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Nicht "zu dumm" und nicht "zu faul"

Legasthenie-Arbeitskreis hilft Kindern und Eltern

Nichts ist schöner als sich mit einem guten Buch zurückzuziehen. Doch nicht jedem Kind fällt Lesen leicht. (Bild: Simone Peter / pixelio.de)

Ein Junge, der einst mit den Buchstaben kämpfte, schickt eine Kopie seines Zeugnisses – um die Eins in Deutsch hat er Sonnenstrahlen gemalt. Ein Mädchen bedankt sich über die Hilfe auf dem Weg zum Realschulabschluss, "das mit der Wunsch-Lehrstelle hat auch geklappt!" Glückliche Grüße wie diese bildeten ein Herzstück der Jubiläumsfeier zum 40. Jubiläum des Arbeitskreis Legasthenie Bayern e. V. (AKL-Bayern) in der Geschäftsstelle in der Fürstenrieder Straße 267. Ein weiteres war der Austausch unter den Therapeuten – "dieses Gefühl, wir arbeiten an etwas ganz Tollem", wie Diplom-Psychologin Renate Sieber es ausdrückte.

Ursachen sind zum Teil angeboren

Einige fördern wie Renate Sieber seit zehn Jahren Buben und Mädchen mit Legasthenie bzw. Dyskalkulie, andere sogar noch länger. Allen gemeinsam ist die Freude daran, Schüler aufbauen und unterstützen zu können. "Bis heute müssen sich betroffene Kinder anhören, sie seien nur zu dumm oder zu faul, um richtig zu schreiben oder zu rechnen", gab Geschäftsführer Rainer Eckerl zu bedenken. Und ergänzte: "Eltern sind nach wie vor sehr erleichtert, wenn sie erfahren, dass weder die Kinder, noch sie selbst, noch die Lehrer eine Schuld an den Teilleistungsstörungen Legasthenie und Dyskalkulie trifft." Beide, weiß man beim AKL-Bayern, haben unterschiedliche, zum Teil angeborene Ursachen und können vererbt werden.

Immer mehr Lehrer mit Verständnis

Bei der Jubiläumsfeier wurde einmal mehr deutlich: Wer eine sogenannte Teilleistungsstörung hat, ist normal bis überdurchschnittlich intelligent und kann in Schule und Beruf beachtliche Erfolge erzielen. In vielen Schulen Münchens gibt es inzwischen verständnisvolle Lehrer, auch dank des Engagements des AKL-Bayern. "Der Nachteilsausgleich steht Bayerns Kindern mit Legasthenie bereits seit 1999 zu", berichtete Eckerl. "Manchmal müssen Eltern ihn zwar noch einklagen. Auf der anderen Seite haben wir zum Glück immer mehr Schulen, wo auch Kinder mit der milderen Lese-Rechtschreib-Schwäche oder einer Dyskalkulie von Pädagogen besonders unterstützt werden." Sei es mit Zeitzuschlägen für Proben, Arbeit mit Anschauungsmaterialien oder besonderen Förderstunden, Eckerl begrüßte dieses freiwillige Engagement der Pädagogen.

Freude am Lernen neu entdecken

Er erinnerte daran, wie seine Mutter Liselotte Eckerl-Riesch in den frühen 70er Jahren darum kämpfte, dass betroffene Kinder ernst genommen werden. "Damals war die Legasthenie, auch Lese-Rechtschreib-Störung genannt, nur wenigen Wissenschaftlern und Pädagogen ein Begriff", so Eckerl. "Meine Mutter und ihre Mitstreiter brachten Wissenschaftler, Psychologen und Pädagogen mit betroffenen Familien zusammen, um das zu ändern." Das geschah erst in Form einer Elterninitiative, ab 1974 als gemeinnütziger Verein. Zunächst bekamen die Kinder Therapiestunden in Gruppen, doch bald zeigte sich, dass viele von Einzelsitzungen mehr profitierten. Die kombinierten Lern- und Psychotherapien bei Diplom-Psychologen halfen inzwischen schon mehr als 10.000 Schülern, die Freude am Lernen neu zu entdecken und Lücken im Schulstoff mit allen Sinnen und Schritt für Schritt aufzufüllen.

Neue Herausforderungen

Der kleine Münchner Verein wurde inzwischen sehr groß: Inzwischen arbeiten 60 Diplom-Psychologen an 120 Standorten im ganzen Land für den AKL-Bayern. Zum Angebot gehören auch Lehrer-Fortbildungen, Eltern-Beratungen, Vorträge an Schulen sowie Rechtschreib- und Rechentests. "Neu sind Seminare für Schüler, die zwar weder Legasthenie noch Dyskalkulie, doch trotzdem Probleme im Schreiben, Lesen, Rechnen oder aber der Konzentration aufweisen", so Jacqueline Gröger-Eckerl, die stellvertretende Geschäftsführerin des AKL-Bayern. Ob "Marburger Konzentrationstraining", "Probenvorbereitung", "Hausaufgaben – leicht und schnell" oder "Kompakt-Rechtschreibtraining in den Ferien", alle umfassen vier bis sechs Einheiten in Kleingruppen in München.

"Man lernt nie aus"

"Man lernt nie aus, das gilt auch für uns Therapeuten des AKL-Bayern", betonte Renate Sieber. Sie freute sich, dass es direkt vor dem Festakt zum 40. Jubiläum eine Fortbildung zum Thema "Englisch-Trainingskonzepte für legasthene und lese-rechtschreib-schwache Schüler" mit Dr. David Gerlach gegeben hatte. "Nun können wir die Kinder noch besser unterstützen", zeigte sie sich zuversichtlich. Und erzählte von dem Mädchen, das sie einst therapierte und das sich nun voller Dank aus Australien meldete – nach ihrem bestandenen Abitur.

Information und Anmeldung zu Kursen etc.: Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V., Tel. 411149200, www.akl-bayern.de.

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