"Das verursacht Panik"
Studie mit der deutschlandweit ersten Atemnot-Ambulanz
Einfachste Bewegungen werden zur Qual, Treppensteigen ist kaum mehr möglich und dann kommen auch noch nachts diese Attacken. Für Menschen mit Atemnot aufgrund einer fortgeschrittenen Erkrankung gehört das zum Alltag. Ein Alltag, der sie schnell in einen Teufelskreis geraten lässt. Denn Atemnot macht vor allem eines: Angst. Und Panik.
"Patienten sind oft isoliert"
"Eine Folge davon ist soziale Isolation, weil viele Patienten nicht mehr aus ihrer Wohnung kommen", sagt Prof. Claudia Bausewein, Direktorin für Palliativmedizin am LMU-Klinikum. "Die seelischen Nöte dieser Menschen sind immens."
Um Patienten dabei zu unterstützen, besser mit ihrer Atemnot umzugehen, wurde vor knapp einem Jahr am Klinikum der Universität München eine Atemnot-Ambulanz eingerichtet. Sie befindet sich in der Medizinischen Klinik in der Ziemssenstraße 1. Es ist die erste Ambulanz dieser Art deutschlandweit.
Studie mit Patienten
Da die Atemnot-Ambulanz im Rahmen eines Forschungsprojektes (BreathEase–Studie) untersucht wird, können Patienten nur in die Ambulanz kommen, wenn sie an diesem Projekt teilnehmen. Gefördert wird die Einrichtung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Derzeit beteiligen sich rund 50 Personen an dem Projekt. "Aber wir suchen noch Patienten, die teilnehmen wollen", erklärt Claudia Bausewein. Die Studie der Atemnot-Ambulanz ist bis Frühjahr 2017 angesetzt. "Danach soll das Angebot fest installiert werden", so Claudia Bausewein.
Lernen, mit der Atemnot zu leben
"Oft leiden Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen wie beispielsweise chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (kurz COPD), Tumorerkrankungen, chronischer Herzinsuffizienz oder Lungenfibrose auch bei optimaler Behandlung der Grunderkrankung an chronischer Atemnot", erklärt Claudia Bausewein. An sie richte sich das Angebot der Atemnot-Ambulanz, die sich in der Medizinischen Klinik (Ziemssenstraße 1) befindet. Entstanden ist die Ambulanz aus einer Kooperation der Klinik für Palliativmedizin und der Medizinischen Klinik V (Sektion Pneumologie und Thorakale Onkologie). Die Schwere der Atemnot sei in der Regel nicht beeinflussbar. "Aber durch eine Reihe von Maßnahmen wie gezielte Atemübungen, Anleitung zum Selbstmanagement oder Nutzung eines Handventilators können die Betroffenen lernen, ihr Leben mit der Atemnot besser zu bewältigen", so Claudia Bausewein. In der Münchner Atemnot-Ambulanz arbeiten Palliativmediziner und Lungenfachärzte Hand in Hand. Es sind Fachleute, die sich besonders mit dem Symptom Atemnot auskennen. Zudem werden die Patienten von Physiotherapeuten mit einer speziellen Zusatzausbildung betreut.
"Die Angehörigen leiden mit"
Doch wie läuft die Teilnahme genau ab? "Bei ihrem ersten Besuch in der Ambulanz sprechen die Patienten mit dem Palliativmediziner und dem Lungenfacharzt", sagt Claudia Bausewein. Sowohl Ursache als auch Behandlung der Erkrankung, die die Atemnot auslöst, sollten bereits abgeklärt sein. "Oftmals ist den Betroffenen schon geholfen, eine Anleitung zur Beruhigung des Patienten zu haben. Viele Patienten berichten uns, dass ihnen kühle Luft gut tut. Da kann auch ein Handventilator hilfreich sein. Wir laden auch immer die Angehörigen ein, mitzukommen." Das sei aus vielerlei Gründen wichtig. "Die Angehörigen leiden mit den Betroffenen mit, sie haben Angst. Wir können sie anleiten, was im Notfall zu tun ist, beispielsweise bei einer Attacke, die nachts kommt", weiß die Ärztin. "Angehörige von Atemnot-Patienten haben teilweise eine schlechtere Schlafqualität als Mütter neugeborener Babys."
"Körperliche Aktivität ist wichtig"
Im Anschluss an den ersten Besuch in der Atemnot-Ambulanz folgen wöchentlich physiotherapeutische Behandlungen über einen Zeitraum von vier Wochen. "Den Patienten werden Atemübungen und Körperhaltungen gezeigt, die ihnen den Umgang mit der Atemnot erleichtern sollen", betont Claudia Bausewein. Dadurch sei es möglich, dass die Betroffenen wieder Kontrolle über ihre Atemnot bekommen und sich zum Beispiel auch wieder trauen, ihre Wohnung zu verlassen. "Denn körperliche Aktivität ist wichtig." Gleichzeitig erhalten die Patienten die Broschüre "Umgang mit Atemnot bei chronischer Erkrankung", in der sie nochmal detailliert Übungen nachlesen können, aber auch viel über die Funktion der Lunge, über Ernährung und das Thema Achtsamkeit erfahren.
"Palliativ heißt nicht Sterben"
Beim Abschlussbesuch in der Ambulanz bespricht ein Palliativmediziner mit dem Patienten, wie es ihm geht und wie er das Gelernte umsetzen konnte. Falls notwendig, wird über weitere Unterstützungsmöglichkeiten gesprochen.
Für die Medizinerin ist es zudem ein besonderes Anliegen, die Hemmschwelle zur Palliativmedizin möglichst niedrig zu halten. "Wir stecken da leider in einem Dilemma", sagt sie. "Wenn die Menschen von Palliativstationen hören, dann bedeutet das für die meisten, dass nur Krebspatienten dorthin gehen. Und Palliativ wird meistens mit Sterben gleichgesetzt." Dem sei aber nicht so. Rund die Hälfte der Patienten könnten nach ihrer Behandlung auf einer Palliativstation wieder nachhause gehen. Gerade Atemnot bestehe bei Menschen mit chronischen Lungen- und Herzerkrankungen jahrelang vor dem Lebensende. "Wenn diese Patienten früher Kontakt zur Palliativmedizin aufnehmen, kann ihnen besser geholfen werden", sagt Claudia Bausewein.
Kontakt
Die Atemnot-Ambulanz befindet sich im Gebäude der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der LMU in der Ziemssenstraße 1 (zwischen Nußbaum- und Lindwurmstraße unweit des Sendlinger Tors).
Weitere Infos gibt es unter www.atemnotambulanz.de im Internet. Ansprechpartnerin ist Dr. Michaela Schunk, Telefon (089) 440077946.
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