Stadtrat gibt endlich Gas
Neuer Großmarkt-Beschluss soll Zeit und Kosten sparen
Der Stadtrat hat das städt. Kommunalreferat beauftragt, mit einem großen Mieter auf dem Großmarktgelände Verhandlungen über den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrags zum Neubau und Betrieb einer neuen Großmarkthalle aufzunehmen. Dieser Auftrag wurde "vorberatend" vom Kommunalausschuss des Stadtrates gefällt und wird noch der Vollversammlung des Stadtrates vorgelegt (nächste Sitzung am 13. Februar).
Der über 100 Jahre alte Großmarkt genügt längst nicht mehr den modernen Ansprüchen. Die Händler dort drängen seit Jahren auf eine Entscheidung, wie es weitergeht. Sie brauchen Planungssicherheit für ihre Betriebe. Der Stadtrat hatte im Juli 2017 überraschend entschieden, statt eines städtischen Eigenbaus einen Neubau mit noch zu findenden fremden Investoren zu versuchen. Die zum Großmarktgelände gehörende Fläche östlich entlang der alten Thalkirchner Straße sollte im Erbbaurecht an einen durch eine europaweite Ausschreibung zu ermittelnden Investor vergeben werden, der die Großmarkthalle errichtet. Der Betrieb sollte schließlich durch die Markthallen München erfolgen.
Nach diversen Abstimmungen im Lenkungskreis Großmarkthalle entschied sich der Stadtrat am 25. Juli 2018, diese Variante zurückzustellen, um die jetzt favorisierte Investorenlösung für einen Alternativstandort westlich der Schäftlarnstraße prüfen zu lassen.
Das Kommunalreferat hat nun vorgeschlagen, zum Bau und Betrieb einer neuen Großmarkthalle Flächen auf dem Großmarktgelände sowie an der angrenzenden Schäftlarnstraße an einen Mieter zu vergeben. Dabei ergeben sich folgende Vorteile:
- Zeit- und Kostenersparnis durch Wegfall eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens
- größere Flächenpotentiale für anderweitige urbane Nutzungen
- die „alte“ Thalkirchner Straße könnte geöffnet werden, alleinige Verkehrsanbindung über Schäftlarnstraße; Befreiung der Thalkirchner Straße vom Schwerlastverkehr
- maximal verdichteter Neubau, der sich städtebaulich mit dem gegenüberliegenden Heizkraftwerk Süd ergänzen würde.
Wer behält welchen Einfluss?
Kritisch ist der Sendlinger Bezirksausschuss (BA): Er lehnt die Privatisierung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ab. Deshalb müsse auch die Großmarkthalle in Sendling und in städtischer Hand und Verant
wortung bleiben. Der BA fürchtet u.a. um die bestimmende Beteiligung der Landeshauptstadt beim Betrieb der Halle. Er schlug daher vor, dass Stadt zusammen mit der UGM und den Händlern eine Gesellschaft oder Genossenschaft zum Bau und Betrieb einer Großmarkthalle gründen. Die Stadt solle zudem endlich das beantragte Strukturkonzept für die Nachnutzung der freiwerdenden Großmarkthallenflächen vor, damit die Ungewissheit über die künftige Entwicklung Sendlings beendet werden könne.
"Der Durchbruch ist geschafft"
Kommunalreferentin Kristina Frank:
Endlich ist der Durchbruch geschafft: Der Großmarkt soll in Sendling bleiben. Damit stärken wir die Angebotsvielfalt unserer Lebensmittel sowie die Münchner Wirtschaft. Wir gewährleisten eine nahe, unmittelbare Versorgung mit frischen Lebensmitteln und schaffen gleichzeitig Platz für spannende, urbane Stadtentwicklung. Beste Lage für neue Ideen! München braucht diesen zukunftsfähigen Nutzungsmix aus Gewerbe und Wohnen. Unser Ziel ist es, den Neubau der Großmarkthalle so zügig wie möglich zu realisieren und dadurch der Händlerschaft eine sichere Perspektive zu geben. Bis zur Fertigstellung eines Neubaus läuft der Großmarktbetrieb in den alten Hallen weiter.
"Wir begleiten das kritisch"
Markus S. Lutz, Vorsitzender des Sendlinger Bezirksausschusses:
Bei der Entscheidung zum Neubau der Großmarkthalle an der Schäftlarnstraße bin ich zwiegespalten: Sehr positiv finde ich, dass der Standort der Großmarkthalle in Sendling bleibt und durch einen Erbpachtvertrag über Jahrzehnte gesichert ist.
Auch die Verlagerung des Standortes an die Schäftlarnstraße gegenüber dem Heizkraftwerk Süd ist positiv, besonders was die Entwicklung des Lieferverkehrs angeht. Außerdem bietet der Vorschlag einer kompakten und hohen Großmarkthalle viele freiwerdende Flächen an, die Platz für einen städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsbau sowie weiterer Infrastruktur in Sendling ermöglichen.
Sehr negativ ist aber am Beschluss festzuhalten, dass es durch eine reine Investorenlösung zu einer vollen Privatisierung der „Daseinsvorsorge Großmarkthalle“ kommt. Die Stadt kann nur noch durch den Erbpachtvertrag und einen einzurichtenden Beirat geringen Einfluss ausüben. Deshalb hoffen wir, dass der Investor hier stark mit der Stadt und den Händlern zusammenarbeiten wird.
Jetzt muss die Kommunalreferentin erst einmal mit dem Investor verhandeln, Ende 2019 werden wir dann mehr wissen. Wir als Bezirksausschuss werden dies im Interesse der Sendlingerinnen und Sendlinger kritisch begleiten.
"Wir brauchen ein langfristig tragbares Modell"
Stadtrat Horst Lischka (SPD):
Mir war vor allem der Erhalt der Großmarkthalle in Sendling wichtig. Das ist gelungen und das begrüße ich sehr. Wir brauchen ein langfristig tragbares Betreibermodell der Händler, damit es bei einer langfristigen Sicherung der Großmarkthalle bleibt. Dass die frei werdenden Flächen für soziale Infrastruktur und genossenschaftlichen Wohnungsbau in Sendling genutzt werden, empfinde ich als Sendlinger Stadtrat auch als sehr positiv.
"Wir begrüßen die Entscheidung"
Christa Heidingsfelder, Generalbevollmächtigte der UGM GbR:
Wir begrüßen die einstimmige Entscheidung des Kommunalausschusses für den Bau und Betrieb der neuen Großmarkthalle durch die Umschlagzentrum Großmarkt München GbR (UGM GbR). Mit dieser Entscheidung haben wir einen wichtigen Meilenstein für den zukünftigen Großmarkt erreicht. Die Entscheidung ist ein klares politisches Signal für den Erhalt des Traditionsstandortes und für ein urbanes und lebendiges München. Nun ist im nächsten Schritt wichtig, dass sich auch der Stadtrat in der kommenden Vollversammlung positiv für diese Beschlussfassung ausspricht und „Ja“ zur neuen Großmarkthalle in Sendling sagt. Dadurch erhält die Händlerschaft endlich die so dringend benötigte Planungssicherheit, auf welche sie seit Jahren gehofft hat.
"Weitsicht bewiesen"
Stefan Hausruckinger, Geschäftsführer der Früchtewelt GmbH und Unterstützer der Standortinitiative „Großmarkt in Sendling. Jetzt.“:
Wir freuen uns über den positiven Beschluss des Kommunalausschusses, der damit Weitsicht beweist. Mehr denn je benötigen die Händler auf dem Großmarkt eine neue Halle, um auch in Zukunft München mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen.
"Das hätten wir schon vor Jahren haben können"
Stadtrat Michael Mattar (FDP):
Ein Jahrzehnt hat die Stadt mit sinnlosen und teuren Untersuchungen vergeudet. Die FDP hatte immer gewarnt davor, den Großhandel von Obst und Gemüse mit über 100 Millionen Euro zu subventionieren, was vor allem SPD und Grüne wollten. Jetzt scheint endlich der richtige Weg gefunden worden, bei dem ein privater Investor eine neue Großmarkthalle bauen will. Wichtig ist uns dabei auch, dass die Stadt bzw. der Steuerzahler nicht als Zwischenmieter einsteigt und dadurch das Vermietungsrisiko trägt. Vor allem begrüßen wir auch, dass nicht nochmals viel Zeit durch eine europaweite Ausschreibung nötig wird. Es wird wirklich Zeit, dass diese unendliche Geschichte um eine neue Großmarkthalle ein Ende findet. Sehr gut ist dabei auch, dass voraussichtlich zusätzliche Flächen für Wohnungsbau und weitere Nutzungen frei werden. All dies hätten wir schon vor Jahren haben können. Ich hoffe, dass nun die Umsetzung schnell erfolgt.
"Der Preis ist sehr hoch"
Stadträtin Anja Berger (Grüne - rosa Liste), Mitglied im BA Sendling:
Die Großmarkthalle wird in Sendling bleiben und das ist sehr gut so! Die neue Halle, die der Investor nun plant, hat großen urbanen Charme und wird gegenüber dem Heizkraftwerk einen interessanten städtebaulichen Akzent setzen. Zudem bieten die Pläne durch die Verdichtung auf ein mehrstöckiges Gebäude auch große Chancen für unser Viertel: Räume werden frei für Wohnungen oder andere Nutzungen. Und es ist eine Öffnung ins Viertel geplant mit Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten.
Das Ganze hat allerdings auch seinen Preis und dieser ist sehr hoch: Die Stadt hat Millionen Planungskosten in den Sand gesetzt, bis sie sich dazu entschlossen hat, doch lieber einen privaten Investor zu beauftragen. Dies hat die Große Koalition mit ihrem Beschluss 2017 zu verantworten. Und auch, dass der Investor betriebswirtschaftliche Ziele mehr in den Mittelpunkt stellen wird als bisher, wo die Stadt als Betreiberin auch dem Gemeinwohl verpflichtet war. Eine große Chance wurde vertan und dies ist nun nicht mehr zu reparieren. Ich gehe aber dennoch davon aus, dass diese Variante unser Viertel belebt und attraktiver macht!
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