"Wirtschaftlicher Erfolg darf nicht auf dem Rücken der Menschen fußen"
Der "Vater des modernen Münchens" unterstützt den jungen Kandidaten Sebastian Roloff
Sebastian Roloff tritt als Kandidat der SPD im Münchner Süden zur Bundestagswahl an. Der junge Rechtsanwalt und IG Metaller wird von Hans-Jochen Vogel unterstützt. Vogel war von 1960 bis 1972 Münchens Oberbürgermeister und führte die Stadt zu den Olympischen Spielen 1972. Heute lebt der 91-Jährige wieder in München. Sebastian Roloff sprach mit Johannes Beetz über sein Vorbild und die gegenwärtigen Herausforderungen, vor denen München steht.
"In den letzten Jahren fast überrannt"
Hans-Jochen Vogel unterstützt Ihre Kandidatur für den Bundestag. Als „Olympia-Bürgermeister“ hat Vogel die Stadt in einer ihrer großen Umbruchsphasen mitgestaltet. Heute stehen wir vor ähnlich großen Herausforderungen - wir brauchen Wohnungen und die ergänzende Infrastruktur, damit die Stadt wachsen und wirtschaftlich erfolgreich bleiben kann. Warum ist es uns in den letzten Jahren nicht gelungen, rechtzeitig auf erkennbare Mangelsituationen (Wohnungsbau, Ausbau von Schulen, Verkehrsnetz, Fachkräfte) zu reagieren? Wie kann der Bundestag Kommunen wie München hier unterstützen?
Sebastian Roloff: Ich bin sehr stolz darauf, dass sich der legendäre Münchner Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel mit seinen 91 Jahren so für meine Bundestags-Kandidatur im Münchner Süden einsetzt! München wird ja in den letzten Jahren fast überrannt. So ein Wirtschaftsaufschwung ist natürlich erfreulich. Aber wir müssen darauf achten, dass die Stadt da auch mit Wohnungen, Schulen und Nahverkehr hinterherkommt.
Hier brauchen wir in den nächsten Jahren die gemeinsame Aktion aller politischen Ebenen - Stadt, Land und Bund! Der Bundestag kann die Mittel für die Städtebauförderung und sozialen Wohnungsbau noch deutlich ausweiten. Er kann außerdem eine wirklich wirksame Mitpreisbremse schaffen, die wir gerade in München dringend brauchen, und die Stadt auch finanziell beim Ausbau der U-Bahn unterstützen.
"München ist ein tolles Beispiel"
Große Herausforderungen und Weichenstellungen sind in einer Stadtgesellschaft nur im Miteinander der verschiedenen Gruppen zu bewältigen. München kann das ja ganz gut – unsere unbestreitbar hohe Lebensqualität ist dafür ein für alle sichtbarer Beleg. Auf der anderen Seite scheint bei vielen Menschen das Bewusstsein für das, was wir gemeinsam erreicht haben, zu schwinden. Trauen wir uns nicht mehr, uns aufeinander zu verlassen?
Sebastian Roloff: München ist in der Tat ein tolles Beispiel, wie gut das Zusammenleben zwischen allen sozialen Schichten, verschiedenen Gruppen und Menschen unterschiedlicher Herkunft funktioniert. In den letzten Jahren wächst allerdings bei manchen das Misstrauen gegenüber anderen - wenn genau das von manchen Politikern aus reiner Profilierungssucht dann noch geschürt wird, ist das äußerst beschämend.
"Fatale Folgen für die Rente"
Nicht nur im Münchner Süden, auch in anderen Wahlkreisen steht ein Generationswechsel bevor: Junge Kandidaten werden Mandate übernehmen, die zuvor lange Zeit „Haudegen“ wie Peter Gauweiler oder Hans-Peter Uhl innehatten. Was erhoffen Sie sich von diesem „Stabwechsel“? Und worin sehen Sie die größte Herausforderung für die nächste – also Ihre - Generation im Bundestag?
Sebastian Roloff: Bei uns im Münchner Süden brauchen wir einen Abgeordneten, der sich endlich um die Anliegen aller Menschen kümmert, nah an unseren Bürgerinnen und Bürgern dran ist und mit ihnen stets das Gespräch und den Austausch sucht. Mir geht es nicht darum, mich selbst darzustellen, sondern die die Anliegen der Menschen im Münchner Süden möglichst effektiv im Bundestag zu vertreten. Die größte Herausforderung als Abgeordneter wird es sein, den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes so weiterzuentwickeln, dass er nicht länger auf dem Rücken von Millionen Menschen in Leiharbeit, mit schlechten und unfairen Löhnen oder Minijobs fußt - was übrigens auch für unsere Rente fatale Folgen hat.
"Können wir relativ schnell abmildern"
Sie sind Arbeitnehmeranwalt. Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt grundlegend verändern. Zugleich machen es prekäre Arbeitsverhältnisse und befristete Jobs jungen Menschen schwer, in Ballungsräumen wie München Familien zu gründen und Perspektiven zu finden. Wie wollen Sie hier nachhaltige und verlässliche Perspektiven schaffen?
Sebastian Roloff: Diese Effekte können wir mit ganz konkreten Maßnahmen relativ schnell abmildern - vorausgesetzt es gibt die entsprechenden politischen Mehrheiten in Deutschland. Ich würde mich dafür einsetzen, den Mindestlohn zu erhöhen, die Leiharbeit zu begrenzen und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abzuschaffen. Den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung müssen wir jetzt in flächendeckende und kostenlose Angebote umwandeln. Familien sind mitunter am schlimmsten von der irrsinnigen Situation auf dem Wohnungsmarkt betroffen. Mehr Wohnungsbau oder eine wirksame Mietpreisbremse würden daher sie besonders stark entlasten.
"Davon profitiert München bis heute"
Hans-Jochen Vogel hat auf vielen politischen Ebenen Weichen gestellt. Was ist in Ihren Augen seine größte Leistung?
Sebastian Roloff: Hans-Jochen Vogel wird ganz zu Recht "Vater des modernen Münchens" genannt. Im Vorfeld und nach den Olympischen Spielen 1972 hat er Münchens Infrastruktur massiv gestärkt, den weltoffenen Charakter der Stadt unterstrichen und viele Weichenstellungen für unsere Heimatstadt gestellt. Davon profitiert München bis heute! Ob dies Erfolge nun tatsächlich größer sind als die während seiner Amtszeiten als Bundesjustizminister oder als SPD-Chef, müssen Historiker bewerten - mich persönlich beeindruckt sein nachhaltiges Wirken für München besonders.
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