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"Honig mit Geschichte"

Bienenzuchtprojekt "Townbee" zeigt Lösungen auf

Hannes Schroter (links) und Philipp Steinmetz engagieren sich im Bienenzuchtprojekt "Townbee". (Bild: iab)

"Das hier hat mir viel gebracht", sagt Hafez Al-Moussa. "Ich habe Menschen kennen gelernt, die Sprache und Traditionen." Der Syrer trägt einen dicken Pulli, feste Schuhe: Es ist nicht der beste Tag, um sich im Freien aufzuhalten, leichter Nieselregen fällt, windig ist es außerdem und ziemlich frisch. Al-Moussa kniet dennoch pflichtschuldig im Gras vor einem unscheinbaren Holzkasten in einem Sendlinger Hinterhof. Er ist hier, weil er Verantwortung trägt für die Bewohner dieses kleinen braunen Zuhauses, weil er sich gerne um sie kümmert, ihnen dabei hilft, zu überleben und zu wachsen. Mehrere 10.000 Bienen sind Al-Moussas Schützlinge.

"Ein Netzwerk schaffen"

Der junge Geflüchtete ist Teil von "Townbee", einem Bienenzuchtprojekt. Die Idee kam von Studenten der Technischen Universität München. Heute läuft "Townbee" unter dem Schirm von "enactus", einer internationalen Non-Profit-Organisation. Das Projekt schafft es, die drei Prinzipien von "enactus" perfekt zu vereinen: mit unternehmerischem Denken die Welt im Kleinen etwas besser machen, sich aktiv einbringen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. "Wir haben gesehen, wie schwierig es für Geflüchtete ist, sich in München zu integrieren", erklärt Hannes Schroter, Student und Mitgründer von "Townbee". Die Neuankömmlinge leben in großen Unterkünften und bleiben unter sich, sie tun sich schwer mit Sprache und Kultur. "Wir wollten ein Netzwerk schaffen, das Geflüchtete und Einheimische zusammenbringt. Zudem sollte Kontakt zu Unternehmen entstehen." Aber nur ein Problem angehen – das kann ja jeder. Also entschieden die Studenten, eine zweite Fliege mit derselben Klappe zu schlagen. Sie kombinierten ihre Integrationsarbeit mit dem Kampf gegen das zunehmende Bienensterben.

Bestandteil des Ökosystems

"Townbee" funktioniert folgendermaßen: Unternehmen, die sich im Zuchtprojekt engagieren, stellen auf Bürodächern oder in Gärten Flächen zur Verfügung, auf denen Bienenkästen aufgestellt werden. In Zusammenarbeit mit lokalen Imkern siedeln Studenten und Geflüchtete die Insekten im neuen Zuhause an und kümmern sich um die Tiere. Glückliche Bienen produzieren reichlich Honig – dieser wird abgefüllt, individuell im Namen der Partnerfirmen etikettiert und an diese verkauft. Der Erlös fließt zurück ins Projekt. Die Unternehmen bekommen erstklassigen Honig: ein ideales Gast - oder Weihnachtsgeschenk. Die Studenten und Geflüchteten lernen einander kennen, es wird automatisch deutsch gesprochen, man verbringt gemeinsam Zeit: gelungene Integration. Und last but not least ermöglicht "Townbee" den Bienenvölkern ein zufriedenes Fortbestehen: Sicherung eines elementaren Bestandteils des Ökosystems.

"Begeisterung teilen"

In Sendling hat sich der Nieselregen inzwischen zum Schauer verstärkt. Schroter, Al-Moussa und ihr Mitstreiter Philipp Steinmetz lassen sich von dem "bisschen" Nass nicht aus dem Konzept bringen. Sie bereiten die Honigschleuder vor. Bis zu 18 Kilo Goldgelb produzieren ihre Bienen. Schroter: "Unser Honig hat eine ganz andere Bedeutung, er transportiert eine Botschaft." Steinmetz ergänzt: "Das ist Honig mit Geschichte." Die drei Hobby-Imker arbeiten gut zusammen, man merkt ihnen an, dass sie regelmäßig gemeinsam bei den Tieren sind. Al-Moussa fragt nach Werkzeug, auf deutsch. Er spricht sehr gut. "Es war unglaublich aufregend, die Begeisterung über die Ernte des ersten Honigs mit meinen neuen Freunden zu teilen." Er weiß, dass die Insekten auf ihn angewiesen sind, das gibt ihm eine Aufgabe; zum ersten Mal, seit er in der Heimat das Bauingenieurstudium abbrechen und fliehen musste. "Im Projekt schaffen wir Struktur und Regelmäßigkeit, die Geflüchteten haben Verantwortung und einen Ansprechpartner – klar funktioniert das", grinst Schroter.

Sozialer, ökologischer Honig

Klar funktioniert das, es ist schließlich auch ein einzigartiger Ansatz. Inzwischen wurde "Townbee" als einer der Gewinner der "Ford College Community Challenge" ausgezeichnet. Langfristig soll eine starke Marke entstehen: sozialer, ökologischer Honig, hergestellt von neuen Nachbarn und Alteingesessenen, unterstützt von regionalen Partnern. Unternehmen, die Lust auf gutes Gelb haben und ihre Firmendächer oder Freiflächen bereitstellen möchten, können sich unter http://muenchen.enactus.de/blog/projekte/townbee/ im Internet informieren oder sich unter der E-Mail Adresse hannes.schroter@muenchen.enactus.de direkt an die Verantwortlichen wenden.


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