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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Sie gehört genau dorthin, wo sie jetzt steht"
Bundestagskandidat Sebastian Roloff hält die Großmarkthalle in Sendling für bestens aufgehoben
Wie sieht die Zukunft des Großmarktes aus? Der Stadtrat soll endlich Nägel mit Köpfen machen, fordern die Händler. Sie brauchen Planungssicherheit und wollen zum allergrößten Teil in Sendling bleiben. Damit stehen sie wie die Sendlinger selbst hinter dem im Viertel fest verwurzelten "Bauch von München". Warum wird dennoch über eine Verlagerung des Großmarktes ins Münchner Umland nachgedacht? Bei einem morgendlichen Bummel über den Großmarkt beantwortete Sebastian Roloff die Fragen von Johannes Beetz. Roloff ist der Bundestagskandidat der SPD im Münchner Süden und stellt sich hinter den Großmarkt in Sendling.
"Flächen sind knapp"
Der Stadtrat hat sich bereits für die Beibehaltung des Standorts Sendling ausgesprochen. Warum wird dennoch über eine Auslagerung debattiert?
Sebastian Roloff: Natürlich kann man die Frage stellen, ob sich eine Stadt wie München, in der Flächen knapp sind und die noch verfügbaren optimal genutzt werden müssen, eine Großmarkthalle mitten in der Stadt leisten sollte. Neben dieser Frage ist die Sanierung bzw. ein Neubau auch eine millionenschwere Investition.
"Ich bin für Erhalt"
Hand aufs Herz: Sind Sie für den Standort Sendling oder für einen neuen Platz?
Sebastian Roloff: Ganz klar: Ich bin für den Erhalt der Großmarkthalle in Sendling. Die Halle stellt seit über 100 Jahren die Versorgung der Münchner Bevölkerung mit frischem Obst und Gemüse sicher und gehört auch einfach zu Sendling.
"Abschließend behandeln"
Die Händler benötigen Planungssicherheit. Sie warten seit über acht Jahren darauf. Ist eine endgültige Entscheidung jetzt zu erwarten oder wird der Stadtrat das Thema, über das er ja noch vor der Sommerpause beschließen will, vertagen?
Sebastian Roloff: Ich gehe davon aus und hoffe sehr, dass dieses Thema nun endlich abschließend behandelt wird.
"Kosten sind grob prognostizierbar"
Warum ist es so schwierig, konkrete Zahlen zum Beispiel zu den Finanzen – also Kosten und Gewinne – zu nennen?
Sebastian Roloff: Das frage ich mich ehrlich gesagt auch. Bau- und Sanierungskosten sind zumindest grob zu prognostizieren, der Risikoaufschlag ist diskutierbar, aber auch abzuschätzen.
"Sie ist akzeptiert"
Die Sendlinger Bürger haben sich mehrfach für den Erhalt „ihres“ Großmarktes ausgesprochen. Passt der drittgrößte Umschlagplatz dieser Art in Europa heutzutage noch in ein Wohnviertel?
Sebastian Roloff: Natürlich könnte man überlegen, die Großmarkthalle abzureißen, einen anderen Standort zu suchen und am bisherigen Wohnungen zu errichten. Ob die allerdings dann für Normalverdiener erschwinglich wären, ist eine andere Frage. Ich persönlich glaube das nicht. Die Großmarkthalle ist in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert und gehört zum Viertel dazu. Bei den Verlagerungen der Großmarkthallen von Frankfurt und London aus dem Zentrum heraus hat man außerdem keine guten Erfahrungen gemacht. Deshalb: Ja, die Großmarkthalle gehört genau dorthin, wo sie jetzt steht.
"Für mich sind es die Arbeitsplätze"
Der Großmarkt bietet wohnortnahe Arbeitsplätze, sichert Gewerbesteuereinnahmen für München, ist ein Motor der Integration und sichert für die Händler kurze Wege – das ist auch ein ökologischer Faktor. Welcher Pluspunkt ist für Sie der wichtigste? Andererseits: Hat der Standort Sendling nicht auch Nachteile?
Sebastian Roloff: Schwer zu sagen, welcher der aufgezählten Vorteile der wichtigste ist. Für mich sind es die Arbeitsplätze. In der Großmarkthalle arbeiten viele Menschen mit eher niedriger Qualifikation. Sollte der Großmarkt verschwinden, würde das wohl für viele dieser Menschen den Gang in die Arbeitslosigkeit bedeuten. Das gilt es zu verhindern, und daran sollten die Stadträte immer denken. Denn die Jobs dieser Menschen können gerettet werden, da es keine Notwendigkeit gibt, die Großmarkthalle zu verlagern.
"Lässt sich abfedern"
Es gibt immer wieder auch Anwohner-Beschwerden, etwa über den nächtlichen Lkw-Verkehr, laute Kühlaggregate und ähnlich wirklich schlafraubende und nervtötende Belästigungen. Lassen sich diese mit einem Neubau so gut vermeiden wie bei einer Verlagerung?
Sebastian Roloff: Die jetzige Großmarkthalle ist ja schon einige Jahre alt. Ich bin sicher, dass sich viele der genannten Probleme durch heutige bauliche Standards deutlich abfedern lassen.
"Kontrolle über Mieten behalten"
Wir der Großmarkt in Sendling neu gebaut, werden Flächen frei. Welche Möglichkeiten bieten sich hier für Sendling? Besteht nicht die Gefahr der Gentrifizierung, wenn hier ein ganz neues Wohnquartier entsteht?
Sebastian Roloff: Wie gesagt, ich befürchte, dass dort neu entstehende Wohnungen sehr teuer sein werden. Deshalb fordere ich schon jetzt, dass eventuell frei werdende Flächen von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften bebaut werden. Das ist die einzige Möglichkeit, die Kontrolle über die Mietpreise zu behalten und Gentrifizierungseffekten entgegen zu wirken.
"Sie sichert die Versorgung"
Das Geld, das für einen Neubau des Großmarkts in Sendling zu investieren ist, könnte die Stadt ja auch für andere wichtige Dinge ausgeben.
Sebastian Roloff: Sicher, aber Sie haben es selbst gesagt: Die Großmarkthalle sichert die Versorgung der Händlerschaft und der Münchner Bevölkerung. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass die Münchner Tafel dort Ausgabestellen betreibt. Damit ist die Großmarkthalle auch unter diesem Gesichtspunkt unbedingt zu erhalten.
"Sie ist ein Stück Heimat"
Großprojekte wie der Neubau des Großmarktes stoßen in der Bevölkerung oft auf heftigen Widerstand. Nicht so in Sendling. Aber wie schätzen Sie die Lage in Aschheim oder anderen Umlandgemeinden ein, die für eine Großmarkt-Verlagerung im Gespräch sind.
Sebastian Roloff: Wir haben es am Beispiel Schlachthof gesehen: Die Bürgerinnen und Bürger Aschheims haben der Ansiedlung des Schlachthofs eine klare Absage erteilt. Ich bin sicher, dass sich auch beim Thema Großmarkthalle Widerstand formieren würde. Die Akzeptanz in Sendling ist relativ hoch, auch weil die Großmarkthalle ein Stück Heimat ist.
"Ich wäre da skeptisch"
Die Stadt München hat anders als andere Städte die Einrichtungen ihrer kommunalen Daseinsvorsorge (Wasser, Elektrizität, Fernwärme, ÖPNV ...) nie privatisiert. Damit konnten die Kosten für die Bürger stabil und die Infrastruktur instand gehalten werden. Bedeutet eine Beteiligung privater Investoren an der Großmarkthalle, dass dieser Grundsatz nun doch bröckelt und die Versorgung der Bürger aus der Hand gegeben wird?
Sebastian Roloff: Ich würde darin mehr eine Einzelfallentscheidung sehen, auch wenn man abwägen muss, ob das in diesem Fall tatsächlich Sinn macht. Nach heutigem Kenntnisstand wäre ich da eher skeptisch.
Jahrelange Hängepartie?
Seit 15 Jahren liegt die "Sendlinger Wüste" (das sogenannte Areal "MK 6" des alten Messegeländes) brach, weil die Suche nach einem privaten Investor immer wieder scheiterte. Könnte sich der Bau der Großmarkthalle durch eine Abhängigkeit von privaten Investoren nicht ebenso ins Ungewisse verzögern?
Sebastian Roloff: Wenn man dies zur Voraussetzung macht, ja. Ich hoffe, dass entsprechende Vorschläge nur vor dem Hintergrund realistischer Optionen gemacht wurden, weil niemand eine jahrelange Hängepartie im Sinn haben kann, vor allem nicht die Sendlingerinnen und Sendlinger.
"Jeder Besuch beeindruckt"
Welche Rolle spielt der Großmarkt in Ihrer Erinnerung? Verbinden Sie persönliche Erlebnisse und Erinnerungen damit?
Sebastian Roloff: Die Atmosphäre des Großmarktes ist etwas ganz besonderes. Jeder Besuch ist auf vielen Ebenen eindrucksvoll. Gerade die Kulisse aus Geräuschen und Gerüchen ist sehr spannend und eben sehr untypisch für Sendling.
"Es ist etwas Besonderes"
Was macht das Flair des Großmarktes für Sie aus?
Sebastian Roloff: Das dauernde Gewusel der Händler ist schon etwas ganz Besonderes. Man betritt die Halle und hat direkt das Gefühl nicht mehr in Sendling, sondern an einem internationalen Warenumschlagplatz zu sein.
Sie sind ja heute im Großmarkt, rundum herrscht buntes Treiben. Wenn Sie ein Kistchen aus den Angeboten der Händler mitnehmen dürften, was würden Sie wählen – und wofür?
Sebastian Roloff: Nachdem ich aus Ihrer Zeitung gelernt habe, dass es über 80 verschiedene Erdbeersorten gibt, die in der Großmarkthalle zu erwerben sind, würde ich anfangen, mich durch das Sortiment zu probieren.
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