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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Hier geht es auch um Existenzen"
MdL Michael Piazolo hält tragfähige Lösungen beim Gasteig-Umzug für machbar
Wenn der Gasteig saniert wird, sollen die meisten Funktionen nach Sendling auf das „HP8-Areal“ umziehen an der Hans-Preißinger-Straße umziehen. Die bisherigen Mieter dort fürchten, verdrängt zu werden. Wie sieht MdL Michael Piazolo (Freie Wähler) die Lage? Johannes Beetz sprach mit ihm darüber.
"Eine Frage des Anstands"
Die auf dem HP8-Gelände ansässigen Künstler und Handwerker fühlen sich vom Gasteig-Umzug bedroht. Gleichwohl will man in absehbarer Zeit dort Wohnungen bauen. Spätestens dann müssten die jetzigen Mieter das Gelände ohnehin verlassen. Wie kann man den Konflikt entschärfen?
Michael Piazolo: Zunächst muss alles transparent mit den Betroffenen ausgehandelt werden. Wir dürfen in der heutigen Zeit nicht einfach Basta-Entscheidungen fällen und die Betroffenen vor vollendete Tatsachen stellen. Wir brauchen in einer Stadt wie München, einer Weltstadt mit Herz und Charme, auch Platz für Handwerker und Künstler. Hier geht es auch um Existenzen. Die Stadt hat durchaus Möglichkeiten und sollte für die Zeit nach 2025 für die überschaubare Zahl an Betroffenen versuchen, individuelle Lösungen zu finden. Das ist zwar anstrengend und müsste zusätzlich geleistet werden, allerdings ist es zielführend und für mich eine Frage des Anstands. Schließlich trägt die Stadt auch Verantwortung für die Handwerksbetriebe und Künstler.
Es sollte Chefsache sein
Die jetzigen Mieter werden sich sehr schwer tun, neue Standorte für ihre kleinen Betriebe zu finden. Wie können Gasteig, Stadt und Land da helfen? Ist das Angebot des Gasteigs bzw. der Stadt, den Mietern bei der Suche zu helfen, nicht völlig unrealistisch?
Michael Piazolo: Wenn sich die Stadt ehrlich einsetzt, dann ist es nicht unrealistisch, Lösungen zu finden. Allerdings muss dazu ein echter Wille der Stadtspitze erkennbar sein. Im Zweifelsfall sind solche Angelegenheiten dann auch in einer Millionenstadt mal Chefsache. Sicherlich müssen die bisherigen Mieter des HP8 bereit sein, den ein oder anderen Kompromiss einzugehen. Allerdings sollten sie keine Kröten schlucken müssen.
"München kann ein Zeichen setzen"
Andererseits gibt es keine alternativen Standorte für ein Gasteig-Ausweichquartier. Wie bekommt man beide Interessen unter einen Hut, ohne „große“ gegen „kleine“ Kultur auszuspielen?
Michael Piazolo: München kann hier ein Zeichen setzen und die Ziel- und Interessenkonflikte gemeinsam mit Groß und Klein lösen. In München prägen schließlich nicht alleine die „Großkopferten“ und das „Außergewöhnliche“ das Stadtbild. München hat ja seinen besonderen Charme, weil die Münchner bodenständig sind und ein Herz haben. München wäre fad, wenn es nur die Philharmonie und die Oper gäbe, die zahlreichen Kleinkunstbühnen und Musiklokale machen doch die zusätzliche Würze aus. München braucht neben BMW oder Siemens seine Handwerksbetriebe und neben den Pinakotheken seine Künstler. Diese Münchner Lebenseinstellung könnte auch das Ausweichquartier nach außen zeigen.
"Das bringt zusätzlich viel Verkehr mit sich"
Die Bürger fürchten vor allem, dass der Gasteig erhebliche Verkehrsbelastung ins Viertel zieht. Die bisherigen Konzepte scheinen nicht zielführend. Was braucht es in Ihren Augen, um das zu erwartende Verkehrsproblem zu lösen?
Michael Piazolo: Diese Frage treibt mich tatsächlich um. Wenn ich den morgendlichen und abendlichen Stau auf dem Mittleren Ring an der Brudermühlbrücke sehe, dann denke ich auch, dass die Anwohner nicht noch zusätzlich das Ausweichquartier vor der Nase brauchen. Wir wissen, dass viele Menschen von außerhalb in den Gasteig kommen. Das bringt zusätzlich viel Verkehr mit sich. Dazu kommt der Anlieferverkehr und die Künstler. Ich war und bin ja immer noch der Meinung, dass der Mittlere Ring weitgehend unter die Erde gehört. Gerade auch im Süden unserer Stadt. Dazu brauchen wir auch ein ganzheitliches Verkehrskonzept. Nicht nur für einzelne Stadtviertel sondern für die gesamte Stadt.
Mit Blick auf das Ausweichquartier sollte die Stadt konsequent sein und für die Zeit eine attraktive ÖPNV-Lösung anbieten und berücksichtigen, dass die Menschen sehr bequem sind. Da das Ausweichquartier ein besonderes Projekt ist, könnte man auch über außergewöhnliche Verkehrslösungen nachdenken, mit denen man gleichzeitig testen kann, ob diese Lösungen auch im Alltag unserer Stadt praktikabel sind. Die Stadt überlegt derzeit den Einsatz von urbanen Seilbahnen. Vielleicht bietet ja die Verbindung zwischen den angedachten Parkplätzen auf der Fläche der Großmarkthalle und dem Ausweichquartier dafür eine interessante Testumgebung.
"Wir müssen uns mehr öffnen"
Der Gasteig-Umzug zeigt ein grundsätzliches Problem in unserer Stadt: Es gibt verschiedene Interessen und -gruppen, die sich nicht ohne Weiteres vereinbaren lassen. Fehlen uns hier die richtigen planerischen Instrumente, um solche Differenzen zu bewältigen? Oder sind unsere Verwaltungsprozesse zu unverständlich für den Bürger?
Michael Piazolo: Wir müssen uns mehr öffnen für eine echte Bürgerbeteiligung. In der Politik und in der Verwaltung herrscht die Angst vor, dass Bürger etwas verhindern und sich beschweren wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Beschwerden abnehmen, wenn die Beteiligungsmöglichkeiten ausgebaut werden und wir unsere Umgebung und unsere Gesellschaft mehr mit den Bürgern, also gemeinsam gestalten. Ich weiß aus vielen Gesprächen, wie gut sich Bürger in Themen einarbeiten und wie vernünftig viele Menschen argumentieren und entscheiden können.
Allerdings brauchen sie dafür auch Informationen. Wir müssen das Misstrauen abbauen und rechtzeitig die Menschen mit einbinden, dann steigt auch die Akzeptanz für Planungsideen, Argumente und Lösungsvorschläge von Politik und Verwaltung. Allerdings muss uns auch klar sein, dass mehr Mitbestimmungsrechte und ein Dialog auf Augenhöhe durchaus anstrengender sind und das Verhalten aller Beteiligten eine größere Rolle spielt. Wenn sich jeder seiner Verantwortung bewusst ist, dann bin ich mir sicher, dass unsere Demokratie mit mehr und echter Bürgerbeteiligung an Attraktivität gewinnt.
Kandidat im Stimmkreis 103
Michael Piazolo (Freie Wähler) ist seit 2008 Landtagsabgeordneter. Am 14. Oktober wird der Landtag neu gewählt. Piazolo tritt als Direktkandidat wieder im Stimmkreis 103 Giesing an. Dazu gehören Sendling, Thalkirchen, Obersendling, Solln sowie die Hälfte von Forstenried und Fürstenried, Obergiesing-Fasanengarten und der Großteil von Untergiesing-Harlaching.
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