst wenn ein Investor 30 % günstiger baue als die Stadt, ergebe sich (u.a. wegen der Rendite) eine Monatsmiete von 25 Euro pro qm für die Händler. Investiere die Stadt selbst, komme man auf eine Monatsmiete von 14 Euro.
Diese Beispiele zeigen die Mechanik für den Mietpreis, der bei einer städtischen Eigeninvestition immer günstiger wäre als bei einem anderen Investor - auch wenn die Initiative die künftigen Baukosten nur abschätzen kann.
Derzeit zahlen die Händler zwischen zehn und zwölf Euro - für die meisten ist damit die Schmerzgrenze nahezu erreicht.
"Das Investorenmodell ist nicht wettbewerbsfähig", warnt Rob. Es verlagere die Kosten auf die Markthallen und auf die Händler. Der Stadtratsbeschluss, so Warchola, sei "so nicht umsetzbar."
"Politik muss Stellung beziehen"
Angesichts der vielen offenen Fragen drängt Buchhierl: "Die Politik muss zumindest Stellung beziehen!" Die Initiative warte auf die Gesprächsbereitschaft seitens der Stadtpolitik. "Wir stehen Gewehr bei Fuß", ergänzt Rob. Man bringe gerne Erfahrungen ein und sei weiterhin flexibel. Man habe bereits signalisiert, dass auch langfristige Mietverträge angepasst werden können, um damit der Stadt die besten Optionen für den Bau zu geben.
Die Händler sehen ein Damoklesschwert über dem Großmarkt in Sendling: Sie befürchten, dass die Politik doch noch aus dem Vorhaben aussteigt, wenn z.B. kein geeigneter Investor gefunden wird oder nur unwirtschaftliche Angebote eingehen. Im Juli habe der Stadtrat zudem den Kommunalreferenten bloßgestellt, als dessen detaillierte Vorplanung verworfen wurde. Die Frage, ob der nächste Vorschlag ebenso zerpflückt wird, steht im Raum und sorgt für alles andere als Planungssicherheit. "Wir wollen einfach eine Halle", fasst Rob zusammen, "wir können es nicht gebrauchen, zwischen die Mühlsteine der Politik zu geraten."
Gibt es andere Begehrlichkeiten?
Gibt es womöglich ganz andere Begehrlichkeiten, die dem Großmarkt in Sendling im Wege stehen? Immerhin hat die SPD - ausgerechnet am Tag des Stadtratsbeschlusses für den Großmarkt in Sendling - das Planungsreferat aufgefordert, das "Wohnungsbaupotential" des Großmarktgeländes zu prüfen.
Natürlich könne man ein innerstädtisches Grundstück auch anders als für Marktflächen nutzen, ist auch den Händlern klar. Deswegen sehen sie die Politik in der Pflicht: "Wir brauchen eine klare Aussage", sagt Warchola für die Händler.
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