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Ein ganz normales Miteinander

Inklusion unter idealen Voraussetzungen

Auf dem Pausenhof können die Schüler und Schülerinnen der Privaten Luise-Kiesselbach-Grundschule sich austoben oder einen gemütlichen "Ratsch" an der frischen Luft abhalten. (Bild: jb)

Eine Schule mit kleinen Klassen, modernem Unterricht, individueller Förderung, gutem Personalschlüssel, keinem Unterrichtsausfall und natürlich auch mit einem differenziertem Ganztagskonzept inklusive gesundem Mittagessen - davon träumen viele Eltern schulpflichtiger Kinder. An der inklusiven Luise-Kiesselbach-Grundschule des ICPs ist das seit mehr als vier Jahren Realität. Im September 2010 wurde sie eröffnet und Armin Parzl, der Schulleiter, kann eine positive Bilanz ziehen: Die Privatschule wird von Jahr zu Jahr immer besser von den Eltern des Bezirks Sendling-Westpark angenommen. "Qualität spricht sich eben herum. Die letzte Übertrittsquote lag sogar über dem bayerischen Schnitt."

Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen

Es ist große Pause. Im Schulhof tummelt sich eine übersichtliche Schar an Grundschülern. Manche spielen Fußball, andere sitzen mit Matschhosen im Schnee und einige haben sich zurückgezogen, damit sie in Ruhe miteinander ratschen können. Ein ganz normales Miteinander eben, wie es auch an anderen Schulen tagtäglich praktiziert wird. Nur dass im Schulhof des Gebäudes an der Conrad-Celtis-Straße sich auch Kinder tummeln, die eine Behinderung haben. Das wird teilweise sichtbar, wenn sie auf Gehhilfen angewiesen sind oder im Rollstuhl sitzen. Aber es gibt auch Schüler, denen man ihre Behinderung nicht ansieht. "Streitigkeiten oder gar Mobbing unter den Schülern, die in deren Behinderung begründet waren, habe ich hier noch nicht erlebt ", sagt Armin Parzl und erläutert, was er unter dem Konzept "Inklusion" versteht. "Es geht um Werteerziehung: Je länger Inklusion gelebt wird, desto mehr Kinder und Jugendliche werden sensibilisiert und tragen das in die Gesellschaft hinein, was bestenfalls zu einem Umdenken führt", so Parzl. Aber er warnt auch: "Inklusion sollte nicht auf die Schule reduziert werden. Sie gehört in alle Bereiche des Lebens." Und sinngemäß sieht Parzl in der Inklusion kein "Allheilmittel", was dazu geeignet ist, alle gesellschaftlichen Probleme zu lösen, die durch das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung entstehen.

Inklusion als Ergänzung

Bewährte Modelle, wie zum Beispiel ausdifferenzierte Förderschulen und Behindertenwerkstätten zugunsten eines rein inklusiven Ansatzes abzuschaffen, dagegen spricht sich Armin Parzl in aller Deutlichkeit aus. "Ich kann natürlich nur eine Momentaufnahme geben von dem, was ich bis jetzt für Erfahrungen mit der Inklusion gesammelt habe", sagt er. "Viele unterschiedliche Parameter müssen bei jedem einzelnen Menschen mit Behinderung individuell angeschaut werden, um dann entscheiden zu können, in welchem System er am besten aufgehoben ist."

Förderschule oder inklusive Grundschule?

Die Frage, ob ein Kind mit Behinderung besser auf einer Förderschule, wo nur behinderte Kinder zusammen lernen, aufgehoben ist oder es in einer inklusiven Regelschule beschult wird, muss, laut Parzl, immer am Einzelfall geprüft werden. Um das zu verdeutlichen, erzählt er von den zwei Müttern, die auf einer Inklusionstagung vorgestellt wurden: Beide hatten Kinder, die in ihren Einschränkungen vergleichbar waren. Die Frage, welche schulform sie für ihr Kind für die Beste hielten, beantworteten sie konträr: Für die eine kam nur die inklusive Regelschule als die Schulform in Frage, die ihrem Kind die besten Voraussetzungen für sein späteres Leben liefern würde. Die andere konnte sich dagegen überhaupt nicht vorstellen, dass ihr Kind in einer Regelschule das umfassende Angebot für seine weitere Entwicklung bekommen könnte, was ihm die Förderschule, mit ihrer behindertengerechten Ausstattung und der engen Zusammenarbeit von Fachkräften, bieten würde.

Gute Beratung das A und O

"Es ist nicht nur der Grad der Behinderung entscheidend, welche Schulform für welches Kind die bessere ist", so Parzl. "Und manchmal entließen sich auch Eltern, die mit dem Vorsatz kommen, ihr Kind auf der inklusiven Grundschule anzumelden, nach dem Beratungsgespräch und der Hospitation dazu, dass ihr Kind doch auf der Förderschule besser aufgehoben ist."  Inklusion kann für Eltern aber auch deshlab nicht in Frage kommen, weil diese Variante für sie teurer ist. Neben dem anfallenden Schulgeld müssen Eltern auch die Beförderung ihres behinderten Kindes zur inklusiven Regelschule aus der eigenen Tasche bezahlen. Ginge es dagegen auf die Förderschule des ICPs, würden die Fahrtkosten erstatten werden.

Inklusion als gesellschaftliches Thema

Das Konzept der inklusiven Grundschule des ICPs hat sich bisher als ein erfolgreiches Modell erwiesen und gelegentliche Vorbehalte, die den Lehrkräften noch am Anfang seitens der Eltern entgegen kamen - etwa, ob die nichtbehinderten Kinder in ihrem Lernfortschritt durch die behinderten Kinder eingebremst werden - gibt es eigentlich nicht mehr. Das Schulkonzept als solches, wo beispielsweise auch klassenstufenübergreifend besonders begabter Zweitklässler schon am Matheunterricht der dritten Klasse teilnehmen kann und umgekehrt, bietet viele Vorteile, die auch die Eltern von nicht-behinderten Kindern erkannt haben. Bleibt zu hoffen, dass Inklusion nicht weiter nur ein Thema bleibt, was nach der vierten Klasse beendet ist, so Parzl. Er hat bisher von noch keinem der Münchner Gymnasien, die er angeschrieben hat im Hinblick auf eine Kooperation mit der inklusiven Grundschule, Antwort erhalten.


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