Die Flut und die Freundschaft
Schulpartnerschaft: Plingänse aus Simbach besuchen Plingänse in Sendling
Besuch aus Simbach. Über das Wiedersehen freuten sich nicht nur die Schüler aus Niederbayern und München, sondern auch (hinten von links): Mariele Preisinger, Severin Reiter (Lehrer München), Fritz Preisinger (Schulleiter Simbach), Ulrike Bauer (Schulleiterin München) und Ingrid Steinhauser (stellvertretende Schulleiterin Simbach, ganz rechts). (Foto: tab)
Aufregung und Freude herrschte in der Grundschule an der Plinganserstraße: Die Mädchen und Buben samt Lehrerkollegium erwarteten Besuch. Aus Simbach am Inn. Genauer vom Sozialpädagogischen Förderzentrum in Simbach am Inn. Postanschrift: Plinganserstraße. Was für ein Zufall. Seit einem Jahr besteht eine Schulpartnerschaft zwischen den beiden Einrichtungen. Am Anfang stand jedoch ein schlimmes Ereignis.
Sie liefen und liefen...
Den 1. Juni 2016 werden die Simbacher wohl nicht so schnell vergessen. Damals verwandelte sich der Simbach nach Dauerregen zu einem reißenden Fluß, schob Schlamm, Bäume und Autos vor sich her und zerstörte Häuser. Sieben Menschen kamen durch die Flutkastastrophe in Niederbayern ums Leben, viele verloren ihre Zuhause.
Da wollen wir helfen, dachten sich damals die Grundschüler in der Plinganserstraße in München. Schließlich stand wieder der Spendenlauf der Mädchen und Buben an. Das erlaufene Geld sollte auch in diesem Jahr sinnvoll angelegt werden. Nach einiger Recherche stieß man schließlich auf die Betty-Greif-Schule, ein Sonderpädagogisches Förderzentrum in Pfarrkirchen mit der Außenstelle in: Simbach am Inn, Plinganserstraße. Das passt. Das wird's! Ein Anruf in Simbach machte die Sache perfekt, im Juli vergangenen Jahres liefen die Münchner Kinder unter dem Motto "Plingänse laufen für Plingänse". Runde um Runde ging's um die Margaretenkirche. Ein heißer Tag war's, aber die Kinder liefen. Schließlich konnten sie mit über 6000 Euro im Gepäck nach Simbach fahren und den Scheck überbringen. Seitdem besteht eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Schulen.
Gemeinsamer Ausflug
"Das hat einfach sofort gepasst", freute sich Ulrike Bauer, Schulleiterin an der Grundschule in München, jetzt beim Gegenbesuch. Mit einem Bus waren die Mädchen und Buben aus Niederbayern angereist und wurden mit viel Applaus von den Münchner Freunden begrüßt. "Vielen Dank für die Einladung", sagte Fritz Preisinger, Schulleiter der Betty-Greif-Schule. "Wir möchten euch auch gerne zu einem Besuch einladen und würden uns freuen, wenn wir gemeinsam einen Ausflug machen könnten. Vielleicht schon im Herbst?", so Preisinger. Ein Vorschlag, der bei Ulrike Bauer sogleich auf Sympathie stieß.
Nach einer Stärkung in der Mensa konnten sich die Gäste an verschiedenen Stationen über die Landeshauptstadt München, ihre Sagen und Sehenswürdigkeiten informieren. Die Gastgeber hatten dazu unter anderem Referate vorbereitet, die nicht zuletzt beim Lehrerkollegium aus Simbach Eindruck hinterließen. "Die haben's aber echt drauf", lautete die einhellige Meinung.
"Die Wege waren blockiert"
Wie sehr die Flutkastrophe vom vergangenen Jahr auch die Simbacher Schule betraf, davon konnte die stellvertretende Schulleiterin Ingrid Steinhauser berichten. Der 1. Juni 2016 habe relativ normal begonnen. "Es war ein Tag mit Dauerregen", erinnerte sich Ingrid Steinhauser. "Um 11.30 Uhr rief eine Mutter von außerhalb Simbachs an und teilte mit, dass ihr Kind nicht nachhause kommen kann, weil alles geflutet ist." Dann sei da dieses Gewitter gewesen, das einfach nicht weitergezogen sei, und schließlich sei das Wasser aus der schuleigenen Dachrinne gelaufen wie bei einem Wasserfall. "Die Wege waren blockiert und wir wussten nicht, ob und welche Busse noch fahren. Wir mussten irgendwie organisieren, dass die Kinder nachhause kommen. Einige konnten noch von den Eltern abgeholt werden, andere wurden von Lehrern mitgenommen", berichtete Ingrid Steinhauser. Doch für sieben Kinder bestand an diesem Tag keine Chance, nachhause zu kommen. "Das Handynetz war zusammengebrochen, aber wir hatten in der Schule zum Glück Strom, so dass wir mit den Eltern telefonieren und ihnen versichern konnten, dass es den Kindern gut geht."
Übernachten in der Schule
Während Rettungshubschrauber über dem Ort kreisten, während Bewohner aus ihren gefluteten Häusern evakuiert wurden, mussten sich sieben Schüler und vier Lehrkräfte auf eine Übernachtung in der Schule einstellen. "Wir haben uns Decken zusammengesucht. Abends konnten die Kinder noch ihre Eltern anrufen und gute Nacht sagen", so die stellvertretende Schulleiterin. "Wir haben versucht, mit den Kindern ein Abenteuer daraus zu machen. Ich denke, das ist uns ganz gut gelungen, denn als eine Schülerin am nächsten Tag abgeholt werden sollte, hat sie ihre Mutter gefragt, ob sie noch ein bisschen bleiben kann."
Am nächsten Tag sei allen auch das Ausmaß der Katastrophe richtig bewusst geworden. "An unserer Schule waren auch Familien betroffen", betonte Fritz Preisinger. Die Spende vom vergangenen Jahr habe alle wahnsinnig gefreut, ebenso die Briefe, die viele Schüler mitgeschickt hatten. "Das war schon etwas Besonderes, dass sich eine Münchner Schule so für uns einsetzt."
Die Flut vom vergangenen Jahr hat viel Leid über die Bevölkerung in Niederbayern gebracht. Aber immerhin auch das: eine Freundschaft, die stärker ist als jede Naturkatastrophe.
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