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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Hightech mit Charme
Sieht so der Roboter der Zukunft aus?
Als die 10.Klässler zur ersten Stunde in die Mensa des Klenzegymnasiums kommen, sitzt einer schon schweigend auf seiner weißen Kiste und schaut mit großen blauen Augen ins Nirgendwo. Obwohl er sich nicht bewegt, zieht er sofort die Aufmerksamkeit auf sich: Roboy, der Roboter. Roboy ist weder ein herkömmlicher Roboter noch ein Mensch. Aber zu den Menschen würde es ihn, wenn er fühlen könnte, wohl eher hinziehen, als zu seinen Roboterkollegen. Denn Roboy wurde nach exakt 9 Monaten "geboren", er hat Knochen, Muskeln, Sehnen und Gelenke, einen Erziehungsberechtigten und seine Entwickler haben das Ziel, dass Roboy sich in der Welt irgendwann genauso gut bewegen kann wie ein Mensch. "Körperintelligenz" nennt Rafael Hostettler dieses Gebiet, zu dem er erst an der Universität Zürich und jetzt an der TU München forscht. Hostettler ist der Entwickler von Roboy. Den Schülern des Klenzegymnsasium, die an einem zweitägigen Workshop zum Thema "Robotik" teilnehmen, stellt Hostettler sich aber mit einem Augenzwinkern als Roboys Erziehungsberechtigter vor.
Roboy at school
Roboy war noch nicht an vielen bayerischen Schulen, aber das wird sich nach seinem zweitägigen Besuch im Klenzegymnasium vielleicht bald ändern. In insgesamt vier verschiedenen Modulen, "Anatomie", "Ethik", "3-D-Druck" und "Roboter programmieren und bauen", erarbeiteten sich die Schüler der 10. Klassen theoretisch und praktisch die Grundlagen der Robotik. Marion Freytag, Fachbetreuerin für Informatik am Klenze-Gymnasium, erzählt, dass sie, als sie von der Möglichkeit erfahren hat, Roboy samt seinem Entwickler an das Klenzegymnsasium einzuladen, sofort bereit war, alle nötigen Schritte dazu in die Wege zu leiten. "Für unsere Schüler ist das eine wunderbare Art, in direkten Kontakt mit aktueller naturwissenschaftlicher Forschung zu treten." Das Klenzegymnasium und das Roboy-Team haben sich im Zuge des Workshops dann auch noch wechselseitig unterstützt: Die einzelnen Fachlehrer der Schule haben nämlich das Workshop-Material für den bayerischen Lehrplan adaptiert und das Roboy-Team darf diese Materialien für weitere Workshops an anderen bayerischen Schulen nutzen.
Ein teurer kleiner Bursche
Das Prinzip des wechselseitigen Geben- und Nehmens ist auch schon für die Entwicklung von Roboy angewendet worden. Hostettler erklärt, dass er und sein Universitäts-Team die reinen Materialkosten von 150.000 Euro über "Crowdfunding" zusammen bekommen haben. Deshalb sind auf Roboys "Knochen" auch überall kleine Labels von verschiedenen Firmen, die sich an seiner Finanzierung beteiligt haben. Damit Roboy und seine Finanzgeber auch ihre Botschaft in die Welt hinaus tragen können, ist Hostettler mit ihm auf Reisen um die ganze Welt. Sogar bis China ist Roboy schon gekommen!
Botschafter für neue Forschungsrichtung
"Roboy ist ein Botschafter für eine ganz neue Richtung in der Robotik-Forschung", erklärt Hostettler den 10. Klässlern, die sehr aufmerksam zuhören. "Deshalb haben wir auch viel Wert darauf gelegt, dass Roboy ein gewinnendes Aussehen bekommt", erläutert er weiter und ein Beamer im Inneren seines Kopfes zaubert Roboy ein Lächeln aufs Gesicht. Dann führt Hostettler ein Video eines "Roboter-Challenges" vor. Dort sieht man "herkömmliche" Roboter unterschiedlicher Bauarten, die sich über normale Hindernisse des Alltags bewegen sollen. Dabei kommt es häufig zu Stürzen. Diese Roboter, so erklärt Hostettler, sind für bestimmte Funktionen, die sie in einer bestimmten Umgebung ausführen sollen, gebaut worden. Die neue Technologie, auf der sich die Entwicklung von Roboy begründet, hat einen anderen Ansatz: Die Forscher schauen sich an, wie das menschliche Bewegungssystem funktioniert, also wie Muskeln vom zentralen Nervensystem aus angesteuert werden, wenn eine bestimmte Bewegung ausgeführt werden soll. Während herkömmliche Roboter kleine Motoren haben, die bestimmte Gelenke bewegen, werden bei Roboy künstliche Sehnen und Muskeln unter Spannung gesetzt, die dann in Bewegungsenergie umgewandelt werden können.
Das Ziel: Wenn man einmal verstanden hat, wie und welche Befehle das menschliche Hirn Muskeln erteilt, dann kann man einen humanoiden Roboter programmieren und damit menschliche Bewegungen simulieren. Und durch die Simulation kann man dann umgekehrt auch wieder auf das menschliche System rückschließen. In der Forschung zu bestimmten Krankheiten, in denen der Bewegungsapparat durch zentrale Störungen nicht mehr richtig funktioniert (z.B. Morbus Parkinson), könnten dann z.B. solche Roboter auch nützlich sein.
Roboter füttert Mensch?
Die Frage nach den Grenzen des Einsatzes eines solchen menschenähnlichen Roboter diskutierten die Schüler im Modul "Ethik". Es gab unterschiedliche Meinungen: Während die einen es nicht vertretbar fanden, solche Roboter zukünftig für die Pflege von alten Menschen einzusetzen, waren andere der Meinung, dass dies in der Zukunft möglich wäre, weil auch der moderne Mensch eher gewöhnt wäre, mit Technik umzugehen und so keine Berührungsängste hätte bzw. Vertrauen in die Technik da wäre.
Kleiner Einblick in große Zusammenhänge
Was die Schüler der 10. Klassen des Klenzegymnasiums auf jeden Fall alle aus diesem Workshop mitgenommen haben, ist die Erkenntnis, dass sich Roboterforschung und -entwicklung nicht nur mit den speziellen Kenntnissen einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung betreiben lassen. Wie in anderen Forschungsbereichen auch, findet interdisziplinärer Austausch zwischen verschiedenen Richtungen der Naturwissenschaften und sogar auch der Kunst statt. Für die spätere Wahl des Studiums bzw. Berufs kann diese Erkenntnis sehr von Nutzen sein – ganz egal ob einer der Schüler einmal im Bereich der Robotik arbeiten will oder nicht.
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