"Eine absolute Fehlentscheidung"
Volkstheater am Viehhof? Skepsis und Enttäuschung vor Ort

Auf dem Viehhofgelände soll das Volkstheater gebaut werden. Auf unserem Archivbild sind links noch die Pferdehallen zu sehen. Diese wurden 2008 abgerissen, seither findet auf der Brachfläche dort das Kino-Open-Air statt (Foto: job)
Als "fantastische Bereicherung" bezeichnet SPD-Stadtrat Klaus Peter Rupp das künftige Volkstheater: Der Stadtrat hat letzte Woche dem Neubau auf dem Viehhofgelände richtig Schwung gegeben und das "Nutzerbedarfs- und Raumprogramm" genehmigt sowie die Vergabe an einen Generalübernehmer auf den Weg gebracht. Der Einsatz eines Generalübernehmers soll Zeit sparen, weil sämtliche Leistungen – von der Planung bis zur Ausführung – in einer Hand liegen. Die städtebauliche und architektonische Qualität des Neubaus soll wichtiger als die Kosten (der Stadtrat plant mit 130 Millionen Euro zuzüglich Risikoreserve) sein: Wenn der Generalunternehmen nicht mit einem überzeugenden Entwurf ins Rennen geht, bekommt er den Bauauftrag nicht - auch wenn sein Preis der günstigste wäre.
SPD-Stadtrat Klaus Peter Rupp, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion, sagt: "Das Volkstheater wird der erste Theater-Neubau Münchens seit Jahrzehnten. Es ist eine fantastische Bereicherung für die Kulturstadt München, dass ein ganz neues Bühnenhaus mit modernster Technik entstehen wird", sagt Klaus Peter Rupp für die SPD-Fraktion. "Das Volkstheater ist eine erfolgreiche Institution. Nun wird es darum gehen, die Erfolgsgeschichte an einem neuen Standort fortzuschreiben."
"Konzept ist gut durchdacht"
"Die Kulturstadt München wird ab 2020 um ein Highlight reicher sein", meinte Josef Schmid. Er ist zweiter Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Münchner Volkstheater GmbH. "Auf dem Viehhofgelände wird eines der modernsten Theater Europas entstehen", sagt er, "ich freue mich, dass der Stadtrat den Vorhang für das neue Volkstheater geöffnet hat." Das sei eine gute Nachricht für alle Kulturbegeisterten dieser Stadt.“
Der Neubau ist notwendig, wenn man das Volkstheater erhalten möchte. Der Mietvertrag der alten Spielstätte, die eigentlich nicht für einen Theaterbetrieb geeignet ist, läuft Ende 2020 aus. Bis dahin muss der Neubau fertig sein. "Das Konzept ist schlüssig und gut durchdacht. Wir bekommen einen funktionales, modernes und städtebaulich interessantes Theater auf dem Viehhof", erklärte CSU-Stadtrat Richard Quaas. Der Zeitrahmen bis 2020 sei "zugegebenermaßen ambitioniert", aber umsetzbar. "Uns ist bewusst, dass wir Finanzierungsengpässe hätten, wenn wir alle anstehenden Kulturprojekte auf einmal realisieren würden. Daher haben wir uns dafür entschieden, das drängendste Projekt sofort zu beauftragen", so Quaas.
"Fragwürdiger Schnellschuss"
FDP-Stadtrat Wolfgang Heubisch forderte dagegen, der Neubau des Volkstheaters müsse nochmal auf den Prüfstand: "Die Standortentscheidung für das Viehhofgelände muss dringend überprüft werden. Die bisherigen Entscheidungen gründeten sich auf den engen Zeitplan, um einen Spielbetrieb ohne eine Interimslösung zu gewährleisten", sagte er. Es sei "völlig klar, dass der Neubau auf dem Viehhofgelände nicht rechtzeitig 2020/21 fertig wird." Daher sei eine gründliche Abwägung der beiden diskutierten Standorte - Großmarkthalle und Viehhofgelände - vorzunehmen. Der Beschluss des Stadtrates sei ein "fragwürdiger Schnellschuss", der wieder vom Tisch müsse. Das Verfahren sei zudem ein finanzielles Abenteuer. Heubisch hält eine mehrjährige Zwischenlösung für machbar. "Mit den Hallen auf dem Kreativquartier an der Dachauer Straße ließe sich eine hervorragende Interimsstätte finden", so sein Vorschlag, "zudem könnten bei der Interimslösung auch unterschiedliche Standorte wie beispielsweise bereits bei Staatstheater am Gärtnerplatz praktiziert die Attraktivität des Theaters steigern."
Skepsis im Viertel
Vor Ort stößt das die Viehhofentscheidung ebenfalls auf Skepsis; Sendlings Bezirksausschussvorsitzender Markus Lutz kritisiert, eine Chance sei vertan worden. Der Bezirksausschuss favorisiert die denkmalgeschützte Großmarkthalle 1 auf dem Nachbargelände als Theater-Ort: Durch den Neubau des Großmarktes werde die Halle 1 frei; das Volkstehater wäre eine sinnvolle künftige Nutzung für den Bau.
Angesichts der Theater-Pläne hatten sich im vergangenen Jahr einige Tausend Bürger für den Erhalt des charmanten Viehhof-Quartiers in der Isarvorstadt ausgesprochen. In einer Petition, die u.a. vom Betreiber des Viehhof-Open-Air-Festivals, Hartmut Senkel, getragen wurde, sprachen sich Bürger und Gewerbetreibende für den Erhalt und die Koexistenz des gesamten Viehhof-Geländes aus: Die ansässigen Unternehmer und Initiativen wie das Kino-Festival müssten auch bei einem Bau des Volkstheaters auf dem Gelände bestehen bleiben.
"Wir brauchen Freiräume!"
Andreas Gaßner, Metzgerei am Viehhof, kann sich mit dem Volkstheater arrangieren:
"Das ist in Ordnung - das Volkstheater verträgt sich mit uns Gewerbebetrieben vor Ort. Wir arbeiten tagsüber, die Theaterbesucher kommen dagegen am Abend. Da kommt sich niemand in die Quere Daher ist mir das Theater an diesem Platz lieber als Wohnungen, denn Anwohner würden sich z.B. durch die bei uns fahrenden Liefer-Lkw gestört fühlen. Mit dem Theater kann ich mich gut arrangieren.
Schade ist jedoch, dass nun eine der letzten innerstädtischen freien Flächen bebaut wird. Die Luft zum Leben wird knapper; aber je mehr wir in München wachsen, umso nötiger brauchen wir auch solche Freiräume!"
"Das ist eine absolute Fehlentscheidung"
Markus Lutz, Vorsitzender des Bezirksausschusses Sendling, ist vom Stadtrat enttäuscht:
"Als Sendlinger bin ich, wie viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus Sendling und dem Dreimühlenviertel, sehr enttäuscht von der Entscheidung des Stadtrats, das Volkstheater am Viehhof zu bauen. Für mich ist dies eine absolute Fehlentscheidung, die sicherlich noch jemanden auf die Füße fallen wird. Mit einem Volkstheater in der Großmarkthalle, für das der Bezirksausschuss und viele Bürgerinnen und Bürger aus Sendling um dem Dreimühlenviertel gekämpft haben, hätte man eine ideale Nachnutzung für die alte, denkmalgeschützte Halle 1 gehabt. Man hätte etwas kulturell Großes schaffen können wie den bekannten 'Schiffsbau' in Zürich oder das KraftWerk Mitte in Dresden. Statt dessen kommt jetzt ein neumodischer Klotz ins Viehhofgelände: als erstes verschwindet das beliebte Viehhofkino, dann viel Platz für bezahlbaren Wohnraum und Gewerbe.
Schade, eine vertane Chance für München. Man baut halt lieber 08/15 und hat auch noch keine Idee, wie es mit der Halle 1 weiter geht, die für viel Geld so oder so saniert werden muss. Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen! Der Stadtrat schläft hier immer noch, die Sendlinger werden aber schon mal Ideen für eine kulturelle Nutzung sammeln.
"Es ist eine kulturelle Bereicherung"
Stadrat Andreas Lorenz hält den Standort für geeignet:
"Die Freifläche auf dem Viehhof-Areal ist für mich ein echtes Kleinod in München. Versteckt hinter Graffiti-bemalten Mauern birgt es im Moment eine der wenigen Möglichkeiten für Kinder, sich mitten in der Stadt auszutoben, was auch meine Tochter liebt. Und wir Erwachsene können dort im Biergarten sitzen oder draußen Kino schauen. Viele Freiflächen und unbebaute Standorte haben wir in München ja nicht mehr. Und diese auf dem Viehhof-Areal wird es leider auch nicht mehr lange geben. Denn hier soll nun ja das Volkstheater seine neue Heimat finden. Dafür eignet sich der Standort, denn das Theater muss schnell umziehen und diese Fläche befindet in zentraler Lage. Es ist auch kulturell eine Bereicherung für die Stadtviertel südlich des Zentrums, diese haben ja bislang kaum größere Kultureinrichtungen.
Um kreativ zu werden und um spontane Ideen umsetzen zu können, benötigen die Münchner Bürger aber Freiflächen und unbebaute Plätze. Mein Favorit wäre ohnehin gewesen, dass das Volkstheater in die denkmalgeschützte Halle auf dem Großmarktgelände zieht. Doch das wäre wohl zeitlich zu knapp geworden. Nun müssen wir eine gute Nachnutzung für diese Halle und das Großmarktareal finden. Womöglich lässt sich dann in Sendling so ein kreativer Freiraum umsetzen. Ich werde diese Idee auf jeden Fall verfolgen."
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