Nur einmal im Jahr kurz geöffnet
Anastasia-Kapelle gibt am Sonntag den Blick auf die Nachkriegs-Fresken frei
Gut versteckt zwischen alten Fichten ist der holzüberdachte Vorraum der Anastasia-Kapelle im Waldfriedhof immer geöffnet. Weiter geht es jedoch fast nie: Das schmiedeeiserne Gitter zum Kirchenraum bleibt geschlossen. Einmal im Jahr wird es für wenige Stunden geöffnet, dieses Jahr zur Maiandacht am Sonntag, 29. Mai, um 17 Uhr. „Vergangenes Jahr waren zwei ältere Herren extra zur Maiandacht gekommen, weil sie als Buben in den 50er Jahren als Buben hier Ministranten waren“, erinnert sich Pater Bernard Guhs SVD, der Pfarrer von Sankt Hedwig. „Für die beiden ist der Kirchenraum ein Ort schöner Jugenderinnerung".
Ungewöhnliche Baugeschichte
Von der Fertigstellung im Jahr 1932 bis zur Eröffnung der Pfarrkirche Sankt Hedwig im Jahr 1962 war die Kapelle das zentrale Gotteshaus für die Gläubigen des sogenannten Waldfriedhofviertels. Entworfen hat das kleine Kirchlein mitten im alten Teil des Waldfriedhofs Stadtbaurat Hermann Leitensdorfer (1886-1972), der nur wenige Jahre zuvor das erste Hochhaus der Stadt in der Blumenstraße neben der alten Hauptfeuerwache baute. So kann die Anastasia-Kapelle schon von ihrer Baugeschichte her mit einer Besonderheit aufwarten. Sie ist als katholisches Gotteshaus nicht von der Diözese oder von einem Orden, sondern von der Stadt geplant, errichtet und auch finanziert worden. Im städtischen Waldfriedhof war ja das Bauamt der Landeshauptstadt für alle Immobilien zuständig. Leitensdorfer nahm als Vorlage für seine Pläne die sakrale Architektur der Frühgotik und so wirkt Anastasia mit ihrem spitzen Türmlein wie eine Zeugin aus dem 15. Jahrhundert. Schnell war das Kirchlein zu klein für die Gottesdienste, so dass seither ein überdachter Holzvorraum zusätzlich Platz für doppelt so viele Besucher bietet.
Überstandene Schrecken
Die Fresken kamen erst nach dem Krieg in die Kapelle. Der Münchner Maler Max Lacher entwarf die bewegenden Bilder kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und griff dabei auf einen Brauch aus dem Mittelalter zurück. Die Henker Christi kleidete er in schwarze und braune Uniformen, ein Sinnbild für den gerade erst überstandenen Schrecken der Nazizeit.
Öffnung am Sonntag
Die einmalige Öffnung des Kirchenraums am Sonntag bietet für Kunstinteressierte auch die seltene Gelegenheit, die Fresken in der Anastasia-Kapelle genauer zu betrachten. Sie werden dazu extra mit Scheinwerfern ausgeleuchtet.
Die Maiandacht des Pfarrverbands Obersendling-Waldfriedhof wird am Sonntag, 29. Mai, um 17 Uhr in der Anastasia-Kapelle im Waldfriedhof (Alter Teil) mit alpenländischer Musik des 3Xsang gefeiert.
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